Arzneimittel und Therapie

Welt-Aids-Tag: Antisense-RNA als neue Waffe gegen HIV

Trotz bedeutender Fortschritte bei der medikamentösen Behandlung von HIV-Infektionen gelang bis heute keine wirksame Kontrolle der HIV-Epidemie. Eine neuartige Gentherapie, die mittels Antisense-RNA die Vermehrung der HI-Viren unterbinden soll, hat jetzt die erste Hürde der klinischen Erprobung genommen.

Die HIV-Epidemie persistiert nicht nur in den Entwicklungsländern und Ostblockstaaten. Auch Deutschland ist trotz relativ geringer HIV-Inzidenz von einer Eindämmung der Epidemie weit entfernt. Die Zahl der hier registrierten jährlichen Neuinfektionen stabilisierte sich nach vorübergehend rückläufiger Tendenz auf hohem Niveau (ca. 1200 Fälle pro Halbjahr).

Angriff auf die körpereigene Immunabwehr HI-Viren besiedeln T-Helferzellen, zerstören sie durch massive Vermehrung und entziehen so der körpereigenen Immunabwehr eine wichtige Grundlage. Bleibt die resultierende Immunschwäche unbehandelt, werden auch harmlose Krankheitserreger zur tödlichen Gefahr für den Patienten. Die 1996 eingeführte hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART) bekämpft die Vermehrung der HI-Viren durch eine Kombination von Wirkstoffen, die entweder die Besiedlung der T-Helferzellen oder die Verdopplung des viralen Erbguts durch die reverse Tran–skriptase hemmen. Zurzeit stehen 21 verschiedene Arzneistoffe zur Behandlung der HIV-Erkrankung zur Verfügung. Die HAART kann jedoch bestenfalls die Viruslast im Körper der Patienten unter die Nachweisgrenze drücken und die Anzahl der T-Helferzellen stabilisieren. Zwar lässt sich dadurch die Rate der tödlich verlaufenden HIV-Infektionen senken, aber das HI-Virus wird im Körper nicht vollständig ausgerottet. Zudem wurde als Langzeitnebenwirkung vor allem das Lipodystrophiesyndrom beobachtet. Diese Störung des Fettstoffwechsels und der Fettzusammensetzung des Körpers geht mit einem Schwund von Unterhautfettgewebe im Gesicht, an den Armen und Beinen einher sowie mit der Anlagerung von Fettgewebe am Bauch und im Nacken – so wird die HIV-Infektion beziehungsweise deren Behandlung äußerlich sichtbar.

RNA-Negativkopie kann einzelne Gene blockieren Jetzt stellten Wissenschaftler von der Universität Pennsylvania (USA) und der Biotechnologiefirma VIRxSYS eine gentechnologische Strategie zur HIV-Therapie vor. Dabei wird die Vermehrung der HI-Viren durch Antisense-RNA gehemmt, also durch eine Nucleinsäure, deren Basensequenz komplementär ist zu einem Abschnitt eines viralen Gens. Die Antisense-RNA bindet spezifisch an die zugehörige virale messengerRNA – die Bauanleitung für die Proteinsynthese – und inaktiviert diese. Gelingt es, durch eine solche Antisense-RNA die Synthese eines Proteins zu unterbinden, das für die Neubildung infektiöser Viruspartikel benötigt wird, so läuft die Infektion ins Leere. Als Genfähre für die Antisense-RNA wurde ein gentechnisch verändertes HI-Virus entwickelt, bei dem die krankheitsauslösenden Gene entfernt worden waren. Es infiziert T-Helferzellen, ohne Schaden anzurichten, und integriert die Information für die Herstellung der Antisense-RNA stabil in das Genom der Zielzelle. So lässt sich durch Antisense-RNA gegen das HIV-Hüllprotein "envelope" die Vermehrung pathogener HI-Viren in T-Helferzellen verhindern. Für eine erste klinische Phase-I-Studie wurden fünf schwerkranken HIV-Patienten, die auf klassische Therapien nicht ansprachen, T-Helferzellen entnommen. Jeder Patient erhielt eine einzige Infusion seiner eigenen, mit der Genfähre beladenen Zellen. Während der ersten neun Monate der auf 15 Jahre angelegten Studie traten keine Nebenwirkungen auf, so dass die Genfähre als sicher eingestuft wird. Bei allen Patienten stagnierte die Viruslast oder ging sogar zurück. Auch die Anzahl der T-Helferzellen stabilisierte sich und die Funktion des Immunsystems verbesserte sich teilweise. Die Wissenschaftler beurteilen das Ergebnis mit vorsichtigem Optimismus. Phase-II-Studien mit Patienten, deren Viruslast durch HAART bereits reduziert ist, sollen die Wirkung wiederholter Applikationen untersuchen.

Dr. rer. nat. Annette Hille-Rehfeld

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