Arzneimittel und Therapie

Migräne bei Frauen: Bei Aura steigt das kardiovaskuläre Risiko

Frauen, deren Migräne mit einer Aura einhergeht, weisen ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko auf. Bei einer Migräne ohne Aura scheint das Risiko nicht erhöht zu sein. Noch gibt es hierfür keine schlüssige Erklärung; möglicherweise spielt ein genetischer Polymorphismus eine Rolle.

Migräne kann als Störung des Gefäßsystems gedeutet werden, und es stellt sich die Frage, ob auch andere Gefäße, insbesondere kardiovaskuläre Gefäße, in Mitleidenschaft gezogen werden. Nachdem einige Untersuchungen bereits einen Zusammenhang zwischen Migräne und einem erhöhten Schlaganfallrisiko gezeigt hatten, wurde in einer prospektiven Studie geprüft, ob bei Migränepatientinnen auch weitere kardiovaskuläre Störungen vermehrt auftreten. Zur Sammlung der erforderlichen Angaben wurde auf die Womenęs Health Study zurückgegriffen und die Daten von 27.840 amerikanischen Frauen ab 45 Jahren ausgewertet.

Die Teilnehmerinnen, die bei Eintritt in die Studie (1992-1995) an keiner kardiovaskulären Erkrankung litten, protokollierten unter anderem das Auftreten einer Migräne mit oder ohne Aura. Die Auswertung basiert auf den Protokollen und Krankengeschichten bis März 2004.

Primärer Studienendpunkt war der kombinierte Endpunkt "major CVD" (CDV = cardiovascular disease), der sich aus folgenden Kriterien zusammensetzt:

  • nicht-tödlicher ischämischer Schlaganfall,
  • nicht-tödlicher Myokardinfarkt oder
  • Tod aufgrund einer ischämischen kardiovaskulären Erkrankung.

Weitere Studienendpunkte waren ein erstmals auftretender ischämischer Schlaganfall, Myokardinfarkt, koronare Revaskularisation, Angina und Tod aufgrund einer ischämischen kardiovaskulären Herzerkrankung.

Aura erhöht das Risiko 5125 Studienteilnehmerinnen hatten angegeben, unter Migräne zu leiden, bei 1434 lag eine Mi–gräne mit Aura vor. Im Lauf der durchschnittlich zehnjährigen Beobachtungszeit waren 580 kardiovaskuläre Ereignisse aufgetreten, die den Kriterien der Studienendpunkte entsprachen. Die statistische Auswertung der gesammelten Daten zeigte für Migränepatientinnen mit Aura ein rund zweifach erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse im Vergleich zu Frauen, die nicht unter Migräne litten. Für Migränepatientinnen, deren Attacken nicht mit einer Aura einhergehen, wurde kein erhöhtes Risiko festgestellt. Im Einzelnen wurden folgende Daten ermittelt:

  • Verglichen mit den Studienteilnehmerinnen, die frei von Mi–gräne waren, wiesen Frauen mit einer aurahaltigen Migräne ein rund doppelt so hohes Risiko für eine major CVD (primärer Studienendpunkt) auf [Hazard ratio 2,15; 95% Konfidenzintervall 1,58-2,92; p < 0,001].
  • Ebenfalls erhöht war ihr Risiko für einen ischämischen Schlaganfall (1,91), für einen Myokardinfarkt (2,08), für eine koronare Revaskularisierung (1,74), für Angina pectoris (1,71) oder für Tod aufgrund einer ischämischen koronaren Herzkrankheit (2,33).
  • Eine Migräne mit Aura war für jährlich 18 zusätzliche kardiovaskuläre Ereignisse pro 10.000 Frauen verantwortlich.
  • Frauen, deren Migräne ohne Aura verlief, hatten im Hinblick auf vaskuläre Ereignisse oder Angina kein erhöhtes Risiko.

Genetische Ursache? Das kardiovaskuläre Risiko war in dieser Untersuchung nur bei Studienteilnehmerinnen erhöht, deren Migräne mit einer Aura einhergeht. Diese Tatsache lässt sich mit der Hypothese, dass sich migränespezifische neurologische Gefäßveränderungen auch auf den kardiovaskulären Bereich auswirken, nicht vereinbaren – denn dann müsste auch bei Migränepatienten ohne Aura das kardiovaskuläre Risiko erhöht sein. Kommentatoren der Studie vermuten, dass der Migräne mit Aura eine genetische Prädisposition zugrunde liegt, die gleichfalls für das vermehrte Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse verantwortlich ist. Im Visier steht ein Polymorphismus im Methyltetrahydrofolat-Reduktase-Gen (C677T), der einen mäßigen Anstieg der Homocysteinwerte verursacht. Ein erhöhter Homocysteinwert gilt wiederum als kardiovaskulärer Risikofaktor. Derselbe Polymorphismus tritt auch häufiger bei Migränepatienten mit Aura, aber nicht bei Migränepatienten ohne Aura auf.

Praktische Konsequenzen

Für die meisten Migränepatienten, d.h. für all diejenigen ohne Aura, hat der oben aufgezeigte Zusammenhang zwischen einer aurahaltigen Migräne und einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse keine praktischen Konsequenzen. Bei Patientinnen mit Aura sollte eine gründliche Anamnese erfolgen, um weitere Risikofaktoren wie Rauchen, Hyperlipidämie oder Bluthochdruck zu eruieren und gegebenenfalls auszuschalten oder zu therapieren. Es bleibt zu klären, ob auch für jüngere und männliche Migränepatienten eine Assoziation zwischen einer Migräne mit Aura und vermehrt auftretenden kardiovaskulären Ereignissen besteht.

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.