Arzneimittel und Therapie

Aus der Forschung: Lokale Chemotherapie zur Behandlung von Hirntumoren

Die Diagnose "Glioblastom" Ų bösartiger Hirntumor Ų bedeutet fast immer den absehbaren Tod. Die meisten Menschen, die an einem Glioblastom erkranken, sterben innerhalb von einem Jahr. Mit einem neuen Behandlungsansatz kann die Überlebenszeit verlängert werden: Das Chemotherapeutikum Carmustin wird als Depot-Wirkstoff gleich nach der operativen Entfernung des Tumors gezielt in die Operationshöhle und damit unmittelbar in die Tumor-Randzone platziert.

Seit Ende 2005 ist diese neue Form der lokalen Chemotherapie mit dem Wirkstoff Carmustin als Implantat in Deutschland als Verfahren zur Behandlung für Glioblastom-Patienten zugelassen. Die Abteilung Neurochirurgie am Göttinger Universitätsklinikum gehört zu den wenigen Kliniken in Deutschland, die die Behandlung bereits durchführen.

Gliome haben eine sehr schlechte Prognose Bei etwa der Hälfte aller Hirntumoren handelt es um so genannte Gliome. Diese Hirntumoren entwickeln sich aus dem Stützgewebe des Gehirns. Leider sind im Erwachsenenalter die meisten aller Gliome bösartig. In Deutschland erkranken jährlich etwa 6300 Menschen an Gliomen. Wegen ihres sehr aggressiven und diffusen Wachstums sind bösartige Gliome extrem schwierig zu behandeln und haben eine sehr schlechte Prognose. So liegt die mittlere Lebenserwartung nach der Diagnose bei etwa zwölf bis 18 Monaten.

Freisetzung direkt am Wirkort Bislang wird mit der Strahlen- und/oder Chemotherapie erst zwei bis drei Wochen nach der operativen Entfernung des Hirntumors begonnen. Die neue Form der lokalen Chemotherapie wird unmittelbar nach der Entfernung des Hirntumors noch während der Operation durchgeführt. Die Neurochirurgen setzen bis zu acht Depotplättchen mit dem Wirkstoff Carmustin in den Hohlraum ein, der durch die Entfernung des Tumors entstanden ist. So kann Carmustin sofort auf einzelne im angrenzenden Gewebe verbliebene Tumorzellen wirken. Die Plättchen müssen nicht entfernt werden, sie lösen sich innerhalb von zwei bis drei Wochen langsam auf. Die gezielte Platzierung der Depotplättchen macht hohe Konzentrationen von Carmustin genau in der Region möglich, in der die Substanz wirken soll. Ein weiterer Vorteil: Das Arzneimittel verteilt sich nicht über den Blutstrom im gesamten Körper; Knochenmark und Organe wie Leber und Lunge werden nicht belastet.

Fünfmal mehr Überlebende nach drei Jahren Die Form der lokalen Chemotherapie mit einem Depot-Wirkstoff kann Gliom-Patienten zu einem längeren Überleben verhelfen. In einer klinischen Studie mit 240 Patienten, in der die neue Therapie zusätzlich zu der etablierten Strahlen-Chemotherapie-Kombination durchgeführt wurde, lebten nach drei Jahren noch zwei Patienten (1,7%) der Kontrollgruppe, in der Gliadel®-Implantatgruppe lebten dagegen noch elf Patienten (9,2%). hel

Carmustin

Das Nitrosoharnstoff-Derivat Carmustin wirkt antineoplastisch und zytozid. Es wirkt als Alkylanz und macht DNA, RNA und Proteine durch Alkylierung für den Zellstoffwechsel unbrauchbar. Die unter Alkylanzien und Strahlentherapie häufig beobachteten Repairmechanismen an der DNA werden durch Carmustin bzw. seine Metaboliten gehemmt.

Carmustin wirkt Zellzyklusphasen-unspezifisch und auch auf ruhende Zellen zytozid. Als Carmubris® ist Carmustin bisher für Infusionen zugelassen zur unterstützenden Behandlung chirurgischer Operationen und Bestrahlungen, oder als Kombinationsbehandlung mit anderen Substanzen bei verschiedenen Tumoren.

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