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Die Nordrheiner sind bekannt für ihren Hang zum ausgelassenen Karneval-Feiern. Da kann's nicht bunt und rund genug gehen. Und bisher dachte ich immer, die Abkürzung KV stünde für Kassenärztliche Vereinigung. Doch angesichts dessen, was die KV Nordrhein in der diesjährigen Karnevalszeit treibt, scheint die Abkürzung KV für Karnevalsverein zu stehen. Dabei ist es wie im richtigen Karneval: Was da getrieben wird, ist oft so gar nicht mehr lustig.

Die KV schloss gemeinsam mit dem Gesundheitsnetzwerk Viersen eine Vereinbarung mit der Zur Rose Versandapotheke in Halle über die Zuführung von Patienten. Schicken Patienten ihr Rezept nach Halle, erhalten sie von dort pro Rezept einen Gutschein über fünf Euro für den Kauf von rezeptfreien Arzneimitteln und Kosmetika in der Versandapotheke.

Vorteil für die teilnehmenden Ärzte sollen sinkende Arzneiausgaben sein, da Zur Rose den Patienten nur billige Präparate schickt - entweder das vom Arzt festgelegte oder ein preiswerteres Präparat. Damit sollen Wirtschaftlichkeitsreserven gehoben werden, rühmt der nordrheinische KV-Vorsitzende Hansen vollmundig die Vereinbarung. Außerdem soll die Transparenz bei den Verordnungen erhöht werden, da für jeden Patienten ein Arzneimittelkonto geführt wird und somit auch Wechselwirkungen und Unverträglichkeiten mit anderen verordneten Präparaten erkannt werden können. (Wie innovativ!) Die Ärzte selbst sollen ebenfalls von einer höheren Transparenz profitieren: Die teilnehmenden Praxen erfahren dann zeitnah, welches Arzneimittel zu welchem Preis der Patient von der Versandapotheke erhalten hat.

Allein die unverfrorene Selbstsicherheit, diese Regelung könnte rechtens sein, zeigt, mit welchen Wildwest-Methoden in unserem Gesundheitssystem mittlerweile vorgegangen wird. Die Argumente, mit denen solche Vereinbarungen der Öffentlichkeit schmackhaft gemacht werden, sind an Dreistigkeit nicht mehr zu überbieten: Stichworte wie Arzneimittelkonto, Erkennen von Wechselwirkungen, Transparenz der Versorgungsqualität - Selbstverständlichkeiten, die in den allermeisten Präsenzapotheken bereits heute verwirklicht sind. Um in den Genuss dieser Leistungen zu kommen, braucht man keine Zuweisung an eine Versandapotheke. Für die Abgabe von stets günstigen Arzneimitteln sorgt schon lange die Aut-idem-Regelung in jeder Apotheke. Die Ärzte selbst haben sie bisher hartnäckig unterlaufen und eine Substitution verhindert.

Eines der Grundübel, das für diese Vereinbarung mitverantwortlich gemacht werden kann, ist nach meiner Auffassung das Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg, das die Ausgabe von 5-Euro-Gutscheinen für rechtens erklärte. Ohne einen solchen finanziellen Anreiz fällt dem Patienten nicht im Traum ein, sein Rezept in den Briefkasten zu stecken und nach Halle zu schicken. Dabei kommt ein anderes Gericht in einem vergleichbaren Fall in einem anderen Bundesland zu einer konträren Auslegung und hat dort die Gutscheinvergabe verboten.

Überhaupt, hat man endlich einmal die Hintergründe der Zur Rose Versandapotheke genauer angesehen? Nicht zum ersten Mal taucht die Frage auf, ob hier nicht ein verdeckter Fremdbesitz vorliegt - zumal diese Hallenser Apotheke durchaus deutliche Verbindungen zur Schweizer Zur Rose-Gruppe hat, einer "ärzteeigenen Unternehmensgruppe im Bereich Medikamentendistribution für Arztpraxen und Privatpersonen", wie es auf der Internetseite der Zur Rose-Gruppe heißt (www.zur-rose.ch).

Stark nach Karneval klingt zudem der Hinweis in der Pressemitteilung, wonach die Ärzte vor Ort keinen wirtschaftlichen Vorteil aus der Vereinbarung zögen. Nach Aussage der Apothekerkammer und des Apothekerverbands Nordrhein sei bewusst verschwiegen worden, dass den Arztpraxen für jeden vermittelten Patienten eine Geldprämie gezahlt wird.

Apothekerkammer und -verband haben schnell gehandelt, alle rechtlichen Register wurden gezogen. In einer Presseinformation machen sie deutlich, dass eine solche Vereinbarung der Arzneilieferung durch die Zur Rose-Versandapotheke illegal ist, der Vertrag rechtswidrig. Juristische Schritte wurden eingeleitet, die Wettbewerbsbehörde, das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium, die Apothekerkammer in Sachsen-Anhalt und die Ärztekammer Nordrhein wurden eingeschaltet.

Jetzt bleibt zu hoffen, dass diese Art von Karneval sofort gestoppt wird: Lustig ist anders.

PS: Auch die hessische AOK, stark in Finanznöten, macht auf Karneval: Wie der Hessische Apothekerverband mitteilt, will sie sich dadurch sanieren, dass sie ihre Versicherten am Abend anruft und sie zum Bezug ihrer Arzneimittel über Versandapotheken drängt. Die Versicherten, insbesondere die älteren Patienten, sind verunsichert und fragen in der Apotheke, ob sie jetzt ihre Arzneimittel nicht mehr in ihrer Apotheke vor Ort beziehen dürften. Das hat nichts mehr mit Wettbewerb zu tun, das ist Nötigung! Wo bleiben da die Politiker, wo bleibt die Aufsichtsbehörde?

Peter Ditzel

Karneval ist anders

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