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Anwendungsbeobachtungen: Wenig Erkenntnis für viel Geld

BERLIN (ks). Anwendungsbeobachtungen, in denen neue Arzneimittel nach ihrer Zulassung in der Praxis getestet werden, erfüllen nur selten die Kriterien der evidenzbasierten Medizin. Die gesetzlichen Krankenkassen kosten sie jedoch viel Geld, das besser angelegt werden könnte. Zu diesem Ergebnis kommt eine am 29. Oktober vorgestellte Studie des Wissenschaftlichen Instituts der Techniker Krankenkasse für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen (WINEG).

Anwendungsbeobachtungen schlagen in Deutschland Jahr für Jahr mit 930 Mio. Euro zu Buche. Mehr als zwei Drittel hiervon tragen die gesetzlichen Kassen, die für die in den Studien verordneten Arzneimittel aufkommen müssen. Der WINEG-Studie zufolge sind die neuen Medikamente, die in den Anwendungsbeobachtungen verordnet werden, im Durchschnitt fast zehnmal so teuer wie die Arzneien, die die Patienten zuvor erhalten haben. Während eine durchschnittliche GKV-Verordnung bei rund 40 Euro liegt, stehen auf den Rezepten bei den Anwendungsbeobachtungen jeweils Medikamente für rund 370 Euro.

"Diese Mehrkosten lassen sich nur durch qualitativ hochwertige Studienergebnisse rechtfertigen", betonte WINEG-Direktorin Apothekerin Dr. Eva Susanne Dietrich. Doch diese sind offenbar rar.

Ergebnisse bleiben oft im Verborgenen Über einen Zeitraum von sechs Monaten wurden für die WINEG-Studie Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ausgewertet, die Informationen zu 118 Anwendungsbeobachtungen mit rund 355.000 Patienten und 57.000 Ärzten umfassen. Das Ergebnis: Nur jede dritte Anwendungsbeobachtung ist so ausgelegt, dass ihre selbst gesteckten Ziele auch erreichbar wären. Zu den Studienzielen gehörte zum Beispiel, Informationen zu dem Nutzen von Arzneimitteln in der täglichen Praxis oder zu deren Nebenwirkungen zu erhalten. "Insgesamt haben die Ergebnisse gezeigt, dass nur wenige Anwendungsbeobachtungen den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entsprechen", so Dietrich. Außerdem war noch nicht einmal jede fünfte Studie zur Veröffentlichung gedacht – die Patienten hätten also in den meisten Fällen nie von den Studienergebnissen erfahren. Die WINEG-Direktorin betonte, dass Patienten jedoch ein Recht darauf haben, zu erfahren, wie ein Medikament tatsächlich in der Praxis wirkt. Deshalb sollte das Geld, das die GKV jedes Jahr in die Anwendungsbeobachtungen steckt, besser in qualitativ hochwertige Studien fließen. Nach Berechnungen des Instituts könnten für die von den Kassen und der Pharmaindustrie jährlich investierte Summe 130.000 Patienten in umfassenden Studien behandelt werden, die Aufschluss über den tatsächlichen Nutzen der Medikamente in der Praxis geben würden. Ein erster Schritt dahin wäre Dietrich zufolge, die existierenden Qualitätsvorgaben einzuhalten und die Arzneimittelhersteller dazu zu verpflichten, ihre Methodik und die gewonnenen Studienergebnisse zu veröffentlichen.

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