Europa

H. BlasiusGesundheitsversorgung und Apothekenwesen i

Wer heute mit der Slowakei in Kontakt kommt, denkt in einem Atemzug auch an Tschechien. Dies ist nicht verwunderlich, denn die Geschichte beider Länder war stets eng miteinander verwoben. Seit dem Niedergang der österreichisch-ungarischen Monarchie im Jahr 1918 gab es nur zwischen 1939 und 1945 eine eigenständige, die Erste Slowakische Republik. Die Zweite, heute bestehende, wurde im Jahr 1993 ausgerufen. Seit Mitte der 90er Jahre hat das Land ein solidarisch finanziertes Krankenversicherungssystem, das recht gut funktioniert. Ein großes Problem sind allerdings die hohen Arzneimittelausgaben: 30% Anteil haben sie an den Ausgaben der Krankenversicherungen, ein einsamer Spitzenwert für ganz Europa.

Aus der DAZ-Serie:"Die Neuen in der EU" Wirtschaftlich bewegt sich die Slowakei unter den "Neuen" in der EU im Mittelfeld. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf lag im Jahr 2005 bei 55% des EU-25-Durchschnitts (in KKS) (EU-15 = 108%) (6,25). Die Wachstumsrate (5,6% in 2005, Tendenz steigend) kann sich jedoch durchaus sehen lassen (2,26).

Was die Einstellung der Slowaken zur EU anbelangt, so befürworteten nach einer Umfrage im Jahr 2003 rund 60% zwar den Beitritt [5], aber im Folgejahr 2004 gingen nicht einmal 20% zu den Europäischen Parlamentswahlen. Damit waren die Slowaken das absolute Schlusslicht in der EU, knapp hinter den Polen [4].

Die Hauptstadt Bratislava (deutsch Pressburg) vermittelt aufgrund ihrer Lage in einem Länderdreieck an der Donau, direkt an den Staatsgrenzen zu Österreich und Ungarn und unweit der Staatsgrenze zu Tschechien, ein echtes "Multi-Kulti"-Gefühl. Früher sprach jeder Pressburger deutsch, ungarisch und slowakisch. Auch heute lebt die Tradition der Dreisprachigkeit fort, allerdings ist Englisch weitgehend an die Stelle des Ungarischen getreten.

Umbau des Gesundheitssystems Dass die Slowaken in Bezug auf den Gesundheitsstatus noch einigen Nachholbedarf haben, wird daran ablesbar, dass die Lebenserwartung der Bevölkerung mit rund fünf Jahren noch recht deutlich hinter dem EU-Durchschnitt hinterherhinkt [25].

Im Bereich der Gesundheitsversorgung kam es ab 1948 mit der Einführung des kommunistischen Systems zu radikalen Veränderungen. Wie in vielen sozialistischen Ländern provozierte ein Überangebot an medizinischen Leistungen eine übertriebene Nachfrage, ein Erbe, das auch den Slowaken beim Übergang in ein modernes Krankenversicherungssystem schwer zu schaffen machte. Der Umbau, das heißt die Abkehr von der Steuerfinanzierung hin zu einem solidarischen Versicherungsmodell, verbunden mit der Dezentralisierung der Einrichtungen und der Privatisierung der Gesundheitsversorger, wurde seit den 90er Jahren konsequent in Angriff genommen. Ende 1996 waren alle Apotheken und Einrichtungen der primären Gesundheitsversorgung privatisiert. Einige Zahlen zum Gesundheitspersonal sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Entwicklung der Krankenkassen Das Versicherungssystem startete im Jahr 1993 mit der Einrichtung einer nationalen Agentur, die insgesamt für die Sozialversicherung zuständig war. 1995 wurde die Krankenversicherung hiervon abgekoppelt und der Einstieg in eine multiple Krankenkassenstruktur ermöglicht. Die Zahl der Kassen stieg in 1996 zunächst auf dreizehn an und stabilisierte sich dann seit 1999 bei fünf, zwei gesetzliche, deren Liquidität staatlicherseits garantiert wird, die Allgemeine Krankenversicherung (Všeobecná zdravotná poist'ovna/VšZP), bei der rund 70% aller Slowaken versichert sind, und die Gemeinsame Krankenversicherung (Spolocná zdravotná poist'ovna/SZP) sowie die privaten Apollo, Sideria-Istota und VZP Dovera.

Spitzenwerte bei den Arzneimittelausgaben Finanziert wird das slowakische System der Gesundheitsversorgung zu 61% aus Krankenversicherungsbeiträgen (14% des Einkommens, wovon die Arbeitgeber etwa zwei Drittel (10%) tragen), 29% aus Steuern und zu 10% durch direkte Zahlungen der Patienten. Die Gesundheitsausgaben des Landes liegen bei 7% des Bruttoinlandsproduktes. Der private Anteil hieran ist gemessen an anderen europäischen Staaten deutlich geringer. Auffällig ist der extrem hohe Anteil der Arzneimittelausgaben an den Ausgaben der Versicherungen (siehe Tabelle 2). Mit 30% steht die Slowakei hier selbst unter allen OECD-Staaten an der Spitze. So verwundert es kaum, dass die Kosten für Arzneimittel stets im Fokus gesundheitspolitischer Kostendämpfungsmaßnahmen standen [23, 24, 27].

Die Reform von 2003 Aufgrund fehlender Kontrollinstrumente nahmen die Defizite der Krankenversicherungen seit Mitte der 90er Jahre kontinuierlich zu und erreichten in den Jahren 2000 und 2001 zweistellige Rekordzuwächse, der Auslöser für eine radikale Reformstrategie.

Das erste große Maßnahmenpaket kam im Juni 2003 zum Tragen. Unter anderem wurden Zuzahlungen zur ärztlichen und Krankenhausversorgung, eine Rezeptgebühr sowie die Deckelung des Ausgabenvolumens für Arzneimittel und Hilfsstoffe eingeführt. Obwohl die zu entrichtenden Gebühren (20 SKK [0,54 Euro] bei Arztbesuch, 50 SKK [1,34 Euro] pro Tag Krankenhausaufenthalt, 20 SKK [0,54 Euro] Rezeptgebühr) mehr symbolischen Charakter hatten, ging die Zahl der Arztbesuche in der Folge um 10% und die Notfallversorgung um 13% zurück, in gleicher Weise wie auch die inoffiziellen Zahlungen an das Gesundheitspersonal. Bei den Arzneimittelausgaben wurde nach den vormaligen Rekordzuwächsen in 2000 (30%) und 2001 (16,5%) ein bemerkenswerter Ausgabenrückgang um 12% verzeichnet, und es stellte sich ein deutlicher Trend zur Verschreibung zuzahlungsfreier Arzneimittel ein. Weitere Erfolge erbrachten ein verstärktes Monitoring der medizinischen Leistungserbringer [8,15,17,23,27].

Die Reform von 2004 Die nächste, noch weitreichendere Reformstufe, wurde ein Jahr später auf den Weg gebracht. Am 21. Oktober 2004 (bzw. am 2. Dezember 2004) wurde ein Paket von sechs Reformgesetzen verabschiedet, das ab dem 1. Januar 2005 schrittweise in Kraft trat (siehe Tabelle 3). Ziele des umfangreichen Maßnahmenpakets sind mehr Wettbewerb und die Einführung marktwirtschaftlicher Prinzipien in der Gesundheitsversorgung.

Im Ergebnis stellt sich das System heute wie folgt dar:

  • Leistungen der Krankenversicherung werden durch ein umfassendes Netzwerk von Leistungserbringern erbracht, die hierzu lizensiert und vertraglich gebunden werden und einer strengen Kontrolle unterliegen.
  • Die Grundlage der Versorgung bildet ein dynamisches "Solidaritätspaket" als Basisversorgung, basierend auf Elementen mit Voll-, Teil- oder ohne Erstattung. Das Fein-Tuning des Erstattungsumfangs erfolgt durch drei Mechanismen,
  • Definition einer Prioritätsliste von Krankheiten, für die außer den Standardgebühren von 20 bzw. 50 SKK keine Zuzahlungen anfallen (ca. 6700 Diagnosen, etwa zwei Drittel des ICD 10,
  • Katalogisierung für alle Krankheiten und Festlegung von Standardbehandlungsmethoden,
  • Kategorisierung für Krankheiten, die nicht auf der Prioritätsliste stehen mit Festlegung der zu leistenden Zuzahlungen.

Für den Bereich Arzneimittel, die schon seit 1995 nicht mehr automatisch voll erstattungsfähig waren, bedeutet dies: Einteilung der Arzneimittel in drei Kategorien: voll erstattungsfähige, Generika und Teil-Innovationen mit Teilerstattung und Nichterstattungsfähige [7,23,27]. Für Leistungen, die nicht von den gesetzlichen Kassen erstattet werden, wurde die private Krankenversicherung eingeführt [14].

Erstattungsrahmen bei Arzneimitteln Die Kategorisierung im Arzneimittelbereich, das heißt die Ausgestaltung der Positivliste mit den maximalen Erstattungspreisen, wird durch einen Ausschuss im Gesundheitsministerium vorgenommen, der eher ökonomisch als medizinisch ausgerichtet ist. Wird der Preis eines Arzneimittels deutlich unter das Festbetragsniveau abgesenkt, so wird dieses ohne Prüfung automatisch in die Liste aufgenommen und mit einer höheren Erstattungsrate belohnt ("fast-track-procedure"). Die Positivliste wird viermal pro Jahr angepasst. Ärzte und Apotheker sind dazu verpflichtet, die Patienten bei der Verordnung bzw. Abgabe auf das Arzneimittel mit der niedrigsten Zuzahlung hinzuweisen, sofern mehrere Alternativen zur Verfügung stehen [15,21].

Seit dem 1. Januar 2005 werden in der Gesamtbilanz 33% der insgesamt rund 4500 kategorisierten Arzneimittel voll erstattet, für 14% fällt eine Zuzahlung in Höhe von maximal 20 SK (0,53 Euro) an und für 15% Zuzahlungen zwischen 20 und 50 SK (0,53 – 1,34 Euro) [10,11,12].

Preisbildung bei Arzneimitteln Alle Arzneimittelpreise, auch diejenigen für rezeptfreie Präparate werden staatlich kontrolliert. Die Handelsspanne des Großhandels liegt für OTC-Arzneimittel bei 11,5% und für rezeptpflichtige bei 13%, die der Apotheken errechnet sich für OTC-Präparate aus dem Herstellerabgabepreis (HAP) plus 15% und für Verschreibungspflichtige aus dem HAP plus 21%. Es gibt keine degressiven Spannen. Für eine kleine Gruppe hochpreisiger Arzneimittel gelten allerdings erheblich geringere Aufschläge. Der Umsatzsteuersatz beträgt bereits 19% [1].

Arzneimittelzulassung Die Anpassung der slowakischen Arzneimittelgesetzgebung an die europäischen Vorgaben wurde mit einem neuen Arzneimittelgesetz im Wesentlichen im Jahr 1998 vollzogen (siehe Tabelle 3). Änderungen wurden zuletzt im Zuge der großen Gesundheitsreform von 2004 und zur Umsetzung des europäischen "Review" im Mai 2006 eingebracht [23]. Das Gesetz regelt auch den Apothekenbetrieb.

Die Nachzulassung der 3000 bis 4000 Präparate, mit denen die slowakische Bevölkerung früher auskam, ist abgeschlossen. Derzeit sind (nach Stärken und Darreichungsformen) rund 26.000 Arzneimittel zugelassen, davon 40 bis 50% Generika (Verordnungsanteil: ca. 60%). Die Arzneimittelzulassungsbehörde (štátny ústav pre kontrolu lieciv, šUKL) (siehe Tabelle 4) hatte auch schon zu Zeiten der Tschechoslowakei eine "Partnerbehörde" in Prag. Beide agierten jedoch auf der Basis gemeinsamer Entscheidungen. Eine gezielte engere Zusammenarbeit der slowakischen šUKL und der tschechischen Státní ústav pro kontrolu léciv (SÚKL) (nicht verwechseln!) gibt es nicht, aber man bemüht sich im Hinblick auf die starke Durchlässigkeit der beiden benachbarten Märkte um Transparenz. So wird unter anderem bei der Formulierung von Packungsbeilagen der Text in der jeweils anderen Sprache mit in die inhaltliche Betrachtung einbezogen. Wenn die Leiterin der Abteilung für Arzneimittelzulassung, Dr. Dagmar Stara, im Übrigen mit den Kollegen aus Prag kommuniziert, so klappt die Verständigung problemlos, indem jeder einfach seine Muttersprache spricht.

Kontrolle des Arzneimittelverkehrs Die Kontrolle des Arzneimittelverkehrs ist auf verschiedene Schultern verteilt. Herstellungerlaubnisse für Pharmaunternehmen, den Großhandel und Krankenhausapotheken erteilt das Gesundheitsministerium auf Basis einer Beurteilung des Antrags durch die Zulassungsbehörde. Für Erlaubnisse öffentlicher Apotheken sind die kommunalen Behörden zuständig, für Erlaubnisse zur Ausübung des Apothekerberufs die Apothekerkammer. Seit Dezember 2004 ist die Mitgliedschaft in der Kammer nicht mehr zwingend [21]. Die Zulassungsbehörde šUKL nimmt darüber hinaus auch Überwachungsaufgaben im Bereich der Arzneimittelentwicklung und Herstellung GMP, GLP, GCP sowie der Arzneimittelwerbung wahr.

Pharmaindustrie Der slowakische Pharmamarkt hat seit Anfang der neunziger Jahre drastische Umwälzungen durchgemacht. Der Anteil der inländischen Produktion, der vorher bei rund 80% gelegen hatte, ging bis zum Jahr 2002 auf nicht einmal 20% zurück [23].

Den größten Umsatzanteil haben heute deutsche Firmen (ca. 104 Mio. Euro), gefolgt von Frankreich (62,2 Mio. Euro) und Tschechien (59,5 Mio. Euro) [19]. Marktführer ist dennoch ein "Insider", der im August 2003 durch den Zusammenschluss der beiden größten tschechischen und slowakischen Pharmaunternehmen Léciva und Slovakofarma enstandene Generikahersteller Zentiva (Umsatz in 2004: 67,5 Mio. Euro und rund 49 Mio. Packungen) [19,28].

Die Geschichte von Léciva mit Sitz in Prag reicht zurück bis ins 15. Jahrhundert. Wie viele andere Pharmaunternehmen hat sie ihren Ursprung in einer Apotheke ("Zum schwarzen Adler"). Die industrielle Produktion begann bereits im Jahr 1930. Slovakofarma mit Sitz in Hlohovec ging aus der im Jahr 1941 gegründeten Chemiefabrik Slovakische Alkaloide hervor.

Neben den marktbeherrschenden, global tätigen Konzernen betätigen sich etwa zwanzig kleinere Unternehmen vorwiegend auf dem OTC-Sektor.

Großhandel und Verbände Auch der Großhandelsmarkt ist bereits "teil"-europäisiert. Fides, ehemals mit einem Marktanteil von rund einem Drittel der größte slowakische Pharmagroßhandel, gehört seit 2004 zur Phoenix-Gruppe [16]. Weitere Großhändler sind Fakon in Košice, Villa Pharm in Spišská Nová Ves, Walmark in Zilina, West Export Import Company in Prešov und Unipharma in Bojnice.

Die drei Industrieverbände

  • Slovak Association of Research Based Pharmaceutical Companies (SAFS),
  • Verband der Generika-Industrie (GENAS),
  • Verband der Distributoren (ADL)

haben gemeinsam einen "Code of conduct of the pharmaceutical industry in Slovakia" unterzeichnet, für dessen Einhaltung ein Ethikausschuss Sorge trägt [1,3,20].

Pflanzliche Arzneimittel und Homöopathika Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen haben derzeit noch keine große Marktbedeutung. Nach einigen Jahrzehnten totalen Verbots der Homöopathie wurde im Jahr 1991 die Slowakische Homöopathische Gesellschaft gegründet. Mit Unterstützung von Kollegen aus den westeuropäischen Ländern unterweist sie heute sowohl Apotheker als auch Ärzte in der Lehre Hahnemanns. Über 2000 Heilberufler haben bereits entsprechende Kurse absolviert [18].

Pharmazie an der Universität Seit 1777 gab es erstmalig universitäre Vorlesungen in Pharmazie an der Universität von Trnava, später in der wechselvollen Geschichte des Landes auch in Budapest, Prag und schließlich seit den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Bratislava [9].

Nach wie vor sind die Beziehungen zu den tschechischen Fakultäten für Pharmazie in Hradec Kralove und Brno sehr eng. Viele ursprünglich tschechische pharmazeutische Wissenschaftler, die eine Weile in Bratislava gelehrt und gearbeitet haben, sind nach der Einrichtung der Pharmazie im nahegelegenen Brno wieder in die tschechische Heimat zurückgegangen (siehe auch Länderporträt in DAZ Nr. 25, 2005, S. 78-84).

Pharmaziestudium und Praktikum Die Comenius-Universität in Bratislava ist die einzige Ausbildungsstätte für Apotheker in der Slowakei. Im Jahr 2002 feierte die Fakultät ihr 50-jähriges Bestehen.

Die pharmazeutische Ausbildung wurde schon nach dem Ersten Weltkrieg an Deutschland und Österreich angepasst. Das fünfjährige, bislang noch gebührenfreie Studium schließt mit dem Magister ab. Dann kann zwar sofort in der Apotheke gearbeitet werden, aber die Leitung einer eigenen Apotheke ist erst nach einer dreijährigen Berufstätigkeit möglich. Früher mussten während der praktischen nach-universitären Ausbildung mehrere Apotheken und verschiedene Arbeitsbereiche durchlaufen werden, was erheblich anspruchsvoller war als heute, da man die Zügel etwas lockerer lässt.

Fort- und Weiterbildung Nach Einschätzung des ehemaligen Dekans Prof. Dr. Pavel Svec und des Vize-Dekans Prof. Dr. Milan Nagy ist die Pharmazie an der Comenius-Universität gut ausgerichtet zwischen der Klinik und der Chemie. Die Fakultät besteht aus elf Abteilungen, sie unterhält zwei Apotheken, die auch zu Ausbildungszwecken dienen, und einen Arzneipflanzengarten [13]. Die Praxisschulung der rund 1000 Studenten ist in das Studium integriert.

Das Pharmaziestudium besitzt eine große Anziehungskraft. Derzeit kommen vier bis fünf Bewerber auf einen Studienplatz. Später eine Anstellung zu finden, ist ebenfalls kein Problem.

60 bis 80 Prozent der Absolventen nehmen außerdem die Weiterbildungskurse in Anspruch, die von der Slovak Health Care University angeboten werden. Wer an der Uni noch weitermachen will, kann in einem Jahr einen Doktor der Pharmazie (PharmDr.) erwerben oder nach drei Jahren den wissenschaftlichen Promotionsabschluss (PhD).

Fortbildung ist für alle Apotheker Pflicht. Sie wird von der Apothekerkammer organisiert und auch kontrolliert [22]. Innerhalb von fünf Jahren sollen 100 credits gesammelt werden.

Bachelor für Medizinprodukte und Diagnostika Um dem Bologna-Prozess Genüge zu tun, wurde neben dem Magister ein Bachelor-Abschluss geschaffen, der allerdings auf Medizinprodukte und Diagnostika ausgerichtet ist. Die Absolventen arbeiten hauptsächlich in Krankenhäusern und an verschiedenen Stellen im Distributionssystem.

Pharmazeutische Laboranten werden an fünf speziellen Fachschulen mit Abitur-Level über vier Jahre plus drei Jahre Praktikum ausgebildet. Sofern sie eine entsprechende Weiterbildung haben, dürfen diese eine Abgabestelle für Arzneimittel eigenständig führen.

Apotheken Rund 1250 Apotheken gibt es in der Slowakei und daneben 88 staatliche Krankenhausapotheken [1,19]. Die Apothekendichte variiert stark. In größeren Städten versorgen einige Apotheken nicht mehr als 900 Einwohner.

Während der Mehrbesitz in der Slowakei nicht erlaubt ist, wurde der Fremdbesitz im Dezember 2004 liberalisiert. Nun entstehen durch separate Firmengründungen quasi durch die Hintertür bereits hier und da Apotheken, die sich de facto in einer Hand befinden. Der erste Schritt zur Kettenbildung ist damit vollzogen. Jede Apotheke darf im Übrigen eine weitere Abgabestelle haben. Der Versandhandel ist nicht erlaubt.

Für einen durchgängig hohen Standard in der Arzneimittelversorgung soll ein Leitfaden zur Guten Pharmazeutischen Praxis sorgen, den das Gesundheitsministerium im April 2001 bekannt gemacht hat [1].

OTC-Geschäft boomt Das OTC-Geschäft ist in slowakischen Offizinen erst in den letzten zwei Jahren deutlich aufgeblüht, berichtete Apotheker Dr. Stefan Krchnak. Er betreibt in der ca. 12.000 Einwohner zählenden Kleinstadt šurany unweit der ungarischen Grenze eine gut gehende, hochmoderne Landapotheke mit fünfzehn weiblichen Angestellten. Manchmal ist die Werbung so durchschlagend, sagt Krchnak, dass die Pharmaunternehmen gar nicht mit der Lieferung nachkommen, so dass er ähnliche Präparate anderer Firmen abgeben muss.

Umsatz und Einkommen Auch wenn alle Leistungsanbieter im Gesundheitswesen schwer mit den Auswirkungen der Gesundheitsreform zu kämpfen hatten, hatte diese für Krchnak doch wenigstens ein Gutes. Während die Zahlungen der Krankenkassen früher oft acht bis zehn Wochen auf sich warten ließen, wird neuerdings weitgehend pünktlich überwiesen. Mit der Aut-idem-Regelung, die im August 2005 eingeführt wurde, will er sich allerdings noch nicht so recht anfreunden.

Die Einstellung der slowakischen Bevölkerung gegenüber dem Apothekerstand ist laut Krchnak ambivalent. Zwar schätzen die Kunden ihren Rat und ihre Kompetenz, aber man neidet ihnen ihr relativ gutes Einkommen. Dieses liegt zwar in der Hauptstadt durchaus über dem Durchschnitt, Kollegen in der Ostslowakei müssen sich jedoch mit erheblich niedrigeren Gehältern zufrieden geben. Tarifverträge gibt es nicht.

Ausblick Die slowakischen Apotheken kämpfen derzeit an vielen Fronten. Kaum zehn Jahre in privaten Händen stecken viele noch mitten im "marktwirtschaftlichen" Lernprozess. Auf die Eigenständigkeit wird großer Wert gelegt. Noch – aber wie lange noch – gibt es keine Ketten.

Für einen hohen Standard in der Aus- und Weiterbildung sorgen die Universität und die Slowakische Apothekerkammer. Im Dezember 2004 wurde die Zwangsmitgliedschaft in der Kammer aufgehoben, eine Maßnahme, deren mittel- und langfristige Auswirkungen auf den Zusammenhalt des Berufsstandes sich erst noch zeigen werden. Dabei ist Zusammenhalt dringend vonnöten, denn die umtriebige slowakische Gesundheitspolitik wird mit ihren Reformvorhaben wohl eher nicht locker lassen, als man dem Planziel einer Reduktion der Arzneimittelausgaben nicht ein deutliches Stück näher gekommen ist.

Wer heute mit der Slowakei in Kontakt kommt, denkt in einem Atemzug auch an Tschechien. Dies ist nicht verwunderlich, denn die Geschichte beider Länder war stets eng miteinander verwoben. Unser Beitrag in der Serie "Die Neuen in der EU" befasst sich mit dem Gesundheits- und Apothekenwesen in der Slowakei. Seit Mitte der 90er Jahre hat das Land ein solidarisch finanziertes Krankenversicherungssystem, das recht gut funktioniert. Ein großes Problem sind allerdings die hohen Arzneimittelausgaben: 30% Anteil haben sie an den Ausgaben der Krankenversicherungen, ein einsamer Spitzenwert für ganz Europa.

Die Neuen in der EU

Seit dem 1. Mai 2004 hat die Europäische Union zehn neue Mitgliedstaaten. Die DAZ berichtet in einer Beitragsserie über das Gesundheitswesen, die Arzneimittelversorgung, das Apothekenwesen der neuen Beitrittsländer. Aber auch persönliche Eindrücke, die die Autoren vor Ort gesammelt haben, fließen in die Texte mit ein.

Bisher erschienen sind:

Allgemeine Fakten zur Slowakei

  • Ländername: Slowakische Republik (Slovenská republika, SR)
  • Größe: 49.030 km2
  • Bevölkerung: 5.379.455 Einwohner (letzte Volkszählung 2001)
  • Hauptstadt: Bratislava (Pressburg), ca. 430.000 Einwohner
  • Landessprache: Slowakisch
  • Staatsgründung: 1. Januar 1993
  • Regierungsform: Parlamentarische Demokratie
  • Staatsoberhaupt: Ivan Gašparovic (seit Juni 2004)
  • Bruttoinlandsprodukt: 33 Mrd. Euro (Ende 2004 nach Einschätzung des Finanzministeriums)
  • Währung: Slowakische Kronen 1 Euro = 38,7 SKK
  • BIP pro Kopf: ca. 6 111 Euro (Ende 2004)

Auswärtiges Amt, Stand März 2005

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