Arzneimittel und Therapie

Aus der Forschung: Stärkung der Infektionsabwehr durch Butyrate

Die Verwendung von Antibiotika zur Bekämpfung von Infektionen stößt wenige Jahrzehnte nach ihrer Einführung an Grenzen: Immer häufiger entziehen sich Krankheitserreger durch Resistenz gegen die Wirkstoffe der Therapie. Neben der Suche nach neuartigen Antibiotika gewinnt daher das Verständnis der körpereigenen Infektionsabwehr an Bedeutung. Die angeborene Immunantwort der Darmschleimhaut wird durch Butyrat aktiviert, ein Stoffwechselprodukt der natürlichen Darmflora. Im Tierversuch lässt sich bakterielle Dysentherie durch orale Gabe von Natriumbutyrat therapieren.

Zum Schutz vor Krankheitserregern haben Organismen ein komplexes Waffenarsenal entwickelt. An vorderster Front agieren die verschiedenen Komponenten der so genannten angeborenen Immunantwort, die Mikroorganismen schnell, aber relativ unspezifisch eliminiert. Hat ein Eindringling diese Barriere durchbrochen, reagiert der Körper mit der Bildung von Antikörpern, also einer adaptiven Immunantwort, die das betreffende Pathogen spezifisch erkennt und beseitigt. Ein wichtiger Faktor der angeborenen Immunantwort sind körpereigene antimikrobielle Peptide, die aufgrund ihrer Zusammensetzung aus überwiegend positiv geladenen und hydrophoben Aminosäuren an Bakterienmembranen binden und diese lysieren können. Die antimikrobiellen Peptide wirken also bakterizid und helfen, Pathogene schnell, ohne Entzündungsreaktion zu eliminieren. Ihre Abwehrfunktion spiegelt sich im Namen einer wichtigen Gruppe antimikrobieller Peptide, der Defensine. Seit der Entdeckung der Defensine im Jahr 1985 wurden Hunderte verschiedener Peptide beschrieben, so die Cathelicidine des Darms, die Histatine des Speichels oder das Psoriasin der Haut.

Antimikrobielle Peptide finden sich vor allem auf den Schleimhäuten der Atemwege, des Darmtrakts und der Geschlechtsorgane sowie auf der Haut. Werden sie nicht in ausreichenden Mengen gebildet, so erhöht sich das Risiko für chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn.

Die natürliche Darmflora stärkt die Abwehr Bereits seit einigen Jahren weiß man, dass die Produktion antimikrobieller Peptide durch Mikroorganismen beeinflusst werden kann. So stimuliert die natürliche Darmflora im Colon die Bildung des Cathelicidins LL-37. Als Botenstoff wirkt dabei Butyrat, eine kurzkettige Fettsäure. Butyrat entsteht durch Gärung im Bakterienstoffwechsel und zeigt im Colon vielseitige Wirkungen. Es dient den Colonzellen als Energielieferant, stimuliert deren Differenzierung und fördert die Bildung des Cathelicidins. Somit ist Butyrat ein wichtiger Botenstoff für die Homöostase im Colon. Pathogene wie Shigella, der Erreger der bakteriellen Dysentherie, können dieses Gleichgewicht stören. So sinkt bei Shigella-Infektionen der Cathelicidin-Spiegel im Colon. Infolgedessen kann das Pathogen das Epithel durchdringen und in der Submucosa eine Entzündungsreaktion hervorrufen.

Butyrat wirkt auch bei oraler Gabe Jetzt wurde im Tierversuch an mit Shigellen infizierten Kaninchen gezeigt, dass die orale Gabe von Butyrat den Titer der Shigellen im Stuhl drastisch reduzieren kann, und zwar innerhalb von 24 Stunden auf ein Hundertstel des Werts von unbehandelten Kontrolltieren, nach 48 Stunden sogar auf weniger als ein Tausendstel. Durch die Butyrat-Behandlung besserten sich auch die klinischen Symptome wie Stuhlmenge und Blut im Stuhl. Diese Wirkung lässt sich dadurch erklären, dass die orale Gabe von Butyrat die Cathelicidin-Produktion im Colon normalisierte. Erste Einblicke in die durch Butyrat angestoßenen zellulären Regulationsmechanismen lieferten Studien an Zellkulturen. So sind an der durch Butyrat induzierten Cathelicidin-Bildung Hormonrezeptoren beteiligt, die im Zellkern als Transkriptionsfaktoren wirken. Eine zentrale Rolle kommt dabei offenbar dem Rezeptor für Vitamin D zu. Vitamin D kann auch unabhängig von Butyrat die Cathelicidin-Produktion steigern und so den Organismus gegen Infektionen aller Art schützen. So lässt sich die schon vor über hundert Jahren festgestellte therapeutische Wirksamkeit des für die Vitamin D-Bildung unerlässlichen Sonnenlichts bei Tuberkulose erklären. Für die Entwicklung einer medikamentösen Strategie zur Stärkung der körpereigenen Cathelicidin-Produktion bei Darminfektionen bleiben noch viele Fragen zu beantworten. So ist nicht bekannt, wie das oral verabreichte Butyrat seinen Wirkort erreicht, da es während der Darmpassage resorbiert wird. Möglicherweise muss im Blut eine bestimmte Butyratkonzentration erreicht werden.

Interessant sind Überlegungen, ob bewusste Ernährung prophylaktisch gegen Darmerkrankungen wirkt, beispielsweise indem die Cathelicidin-Produktion durch Vitamin D direkt gesteigert wird oder indirekt durch komplexe Kohlenhydrate, die die Butyratbildung durch die Darmbakterien fördern.

Dr. rer. nat. Annette Hille-Rehfeld

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