DAZ aktuell

AOK schreibt Rabattvereinbarungen aus

(bah/diz). Die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOKs) haben mit gleichlautendem Schreiben vom 31. Oktober 2006 Arzneimittel-Hersteller angeschrieben mit der Bitte, Angebote über Rabattverträge abzugeben. Berücksichtigt werden Angebote, bei denen der Apothekenverkaufspreis abzüglich des Rabatts unter dem Preis des derzeit günstigsten Produkts des Wirkstoffs liegt. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller hat gegen dieses Vorgehen Beschwerde beim Bundeskartellamt eingelegt.

In ihrem Schreiben vom 31. Oktober 2006 bitten die AOKs die Arzneimittel-Hersteller für 89 Wirkstoffe, die mit Kassenärztlichen Vereinigungen bzw. anderen Ärzteverbänden vereinbart worden sind, Angebote für Rabattverträge gemäß § 130a Abs. 8 SGB V abzugeben. Hierzu haben die AOKs einen Rabattvertrag erarbeitet, der Einzelheiten zur Rabatthöhe, Rabattberechnung, Rabatterstattung, Datenlieferung etc. regelt. Die Hersteller werden aufgefordert, Rabattangebote ("ein Prozentwert je Wirkstoff") für die jeweiligen Produkte in die zutreffende Spalte einer Auflistung mit den 89 Wirkstoffen einzutragen. Die AOKs weisen darauf hin, dass Rabattangebote nur dann in die engere Wahl miteinbezogen werden können, wenn der Apothekenverkaufspreis abzüglich der jeweils gewährten Rabatte unter dem Preis des derzeit günstigsten Produktes des Wirkstoffes liegt. Die AOKs wollen aus den vorliegenden Angeboten nach diesen Gesichtspunkten bis zu drei Anbieter je Wirkstoff auswählen. Die Arzneimittel-Hersteller werden aufgefordert, die vollständigen Unterlagen des Rabattvertrages mit den Rabatt–angeboten bis zum 24. November 2006, 12.00 Uhr, an die federführende AOK Baden-Württemberg zu senden. Die Angebote sollen bis zum 15. Januar 2007 verbindlich sein. Trotz der vorgesehenen Laufzeit des Vertrages von einem Jahr ist dieser außerordentlich kündbar, wenn der Preis für die Dauer eines Monats unterboten wird.

Wie der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller weiter berichtet, haben sich die AOKs darauf verständigt, zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise von Arzneimitteln durch Rabattvereinbarungen das "Mandat für einheitliche und AOK-übergreifende Verhandlungen mit pharmazeutischen Herstellern auf eine zentrale Institution (zu) übertragen" – in diesem Fall die AOK Baden-Württemberg. Die AOKs weisen ausdrücklich auf die Marktbedeutung der teilnehmenden AOKs und des zu erwartenden, erheblichen Einflusses auf den pharmazeutischen Markt durch die Ausschreibung hin. Die AOKs beabsichtigen ferner, den Inhalt des Schreibens vom 31. Oktober 2006 im Bundesanzeiger bekannt zu machen.

BAH: Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung Nach Berechnungen des BAH beläuft sich das GKV-Verordnungsvolumen der ausgeschriebenen Wirkstoffe - basierend auf den GKV-Arzneiverordnungsdaten 2005 - auf ca. 7,5 Mrd. Euro. Die ausschreibenden Ortskrankenkassen repräsentieren rund 37% der gesetzlich Versicherten. Im Jahre 2005 hatten sie einen Anteil am GKV-Verordnungsvolumen von rund 41%. Sie sind daher in diesem Bereich marktbeherrschend. Nach Auffassung des BAH stellen die AOKs bei dieser Ausschreibung ein Einkaufkartell dar, das gegen Art. 81 EG und Art. 82 EG verstößt. Zwar hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in den verbundenen Rechtssachen C-264/01, C-306/01, C-354/01 und C-355/01 am 16. März 2004 entschieden, dass die Krankenkassen der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Festbetragsfestsetzung nach § 35 SGB V keine wirtschaftlichen Tätigkeiten ausüben und damit keine Unternehmen i.S.d. Art. 81 f. EG sind. Der EuGH begründet das aber insbesondere damit, dass die Kassenverbände bei der Festbetragsfestsetzung nur ihren gesetzlichen Verpflichtungen aus § 35 SGB V nachkommen und dabei nach gesetzlich festgelegten Kriterien entscheiden. Sie verfolgten damit kein Interesse, das sich vom rein sozialen Zweck der Krankenkassen trennen ließe. Der EuGH hat aber ausdrücklich betont, dass die Krankenkassen bzw. deren Verbände außerhalb der Festbetragsfestsetzung als Unternehmen tätig sein könnten (Rdn. 58-64 des Urteils vom 16. März 2004). Im Rahmen der Rabattverträge nach § 130a Abs. 8 SGB V haben die Krankenkassen bzw. deren Verbände unbegrenzten Raum für eigenes Wettbewerbsverhalten. § 130a Abs. 8 SGB V sieht lediglich vor, dass "die Krankenkassen oder ihre Verbände mit pharmazeutischen Unternehmen zusätzlich zu den Abschlägen nach den Abs. 1 und 2 Rabatte für die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel vereinbaren (können)". Das SGB V enthält zu den Rabattvereinbarungen keinerlei materielle Vorgaben wie bei der Festbetragsfestsetzung in § 35 SGB V. Nach Auffassung des BAH beabsichtigen die AOKs ausweislich der Ausschreibung vom 31. Oktober 2006, gemeinschaftlich die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise von Arzneimitteln durch Rabattvereinbarungen nachhaltig zu steigern und die Vertragskomponenten durch Übertragung des Verhandlungsmandats auf eine zentrale Institution, nämlich die AOK Baden-Württemberg wahrzunehmen. Die AOKs üben dabei eine wirtschaftliche Tätigkeit aus und sind daher, mindestens wenn sie gemeinsam handeln, funktionale Unternehmen i.S.d. Art. 81 f. EG.

Nach Auffassung des BAH stellt die Ausschreibung der AOKs einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung der AOKs dar, die damit gegen die Art. 81 f. EG verstoßen.

Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller, Hans-Georg Hoffmann, hat das Bundeskartellamt mit Schreiben vom 3. November 2006 über diesen Sachverhalt informiert mit dem Antrag auf Prüfung und Einleitung eines Verfahrens gemäß § 54 GWB unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen Art. 81 EG und Art. 82 EG. Der konkrete Antrag lautet, den Allgemeinen Ortskrankenkassen, mindestens soweit sie gemeinsam handeln, unverzüglich zu untersagen, auf der Grundlage der Ausschreibung vom 31. Oktober 2006 Rabattverträge nach § 130a Abs. 8 SGB V mit Arzneimittel-Herstellern zu vereinbaren.

Die AOKs haben mit gleichlautendem Schreiben vom 31. Oktober 2006 Arzneimittel-Hersteller angeschrieben mit der Bitte, Angebote über Rabattverträge abzugeben. Berücksichtigt werden Angebote, bei denen der Apothekenverkaufspreis abzüglich des Rabatts unter dem Preis des derzeit günstigsten Produkts des Wirkstoffs liegt.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.