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Pharmaziegeschichte: Vor 100 Jahren starb Charles Pfizer

Vor hundert Jahren, am 19. Oktober 1906, starb in Amerika Charles Pfizer, der die gleichnamige Pharmafirma in New York gegründet und mehr als fünf Jahrzehnte lang geleitet hatte.

Karl Pfizer (1824–1906) stammte aus einer gut situierten, bürgerlichen Familie in Ludwigsburg. Sein Vater war Konditor und Kolonialwarenhändler, er selbst war der einzige Sohn und erlernte den Beruf des Kaufmanns. Warum er nach einigen Jahren der Berufspraxis in die Vereinigten Staaten auswanderte, wissen wir nicht. Tatsache aber ist, dass um 1848 viele Deutsche aus politischen Gründen – und noch sehr viel mehr aus wirtschaftlichen Gründen den Atlantik überquerten. Dort begann Pfizer seine Berufslaufbahn nicht als Tellerwäscher, sondern gleich als Unternehmer. Er hatte sich einen Teil seines Erbes ausbezahlen lassen und darüber hinaus einen Kredit bei seinem Vater aufgenommen. Zudem war sein Vetter Karl Erhart (1821–1891), ein gelernter Konditor, als gleichberechtigter Kompagnon an dem Geschäft beteiligt.

Ausgestattet mit genügend –Kapital, gründeten Pfizer und Erhart 1849 in Williamsburg – damals noch eine selbständige, hauptsächlich von Deutschen bewohnte Gemeinde am East River gegenüber Manhattan – eine chemische Fabrik mit dem Schwerpunkt auf medizinisch verwendeten Feinchemikalien mineralischen oder pflanzlichen Ursprungs, die die USA damals noch überwiegend aus Europa importierten.

Der erste große Geschäftserfolg von Chas. Pfizer & Co. war die Produktion des Anthelminthikums Santonin, das erstmals 1830 rein dargestellt worden war und in Deutschland in großer Quantität von der Fa. Merck hergestellt wurde. Weiterhin zählten schon relativ früh zur Produktpalette: Campher, Iod und Iodsalze, Borax, Weinstein, Seignettesalz (Kalium-natriumtartrat), Ether, Chloroform sowie Quecksilberverbindungen.

Das Geschäft erlebte einen –großen Aufschwung während des amerikanischen Bürgerkriegs (1861–1865), weil viele dieser Produkte bei chirurgischen Operationen und zur Wundversorgung unentbehrlich waren, sodass die Nachfrage sprunghaft anstieg, während zur gleichen Zeit der Außenhandel zusammenbrach. Nach dem Ende des Bürgerkriegs förderten hohe Einfuhrzölle von 20 bis 50% das Wachstum des Unternehmens, das neben dem Stammwerk in Williamsburg-Brooklyn eine zweite Produktionsstätte in –Manhattan errichtete.

Nachdem Pfizer sich auf dem amerikanischen Markt durchgesetzt hatte, wurde ihm auf der Weltausstellung von 1876 in Philadelphia auch internationale Anerkennung zuteil. In dem Bericht der "Österreichischen Commission für die Weltausstellung", die ansonsten das marktschreierische Niveau der amerikanischen Arzneimittelhersteller kritisierte (siehe Zitat), heißt es: "Eine der interessantesten Ausstellungen ist jene von Charles Pfizer & Co. in New York. Der Eigenthümer, ein Württemberger, hat es verstanden, innerhalb 20 Jahren aus nichts eine der größten amerikanischen Industrien zu schaffen." Damals beschäftigte Pfizer 150 Arbeiter, aber nur vier Chemiker. Eine Forschungsabteilung gab es noch nicht, wohl aber eine sehr gut funktionierende Qualitätskontrolle.

Charles Pfizer zog sich im Jahr 1900 aus der Geschäftsleitung zurück und verbrachte seinen Lebensabend in Newport im Neuengland-Staat Rhode Island, wo er am 19. Oktober 1906 starb. Der Aufstieg seiner Firma zum heute weltweit umsatzstärksten Pharmakonzern begann erst viel später im 2. Weltkrieg, als sie ein Verfahren zur groß–technischen Herstellung von Penicillin entwickelt und etabliert hatte.

"Man muss es den Amerikanern nachsagen, dass sie die Medicinen in gefällige Formen zu bringen wissen. Aber nicht nur die Formen, sondern auch der Geschmack der adjustirten Drogen ist so, wir möchten fast sagen verführerisch, dass es ganz begreiflich erscheint, wenn der Kranke eher danach greift, als er den Arzt holt. "

Österreichische Commission für die Weltausstellung 1876

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