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Zurück auf Los (Gastkommentar)

Es ist eine Kernaufgabe des Sozialstaates, ein funktionierendes Gesundheitswesen zu schaffen, das jedermann gleiche Teilhabe an Gesundheitsleistungen gewährleistet und das am effizientesten Gewähr für die Volksgesundheit bietet. Deutsche Apotheker haben dazu über Jahrzehnte hinweg einen wichtigen und unverzichtbaren Beitrag geleistet. Jetzt meint die saarländische Regierung, diese Leistung können Discount-Apotheken preiswerter erbringen. Sie setzt sich über die gesetzlichen Beteiligungsbeschränkungen hinweg und ruft den freien Wettbewerb unter den Apotheken aus.

Das Saarland ist auf dem Holzweg, freier Wettbewerb und die dem Heilberuf innewohnenden Pflichten sind nur bedingt kompatibel. Nur ordoliberale Einfaltspinsel können die Auffassung vertreten, dass die im primären EU-Gemeinschaftsrecht verankerte Niederlassungsfreiheit ein höheres Rechtsgut sei als ein funktionierendes Gesundheitssystem und dass nur wettbewerbsrechtliche Strukturen unser Gesundheitssystem dauerhaft retten können. Die Marktmechanismen des Wettbewerbs und das Gesundheitswesen haben nur eine begrenzte Schnittmenge. Das soll nicht bedeuten, dass es keinen Leistungswettbewerb um Arzneimittel geben darf. Der Wettbewerb muss sich aber nach gleichen Spielregeln richten.

Es ist ein klassischer Fall der Inländerbenachteiligung, wenn deutsche Apotheker nur innerhalb der Grenzen des Apothekenrechts ihren Beruf ausüben dürfen, ausländische Kapitalunternehmen an unsere Gesetze aber nicht gebunden sind.

Im europäischen Ausland einen E-Klasse Mercedes zum Preis eines Golfs zu kaufen, ist zwar für einen Verbraucher eine attraktive Vorstellung, für die heimischen Händler würde dies den Gang in die Insolvenz bedeuten und zahlreiche Arbeitsplätze vernichten. Der politische Aufschrei wäre groß. Solche Preisspannen sind für verschreibungspflichtige wie für rezeptfreie Medikamente im europäischen Vergleich vielleicht nicht die Regel. Dennoch ist Deutschland für pharmazeutische Produkte ein Hochpreisland. Die Gewinne streicht die Pharmaindustrie ein und auch der Staat scheut sich nicht, den vollen Mehrwertsteuersatz auf Medikamente zu verlangen. Mit den hohen Arzneimittelpreisen finanziert Deutschland die Gesundheitssysteme anderer europäischer Länder. Dies ist wohl kaum unsere Aufgabe. Schon eher kartellrechtlich zu hinterfragen, warum das so ist.

Der Saarländische Justiz- und Gesundheitsminister reduziert den Apotheker zum "Pillenverkäufer" und verkennt, dass er in unserem Gesundheitssystem eine Kontroll- und flächendeckende Versorgungsaufgabe hat, die fachliche Kompetenz für Wirkungs- und Risikopotenzial von Arzneimitteln, Beratung der Verbraucher, sowie Nacht- und Wochenendbereitschaft einfordert. Internetapotheken und Pillen-Discounter können diese Aufgabe nicht erfüllen, schon gar nicht, wenn sie als juristische Person ohne approbierten Apotheker strukturiert sind und außer dem Verlust des eingesetzten Kapitals keinem existenziellen Risiko ausgesetzt sind. Sicher, der Heilberuf des deutschen Apothekenmarkts ist abgeschottet. Eine Betriebserlaubnis erhalten – für höchstens eine Haupt- und drei Filialapotheken – nach einer qualifizierten akademischen Ausbildung nur approbierte Apotheker.

Arzneimittelversorgung als Heilberuf ist eine Qualitätsfrage und es wäre politisch leichtsinnig, unseren hohen Standard mit dem Argument aufzubrechen, nur durch eine Liberalisierung des Arzneimittelverkaufs lassen sich die Kosten nachhaltig senken.

Wie sich die Gerichte zum deutschen Fremd- und Mehrbesitzverbot entscheiden, lässt sich nicht mit Sicherheit voraussagen. Apotheker müssen den Mehrwert pharmakologischer Beratung noch stärker herausstellen und die Interaktion zwischen Arzt und Apotheker als Nutzen für den Verbraucher deutlich machen.

Überlegenswert ist, dass Ärzte nur noch Wirkstoffe verordnen können und die Apotheken das Präparat auswählen, auf Verträglichkeit, Interaktion, Wirkspiegel und Nebenwirkungen prüfen. Außerdem sollte die ausgegebene Arzneimittelmenge individuell auf die Therapie angepasst werden. Das heißt auch Abschied nehmen von Medikamentengroßpackungen, die der Patient nicht benötigt. Es ist wichtig, das Berufsbild des Apothekers in der Öffentlichkeit stärker zu schärfen.

Die CDU-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg will das Niveau der Arzneimittelversorgung nicht absenken und hat sich mit einem Antrag an die Landesregierung gewandt. Sie sieht im saarländischen Weg eine Gefahr für die Versorgungssicherheit der Bevölkerung, die nicht kompensierbar ist. Herr Minister Hecken, zurück auf Los.

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