Aus Kammern und Verbänden

Hamburger Apothekerverein: Kampf an vielen Fronten

Bei der Mitgliederversammlung des Hamburger Apothekervereins am 5. Dezember beschrieb der Vorsitzende Dr. Jörn Graue die Lage der Apotheker als wirklich ernst und bedrohlich . Zugleich gab er sich zuversichtlich, dass einige Pläne für die Gesundheitsreform noch korrigiert werden könnten (siehe AZ 50). ABDA-Geschäftsführer Lutz Tisch gab einen Überblick über die vielfältigen Angriffe gegen das Berufsbild der Apotheker.

Graue zeigte sich betroffen von der Stimmung und der Stimmungsmache gegen uns Apotheker . Auch die Häme bei der Berichterstattung stimme bedenklich, aber die Apotheker würden weiter kämpfen, wenn auch gegen Windmühlen . Die uferlosen Diskussionen um die Reform hätten in der Bevölkerung den Eindruck hinterlassen, dass die Große Koalition nur faule Kompromisse hinkriege. Was der Bürger wahrnimmt, ist reine Machterhaltung, Pragmatismus für die laufende Legislaturperiode , so Graue. Zudem müsse die Koalition wegen der Pensionsansprüche der Politiker mindestens zwei Jahre halten.

Das GKV-WSG ist ein kontraproduktives Gesetz Die vorangegangenen Reformgesetze hätten den Apothekern vermittelt, sie sollten neutrale Heilberufler sein, dagegen sei der GKV-WSG-Entwurf die Drehung rückwärts und ein Frontalangriff auf das Berufsbild des Apothekers . Die Politik provoziere den Kannibalismus durch Zuzahlungsdumping und Rabattschlachten . Zum Schutz von Arbeitern gäbe es das Tarifvertragsrecht. Dagegen solle der Kontrahierungszwang, der die Apotheker als Freiberufler schützt, durch selektives Kontrahieren ersetzt werden. So entstehe ein Leistungserbringer-Ausbeutungsgesetz . Dabei werde übersehen, dass im derzeitigen System Wettbewerb längst besteht. Sogar die Spitzenverbände der Krankenkassen würden Höchstpreise für Arzneimittel ablehnen. Denn Vertragspreise für einzelne Apotheken und mehrdimensionale Rabatte würden die Transparenz im Arzneimittelbereich zerstören. Nach Einschätzung von Graue übersieht der Gesetzgeber auch die Nachteile individueller Handlungsoptionen beim Zuzahlungsdumping. Denn so steuere nicht der Arzneimittelpreis, sondern die Zuzahlungshöhe, sodass teurere Arzneimittel abgegeben werden. Zugleich bezweifelte Graue, dass die geplante Neu–regelung beim Sprechstundenbedarf zur Konzentration auf einzelne Versandapotheken führen werde. Die Vor-Ort-Versorgung werde Vorrang behalten, es komme aber auf einen wett–bewerbs–fähigen Preis an. Bei der Reform strebe der Gesetzgeber offenbar an, potenzielle Streitquellen für die Finan–zierung schrittweise, aber möglichst über föderale Grenzen hinweg auszuräumen und die Kontrollgewalt in staatliche Hände zu legen. Wie Wolfram Richter, der Erfinder des Gesundheitsfonds, kürzlich eingeräumt habe, sollten die Krankenkassen letztlich miteinander konkurrieren, die medizinisch notwendigen Leistungen kostensparend zu erbringen. Der Rest entfiele auf Zusatzpakete zu Lasten der Versicherten.

Krankenkasse gegen Einzelverträge Der Vorstand des Hamburger Apothekervereins wurde einstimmig entlastet. Geschäftsführer Peter Brinkmann berichtete, dass der novellierte Arzneiliefervertrag mit den Hamburger Primärkassen kurz vor dem Abschluss stehe, wobei die bisherigen Grundfesten des Vertrages erhalten blieben. Thomas Worthmann, Geschäftsführer der Landesgeschäftsstelle Nord der Barmer Ersatzkasse, bekräftigte, dass die Barmer auch künftig mit den Spitzenverbänden der Apotheker verhandeln wolle und sie weiterhin als Partner bei den Haus–apotheken–verträgen sehe. Einzelverträge seien dagegen nicht zielführend.

Freie Berufe stehen für Qualität Lutz Tisch, ABDA-Geschäftsführer für Apotheken-, Arzneimittel- und Berufsrecht, betrachtete die derzeitigen Herausforderungen für die Apotheker vor dem Hintergrund des Berufsbildes. Aufgrund der Besonderheiten von Arzneimitteln würden die üblichen Markt–mechanismen hier nicht funk–tionieren, weshalb der Staat ein präventives Regelungssystem geschaffen habe. Im Zusammenhang mit ihrer Gemeinwohlverpflichtung hätten die Apotheken eine Vorbehaltsaufgabe, was nicht mit dem ökonomischen Begriff des Monopols verwechselt werden dürfe, der hier nicht zutreffe. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sei angesichts erheblicher Qualitätsprobleme im Rechts- und Gesundheitswesen diskutiert worden, diese Berufe zu verbeamten. Aufgrund der damals verbreiteten Liberalität seien jedoch die freien Berufe als Kompromiss zwischen Staats- und Privatwirtschaft geschaffen worden. Die Gemeinwohlverpflichtung und die Verkammerung zeigen den Einfluss des Staates und stehen damit entgegen derzeit vielfach geäußerten Behauptungen im Gegensatz zu einem Zunftwesen, das sich typischerweise mit eigenen Regeln gerade der staatlichen Regulierung entzog. So müsse die Freiberuflichkeit als modernes Instrument einer freiheitlichen Gesellschaft wiederentdeckt werden. Zur Freiberuflichkeit gehöre neben der Unabhängigkeit auch, dass die Freiberufler sich ihrer Funktion und ihrer Beschränkungen bewusst sind und die Qualität ihrer Arbeit sichern.

Herausforderungen für Apotheken Bei den Apothekern seien die Niederlassungsfreiheit, die Werbefreiheit und die Ausweitung des Randsortiments prinzipiell als systemfremde Elemente für einen solchen freien Beruf zu betrachten. Eine wesentliche Axt am System sei die Gleich–stellung des Versandhandels mit der niedergelassenen Apotheke gewesen. Dies führe zu normativen Wertungswidersprüchen, weil von den Apotheken nicht verlangt werden könne, was im Versandhandel unmöglich sei. Dies habe sich jüngst beim Urteil des OVG Münster zu den dm-Drogerien gezeigt und könne noch viele weitere Verwerfungen auslösen. Da der Gesetzgeber dies nicht wolle, solle er die Ursache beheben und den Versandhandel für verschreibungspflichtige Arzneimittel verbieten, wie es der Europäische Gerichtshof für zulässig erklärt hat. Weitere systemfremde Eingriffe wie Höchstpreise und Fremd- und Mehrbesitz würden das Konzept der Freiberuflichkeit zerstören. Als Folge der Deregulierung würde das Vertrauen in den Beruf schwinden und das Risiko für die Patienten steigen, sodass der Staat letztlich mit dirigistischen Maßnahmen eingreifen müsse. Nicht ganz so –besorgt zeigte sich Tisch gegenüber verschiedenen EU-Vertragsverletzungsverfahren und der Position der EU-Kommission, die aufgrund des Subsidiaritätsprinzips für das Gesundheitswesen nicht zuständig sei. Im Rechtsstreit um die Doc–Morris-Apotheke sehe er vor dem Europäischen Gerichtshof gute Chancen für die Position der Apotheker.

Neue Apothekenbetriebsordnung Angesichts der politischen Unsicherheiten sei die Zeit ungünstig für die Novellierung der Apothekenbetriebsordnung, sagte Tisch. Dennoch müssten die Apotheker bis zum Jahresende ihren Vorschlag für eine Neufassung abgeben. Es sei eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit, sich dabei zur Qualität und den dafür nötigen Anforderungen an die Apotheken zu bekennen. Zu einer qualitätsorientierten Ausrichtung gehöre auch, an zentralen Stellen des Apothekenbetriebs Instrumente aus Qualitätsmanagementsystemen einzusetzen. Doch was letztlich in der neuen Apothekenbetriebsordnung stehen werde, sei derzeit noch ungewiss, denn wir sind am Anfang eines Ideensammelprozesses , erklärte Tisch.

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