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Deutschland krebst beim Nichtraucherschutz hinterher

BERLIN (ks). Während andere europäische Länder bereits durchweg positive Erfahrungen sammeln, tut man sich in Deutschland noch immer schwer mit der Durchsetzung eines Rauchverbots in Gaststätten. Über den Stand des Nichtraucherschutzes in Europa berichteten der Vorsitzende des europäischen Umweltausschusses, Karl-Heinz Florenz, und Dr. Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum am 19. Oktober in Berlin. Sie forderten die Bundesregierung auf, zügig ein Rauchverbot umzusetzen.

"Deutschland ist beim Nichtraucherschutz ein Entwicklungsland", erklärte Florenz. Es sei "ein fragwürdiges Raucherparadies in Europas Mitte, wo mehr Leute durch Zigarettenrauchen sterben als durch Alkohol, illegale Drogen, Verkehrsunfälle, Aids, Morde und Selbstmorde zusammen". Die vorgebrachten wirtschaftlichen Bedenken beruhen Florenz zufolge vornehmlich auf Scheinargumenten. Dies zeige auch ein Blick in Länder, die bereits ein Rauchverbot in Gaststätten eingeführt haben. Ob in den USA, Irland oder Italien – überall boomt das Geschäft der Gaststätten seit Einführung des Rauchverbotes. Es werden mehr Mitarbeiter eingestellt und die Umsätze steigen, betonte Pötschke-Langer. In Irland, wo seit 2004 ein Rauchverbot besteht, nahm die Zahl der Gaststättenbesuche entgegen aller Befürchtungen um 11 Prozent zu. 46 Prozent der irischen Raucher erklärten aufgrund der Rauchverbote das Rauchen aufgeben zu wollen, und 80 Prozent der ehemaligen Raucher sagten, dass die Rauchverbote ihnen bei ihrer Aufgabe des Rauchens geholfen haben. In Italien (Rauchverbot in Gaststätten seit 2005) sank der Zigarettenverbrauch seither um 10,5 Prozent. Für Pötschke-Langer ist klar: "Nur eine rauchfreie Gastronomie ist eine gesunde Gastronomie – für die Gäste, die Mitarbeiter und die Wirtschaft." Acht EU-Länder haben das Rauchverbot bereits umgesetzt – fünf weitere sind von den Argumenten bereits überzeugt und wollen bis 2008 folgen. Einer aktuellen Befragung zufolge sind auch 64 Prozent der Deutschen für rauchfreie Gaststätten. Dennoch "krebst" Deutschland bei dieser Form der Tabakkontrolle noch immer hinterher, so Florenz.

Die Fakten sprechen für sich Auch weitere Fakten sprechen für Rauchverbote und umfassenderen Nichtraucherschutz, erklärte Florenz. So stehen etwa den Einnahmen aus der Tabaksteuer im Jahr 2005 in Höhe von 14,3 Mrd. Euro gesundheitliche Folgekosten durch Behandlungen und Produktivitätsausfälle von rund 40 Mrd. Euro pro Jahr gegenüber. Während man in Deutschland noch über Feinstaub diskutiere, der allenfalls 100 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft ausmache, pendle sich die Feinstaubbelastung in seiner "Gaststätte um die Ecke" am Wochenende eher bei 17.000 mg/Kubikmeter ein, gab Florenz zu bedenken. Auf europäischer Ebene geschehe da mehr. So bereitet die Europäische Kommission zur Zeit die Revision der Tabakrichtlinie vor – Ziel ist ein rauchfreies Europa bis 2009. Florenz betonte allerdings auch, dass die Entscheidung über Rauchverbote nach wie vor Sache der Mitgliedsstaaten sei.

Grünes Licht für Tabakwerbeverbot Immerhin: Am 18. Oktober beschloss der Bundestagsausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz endlich den Gesetzentwurf zur Umsetzung des Tabakwerbeverbots. Dies ist bereits seit 2003 überfällig – doch schon unter Bundeskanzler Gerhard Schröder haderte man mit dem Werbeverbot und zog es vor, gegen die Richtlinie zu klagen. Mit dem Tabakwerbeverbot wird auch in Deutschland Reklame für Zigaretten und andere Tabakerzeugnisse in Zeitungen, Zeitschriften, Internet und Rundfunk sowie bei Sportveranstaltungen mit Fernsehübertragung gestoppt.

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