DAZ aktuell

Protestkundgebungen: Krötsch: Zündeln am bewährten System!

MÜNCHEN (hvj). Am 8. November 2006 protestierten 10.000 Apothekerinnen und Apotheker aus Bayern und Baden-Württemberg sowie deren Mitarbeiter auf dem Münchner Odeonsplatz. Dr. Ulrich Krötsch, Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer, formulierte, wie auch die anderen Repräsentanten der Apotheker, unter lautstarker Zustimmung aller Anwesenden die Kritik bzw. Forderungen der deutschen Apotheker hinsichtlich der geplanten Gesundheitsreform. Die DAZ hat sich im Nachgang mit Dr. Ulrich Krötsch unterhalten.

d:

Herr Dr. Krötsch, ähnlich wie letzte Woche in Leipzig haben sich wieder zahlreiche Apothekerinnen, Apotheker, PTA und PKA zur Protestkundgebung in München eingefunden. Sind Sie mit der Veranstaltung in München zufrieden?

Krötsch:

Wir sind sogar sehr zufrieden und auch positiv überrascht, dass ca. 8000 bis 10.000 Teilnehmer sich zu dieser Protestveranstaltung eingefunden haben. Die Stimmung war hervorragend und Dank der hervorragenden Moderation und Organisation können wir stolz auf diese Aktion zurückblicken.

d:

Politiker und zahlreiche Medien werfen den Apothekern vor, auf hohem Niveau zu jammern...

Krötsch:

... um eines klarzustellen: Weder auf dieser Veranstaltung noch sonst gab es ein Wehklagen hinsichtlich unseres Verdienstes oder des Geldes! Es geht hier um etwas viel Wichtigeres, nämlich dass mit der geplanten Gesundheitsreform versucht wird, den unabhängigen und freiberuflichen Heilberuf des Apothekers abzuschaffen und stattdessen uns zu Rabatthändlern bzw. Arzneimitteldiscountern zu degradieren.

d:

Welche Forderungen stellen Sie an die Politik?

Krötsch:

Ich könnte Ihnen zahlreiche Punkte nennen, möchte mich hier aber auf die drei Wichtigsten beschränken:

  1. Wir Apotheker brauchen weiterhin unser für alle gültiges Fixhonorar pro abgegebenes Arzneimittel.
  2. Wir benötigen eine festgelegte und für alle Apotheken gültige Zuzahlungsregelung auf Medikamente, damit den Krankenkassen hier weiterhin ein Steuerungsinstrument zur Verfügung steht.
  3. Das Vorhaben, 500 Millionen Euro bei den Apothekern einzusparen, muss gestoppt werden.

d:

Heißt das, die Apotheker sind nicht bereit, einen Beitrag zur Kostenreduzierung im Gesundheitswesen zu leisten?

Krötsch:

Selbstverständlich sind wir bereit, aber leider hat die Politik schon vergessen, dass durch das aktuelle AVWG in den vergangenen fünf Monaten über 400 Millionen Euro bei den Arzneimittelausgaben eingespart worden sind. Diese Kostenreduzierung bei den gesetzlichen Krankenkassen konnte nur dadurch erreicht werden, dass die Apotheker seit dem 1. Mai keine Rabatte mehr von der Pharmaindustrie annehmen dürfen, und dadurch weitere immense Preisreduzierungen durch die Industrie vorgenommen werden konnten.

d:

Sie sehen also keine weiteren Einsparpotenziale für die Ausgaben der Arzneimittelkosten der gesetzlichen Krankenkassen bei den Apothekern?

Krötsch:

Gegenfrage: Trägt ein Zugschaffner bzw. der Fahrkartenverkäufer die Verantwortung für die Höhe des Fahrpreises? Kein Politiker würde dieser "Berufsgruppe" die Schuld an den steigenden Ticketpreisen geben! Genauso geht es uns Apothekern! Auch wir profitieren nicht von hohen Arzneimittelkosten! Um die Kosten der gesetzlichen Krankenkassen bei den Arzneimittelausgaben nachhaltig zu senken, müssen entweder deren Preise gesenkt oder die Menge der abgegebenen Arzneimittel reduziert werden. Fakt ist aber: Der Apotheker hat auf beides keinen Einfluss! Die Politiker scheinen vergessen zu haben, dass die Mengen der von den Krankenkassen zu bezahlenden Arzneimittel durch das Verordnungsverhalten der Ärzte gesteuert und der Arzneimittelpreis alleine durch den Herstellerabgabepreis festgesetzt wird. Noch ein letztes: Durch die Mehrwertsteuererhöhung im Januar 2007 bekommt der Staat beim Arzneimittel eine höhere Marge als der Apotheker.

d:

Haben Sie denn eigene Vorschläge?

Krötsch:

Selbstverständlich sind wir bereit, einen Beitrag zu leisten. Jedoch sind durch das jetzt gültige AVWG die wirtschaftlichen Einsparpotenziale bei den Apothekern erschöpft. Weitere Kürzungen bringen einen Qualitätsverlust, der mittelfristig die Krankenkassen erheblich höhere Summen kosten wird, als jetzt versucht wird einzusparen. Unser Vorschlag wäre, dass Ärzte und Apotheker zusammen regional oder überregional Listen kostengünstiger Arzneimittel erstellen und versuchen diese vermehrt abzugeben. Des Weiteren wären wir bereit, im Auftrag der Krankenkassen mit den Herstellern Verhandlungen über Rabatte zu führen, die dann an die Krankenkassen weitergereicht werden. Da unsere Vergütung unabhängig vom Preis des Arzneimittels ist, haben wir nichts gegen derartige Preissenkungen einzuwenden.

d:

Wie andere Redner haben auch Sie berichtet, dass sich die Politik Ihren Vorschlägen verschließt. Was könnte die Ursache hierfür sein?

Krötsch:

Es ist richtig, dass eine Vielzahl von Politikern, die mit uns in der Vergangenheit in permanentem Dialog standen, z. Zt. nicht zu erreichen sind bzw. uns keine Termine geben. Es entsteht sogar der Eindruck, als ignorieren die Politiker mit vollem Bewusstsein unsere Anliegen bzw. deren stichhaltigen Argumente. Es war allerdings auch zu erfahren, dass innerhalb der CSU alles dem Erfolg der Großen Koalition untergeordnet wird und somit auch diese Gesundheitsreform. Selbst berechtigte Änderungswünsche z. B. von uns Apothekern dürfen nicht eingebracht werden, um diesen Erfolg nicht zu gefährden.

d:

Heißt das, die Apotheker lehnen diese Gesundheitsreform grundsätzlich ab?

Krötsch:

Nein, wie bei jeder Reform gibt es sicherlich auch sinnvolle Neuerungen. Wichtige Veränderungen, die uns Apotheker betreffen, müssen aber noch von den verantwortlichen Politikern unbedingt vorgenommen werden.

d:

Glauben Sie, dass die von Ihnen geforderten Korrekturen in dem geplanten Gesetzeswerk noch berücksichtigt werden?

Krötsch:

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Politik – gerade nach den beiden jetzigen und zukünftigen Protestveranstaltungen – unsere Anliegen weiter ignorieren kann. Wir werden hier auf alle Fälle weiterkämpfen und hoffen immer noch, dass nicht nur hinsichtlich dieser wichtigen Entscheidungen die Vernunft bei den Verantwortlichen Einzug halten wird. Nochmals, wir Apotheker fordern keinesfalls, dass der gesamte Gesetzentwurf verändert werden muss! Wir fordern lediglich "kleine" Korrekturen bei der Zuzahlungsregelung. Für die politischen Gremien wäre dies kein großer Aufwand, für uns Apotheker würde dies aber den Erhalt des unabhängigen Heilberufes bedeuten.

d:

Welche konkreten Befürchtungen haben Sie, falls die von Ihnen gewünschten Änderungen nicht eintreffen?

Krötsch:

Wird an diesem Gesetz nichts mehr geändert, so ist eine Kommerzialisierung der Arzneimittelversorgung nicht mehr aufzuhalten. Eine vermehrte Abgabe von Arzneimitteln wäre erforderlich, um wirtschaftlich weiterhin überleben zu können. Für unabhängige Beratung in der Apotheke wäre dann kein Platz mehr und der bisher perfekt funktionierende Verbraucherschutz bei der Arzneimittelversorgung wäre nicht mehr vorhanden. Die Große Koalition "zündelt" hier an unserem bewährten Arzneimittelversorgungssystem, um das wir in der ganzen Welt beneidet werden.

d:

Glauben Sie, Herr Dr. Krötsch, dass bei der Bevölkerung die aktuellen Probleme der Apotheker verstanden werden?

Krötsch:

Davon bin ich überzeugt! Soweit es meine ehrenamtlichen Tätigkeiten erlauben, stehe ich sooft wie möglich in sehr engem Kontakt mit meinen Kunden und Patienten meiner Apotheke. Nach über 30 Jahren Tätigkeit in der öffentlichen Apotheke kann ich Ihnen versichern, dass nicht der Arzneimittelpreis, sondern letztendlich die kompetente und unabhängige Beratung in der Apotheke von der breiten Bevölkerung gewünscht und geschätzt wird. Und noch etwas: Viele Patienten sind bei mir erst dann Stammkunde geworden, weil ich ihnen beim Kauf von Medikamenten auch einmal abgeraten habe. Wenn wirtschaftliche Zwänge mir derartige Freiräume nicht mehr zugestehen, kann niemand mehr garantieren: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker!

d:

Ist das Ihre Botschaft an die Politiker der Großen Koalition?

Krötsch:

In den deutschen Apotheken finden sich täglich mehr als vier Millionen Menschen ein. Sollten die Politiker hier wirklich falsche Entscheidungen treffen, dürften die entsprechenden Reaktionen in der Bevölkerung, also bei den Wählern, nicht lange auf sich warten lassen.

d:

Herr Dr. Krötsch, wir danken Ihnen für das Gespräch!

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