DAZ aktuell

Ein schwarzer Tag (Kommentar)

Der 7. November 2006 ist ein "dies ater", wie die Lateiner sagten, ein "schwarzer Tag" für die deutsche Apotheke. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat entschieden, dass es zulässig ist, wenn dm-Drogerien einen Bestell- und Abholservice für Arzneimittel in Zusammenarbeit mit einer Versandhandelsapotheke unterhalten.

Der Ausgangsstreit liegt bereits zwei Jahre zurück, als damals mehrere dm-Märkte eine Rezeptsammelstelle für die Europa Apotheek Venlo einrichteten, um mit dieser zu kooperieren. Mehrere Gerichte entschieden jedoch seinerzeit, dass dies nicht zulässig sei, selbst im Hauptsacheverfahren wurde die Klage von dm vom Verwaltungsgericht noch im Februar dieses Jahres abgewiesen.

Doch die Ruhe währte nicht lange. Jetzt entschied das Oberwaltungsgericht zugunsten von dm und hat nicht einmal Revision beim Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Die Ausführungen des Gerichts (siehe die hier veröffentlichte Pressemitteilung) schmerzen. Wenn da z. B. gesagt wird, dass zwar dem Inhaber einer Präsenzapotheke eine Rezeptsammelstelle außerhalb der Apothekenräume grundsätzlich untersagt ist, aber das Sammeln von Rezepten außerhalb der Apothekenräume für eine Versandhandelsapotheke geradezu typisch – und somit erlaubt – ist, dann tut dies schon sehr weh. Mit der Zulassung des Versandhandels mit Arzneimitteln sei auch das Sammeln von Rezepten in Briefkästen oder wie in diesem Fall in Bestellboxen in den dm-Filialen zugelassen, so das Gericht. Die Konsequenz wäre, dass die Präsenzapotheke die Versandhandelserlaubnis beantragt, um hier gleich zu ziehen.

Das zeigt: Die Zulassung des Arzneimittel-Versandhandels in Deutschland, den Gesundheitsministerin Schmidt mit der letzten Regierung vorangetrieben und installiert hat, (und dies, obwohl es selbst vom –Europäischen Gerichtshof in dieser Form, also für verschreibungspflichtige Arzneimittel, nicht gefordert worden war), ist das Grundübel gewesen. Und die Folgen sind selbst heute – wie das aktuelle Urteil zeigt – noch nicht abzusehen. Denn nach diesem Urteil ist es gut vorstellbar, dass auch andere Drogeriemärkte, vielleicht auch Tankstellen, Postfilialen, Lottoannahmestellen und wer auch immer sich etwas davon verspricht, sich nicht zurückhalten werden und Annahmestellen für Arzneimittel einrichten – zur Abwechslung vielleicht nicht mit der Europa Apotheek, sondern in Zusammenarbeit mit DocMorris, vielleicht aber auch mit Zur Rose oder einer der größeren deutschen Versandapotheken. Gelockt werden die Patienten mit Gutscheinen, Einsparungen bei der Rezeptgebühr und was sonst noch an Attraktionen aufgefahren wird.

Letztlich könnte sogar die Bäckerei neben Ihrer Apotheke eine Rezeptsammelbox aufstellen, wenn sie denn mit einer Versandapotheke zusammenarbeiten will. Oder wie wär's damit: "Die neue Welt bei Tchibo – ab sofort mit Rezeptsammelstelle – ohne Arzneizuzahlung. Bei Abgabe von zwei Rezepten gibt's ein halbes Pfund Mocca gratis dazu."

Schauerliche Vorstellungen, aber nicht aus Utopia, sondern mit dem heutigen Tag möglich – und schon bald Realität? Keine Beratung, kein Service. Will der Gesetzgeber, wollen unsere Patienten diese Art der Arzneiversorgung? Mir graust's.

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