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Wie ein riesengroßer Tanker, der mit voller Fahrt voraus in einen Hafen einfährt und sich kaum noch stoppen lässt, um dann mit einem Crash zu enden, so steuert die Gesundheitsreform auf ihre endgültige Verabschiedung zu. Bisherige Versuche, sie in ihrer Fahrt abzubremsen oder zumindest zu verlangsamen, um Zeit für Verbesserungen und Beratungen zu haben, sind fehlgeschlagen. So hat auch die kurzfristig einberufene Anhörung vor zwei Wochen, der die meisten Verbände bewusst fern geblieben sind, selbst für die wenigen, die anwesend waren, nichts gebracht. Die Bundesregierung hat das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz nun in der vergangenen Woche weiter vorangebracht. Eine Probeabstimmung in den Fraktionen brachte weniger kritische Stimmen als zunächst befürchtet bzw. erhofft. Und am vergangenen Freitag wurde die Gesundheitsreform in den Bundestag eingebracht. Zwischen 6. und 8. November ist die öffentliche Anhörung geplant.

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt verteidigt den Entwurf im Bundestag als "gute Grundlage, die Gesundheitsversorgung in Deutschland auch in Zukunft sicherzustellen". Sie verkauft das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz als eine Reform, mit der gleich vier Reformen auf den Weg gebracht wurden: eine Strukturreform, eine Organisationsreform, eine Finanzreform sowie eine Reform der privaten Krankenversicherung.

Doch nahezu alle Verbände, Kassen und Leistungserbringer sind sich einig: Diese Reform führt zu mehr Verstaatlichung, zu einer Einheitsmedizin und zu einer Zentralverwaltungswirtschaft. In einer Resolution (siehe Apotheker Zeitung vom 30. Oktober), die von Apothekern, Ärzten, Krankenhäusern sowie gesetzlichen und privaten Krankenkassen gemeinsam verabschiedet wurde, drücken alle ihre "tiefe Sorge um die Zukunft der Gesundheitsversorgung im Land" aus. Natürlich könnte man jetzt sagen, was bei früheren Reformen galt: Wenn ein Aufschrei durch alle Organisationen und Verbände geht, dann ist die Reform ausgewogen, weil sie von jedem etwas verlangt. Aber dieses Mal scheint mir das so nicht zuzutreffen. Denn diese Reform wird nicht nur von Ärzten, Apothekern, Kassen und Krankenhäusern abgelehnt, auch die Wissenschaft, alle gesellschaftlich relevanten Gruppen und die überwältigende Mehrheit (90 Prozent) der Bürger hat sich gegen eine Reform, wie sie jetzt geplant ist, ausgesprochen. Wie kann es sein, dass das Volk, die Gesellschaft nahezu unisono gegen dieses Gesetzesvorhaben sind, nur die im Vergleich dazu wenigen Politiker, die damit befasst sind, an ihr festhalten? Wird hier gegen das Volk regiert?

Haben diese Politiker ihren Auftrag vergessen? Haben sie ihren gesunden Menschenverstand an der Pforte zum Bundestag oder Bundesrat abgegeben? Das wohl nicht, aber eines dürfte feststehen: Hier geht es vermutlich nur noch um eigene politische Interessen. Das Gelingen der Gesundheitsreform scheint mit dem Erhalt von Machtpositionen untrennbar verknüpft zu sein, mit den Positionen von Merkel, Schmidt, Beck und Stoiber und letztendlich mit dem Fortbestehen der Großen Koalition. Und genau das ist die Kraft, die den Tanker Gesundheitsreform vorwärts treibt – und nicht das Wohl des Volkes. Und deswegen werden wir in Zukunft in der GKV mit einem höheren Einheitskrankenkassenbeitrag leben müssen mit der Folge von null Wettbewerb zwischen den Kassen. Wir werden uns auf mehr Einzelverträge zwischen Ärzten und Krankenkassen, zwischen Krankenkassen und Arzneimittelherstellern und Apothekerverbänden einstellen müssen, um nur einige Auswirkungen aufzuführen. Im Apothekenbereich wird es zu dramatischen finanziellen Einbrüchen kommen. Der Durchschnittsapotheke werden 40.000 bis 60.000 Euro an Ertrag entzogen, ganz abgesehen von weiteren Auswirkungen durch Rabatteinschränkungen und -verluste.

Wenn diese DAZ erscheint, ist die erste von vier Apotheker-Protestkundgebungen bereits vorüber (wir berichten über die Demo in Leipzig, die am 1. November stattfand, in unserer nächsten Montagsausgabe). Ich gehe davon aus, dass zahlreiche Apothekerinnen und Apotheker, PTA und PKA, den Aufrufen der Apothekengewerkschaft Adexa sowie der Verbände und Kammern gefolgt sind, um auch der Öffentlichkeit zu zeigen, dass einerseits die Apotheken massiv von der Reform betroffen sind, andererseits dies dann auch Auswirkungen auf die Patienten und Kunden der Apotheke selbst haben wird. Ein Funken Hoffnung besteht ja doch noch, dass während der Anhörungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren an der einen oder anderen Passage nachgebessert wird.

Peter Ditzel

Machtinteressen statt Sachverstand

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