Schwerpunkt Erkältung

Interview: "Kinder unter zwei Jahren mit beidseitiger Otitis profitieren am meis

Mit einer frühzeitigen Antibiotikatherapie und der Gabe von abschwellenden Nasentropfen sollten Komplikationen einer akuten Mittelohrentzündung verhindert werden. Doch einen eindeutigen Nachweis gibt es nicht. Was bedeutet das für die Therapie?

Folgt man den Ergebnissen der jüngsten Studien, dann muss im Einzelfall genau abgewogen werden, wie eine akute Mittelohrentzündung am sinnvollsten zu behandeln ist. Was dabei zu beachten ist, hat Dr. Thomas Berger von der Vestischen Kinderklinik in Datteln im Gespräch mit der DAZ näher erläutert.

d:

Wann empfehlen Sie eine antibiotische Behandlung?

Berger:

Die Metaanalyse aus dem Lancet zeigt, dass Kinder unter zwei Jahren mit beidseitiger Otitis und Kinder mit Otitis und Otorrhö am meisten von einer Antibiose profitieren. In diese Richtung gehen auch die aktuellen Empfehlungen, Kinder unter zwei Jahren mit sicherer Otitis media in der Regel antibiotisch zu behandeln, während bei älteren Kindern zunächst 48 bis 72 Stunden unter Schmerztherapie zugewartet werden kann, es sei denn, es liegt ein klinisch schwerer Verlauf beispielsweise mit hohem Fieber, schlechtem Allgemeinzustand oder Erbrechen vor.

d:

Welche Komplikationen werden befürchtet, wenn nicht rechtzeitig mit Antibiotika behandelt wird? Wie häufig sind sie? Worauf muss geachtet werden?

Berger:

Als Komplikationen werden vor allem die Mastoiditis oder ein anderes Übergreifen der eitrigen Entzündung auf die Umgebung des Mittelohrs gefürchtet. Die Häufigkeit liegt unter 1%. Sie ist unabhängig davon, ob früh antibiotisch behandelt wurde oder nicht. Unbehandelte Kinder zeigen gegenüber behandelten vor allem eine um etwa einen Tag verlängerte Schmerzdauer. Bei abwartendem Verhalten muss darauf geachtet werden, dass eine Kontrolle des Verlaufes nach etwa 48 bis 72 Stunden zuverlässig gewährleistet ist. Die Familien müssen entsprechend aufgeklärt werden.

d:

Beinahe routinemäßig werden an akuter Mittelohrentzündung erkrankte Kinder mit abschwellenden Nasentropfen behandelt. Auch diese Therapie ist umstritten. Wie bewerten Sie den Einsatz abschwellender Nasentropfen?

Berger:

Der Einsatz von Nasentropfen ist weit verbreitet und beruht auf der Vorstellung, die Belüftung des Mittelohres über die Ohrtrompete zu verbessern. Studien konnten allerdings keinen positiven Einfluss auf den Verlauf einer Otitis media belegen. Von daher sollte der Einsatz auf die Fälle beschränkt bleiben, die bei begleitender Rhinitis von der direkten Symptombehandlung profitieren. Das ist beispielsweise bei kleinen Säuglingen mit behinderter Nasenatmung und Trinkschwierigkeiten der Fall.

d:

Welches therapeutische Vorgehen empfehlen Sie?

Berger:

Eine Schmerztherapie (z.B. Ibuprofen oder Paracetamol in üblicher Dosierung) sollte allen Kindern mit Otitis media angeboten werden. Wie oben erwähnt, sollten Kinder unter zwei Jahren bei sicherer Otitis media grundsätzlich antibiotisch therapiert werden. Arzneimittel der Wahl ist in der Regel Amoxicillin in einer Dosierung von 50 (-90) mg/kg Körpergewicht. Ältere Kinder mit schwererem Verlauf werden ebenfalls primär antibiotisch behandelt, bei allen übrigen kann unter entprechender Verlaufskontrolle für etwa 48 bis 72 Stunden unter Schmerztherapie zugewartet werden. Bei ausbleibender Besserung erfolgt dann ggf. die Behandlung in gleicher Weise mit Amoxicillin.

d:

Welche Allgemeinmaßnahmen sind sinnvoll?

Berger:

Vor allem bei Fieber sollte auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden. Bei Fieber können Bauch- oder Wadenwickel unterstützend angewendet werden. Lokale Maßnahmen wie die Anwendung von Zwiebel- oder Kamillesäckchen oder die Anwendung von Rotlicht werden häufig als wohltuend und hilfreich beschrieben und können empfohlen werden, auch wenn sie bislang wissenschaftlich nicht untersucht wurden. Eine genauere Beschreibung dieser Maßnahmen findet sich zum Beispiel in der oben erwähnten Patienten-Leitlinie der Universität Witten/Herdecke zur Mittelohrentzündung im Internet. (www.patientenleitlinien.de) .

d:

Herr Dr. Berger, wir danken Ihnen für das Gespräch!

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