Aus Kammern und Verbänden

AV Mecklenburg-Vorpommern: Im Zeichen der Sorge

Das Wirtschaftsseminar des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern am 27. September in Rostock-Warnemünde wurde von den Problemen der Apotheker auf Bundesebene dominiert. Die Gesundheitsreformpläne und die möglichen Gefahren durch Kettenapotheken waren die Hauptthemen für die etwa 120 Teilnehmer.

Axel Pudimat, Vorsitzender des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern, bedauerte, dass über die rechtswidrige Eröffnung der DocMorris-Filiale in Saarbrücken in den Medien ausführlich berichtet wurde, über die spätere Schließung aber allenfalls nachrangig.

Die politische Diskussion über die Apotheken werde auf Stammtischniveau geführt, Fakten würden ignoriert. Zudem würden gerade die maßgeblichen Personen wie Politiker und Journalisten aufgrund ihres Alters nur selten Apotheken aufsuchen und hätten daher keine eigenen Apothekenerfahrungen. Daher sollten möglichst viele Apotheker den Vorschlag der ABDA aufgreifen und Politiker in Apotheken einladen. Die Politiker sollten keineswegs nur die Apotheken von Vorstandsmitgliedern der Kammern und Verbände besuchen, vielmehr sollten alle Apotheker ihre persönlichen Kontakte nutzen. Darüber hinaus würden die ABDA-Organisationen mit ihren Argumenten auf der politischen Arbeitsebene durchaus gehört, doch könne über solche Kontakte naturgemäß nicht berichtet werden.

An dem geplanten GKV-WSG kritisierte Pudimat insbesondere den möglichen Zuzahlungsverzicht und das Margendumping durch die Höchstpreisregelung. Dies widerspreche der seit dem GMG verfolgten Linie, die Apotheker preisneutral zu stellen. Nun sollten sie zu Kaufleuten degradiert werden. Außerdem sei das marktwirtschaftlichste Gesundheitssystem in den USA weltweit das teuerste. Sollte die Gesellschaft den Apotheken in Deutschland künftig aber eine andere, kaufmännisch dominierte Rolle zuweisen, dann müssten auch die Gemeinwohlpflichten in Frage gestellt werden – allerdings nur dann und nicht jetzt, wie manche frustrierte Apotheker vorschlagen würden. Denn man solle überlegen, was danach sein werde – mit solchen Maßnahmen würden sich die Apotheker als freier Heilberuf selbst abschaffen. Vielmehr appellierte Pudimat an die Apotheker, sich nicht durch die Medien demoralisieren zu lassen.

Ketten und die Folgen Dr. Frank Diener, ABDA-Geschäftsführer Wirtschaft und Soziales, forderte, die beiden pharmapolitischen "Großbaustellen", den Streit im Saarland und die Gesundheitsreform, voneinander zu trennen, um die Probleme nicht zu potenzieren. Der Fremd- und Mehrbesitz sei offenbar von vielen gesellschaftlichen Kräften gewollt, weil man sich viel davon verspreche. Aufgrund der Erfahrungen mit Apothekenketten im Ausland und mit anderen Oligopolen seien aber bei der Zulassung von Ketten mehr Apotheken in Städten und zugleich ein verkleinertes Sortiment zu erwarten. Ketten würden aus wirtschaftlichen Gründen die Komplexität ihrer Leistungen vermindern, preiswertes Personal einsetzen und durch Hardselling-Methoden Arzneimittelmehrverbrauch induzieren. Die ABDA fordere jetzt, die deutsche Rechtslage vom Europäischen Gerichtshof klären zu lassen und sei optimistisch. Denn die EU-Kommission wende sich nur gegen Länder, in denen das Fremd- und Mehrbesitzverbot mit Niederlassungsbeschränkungen kombiniert sei, und nicht gegen Deutschland, wo allein das Fremdbesitzverbot als Verbraucherschutz dient.

Gesetzentwurf – die Maßnahmen im Detail Hinsichtlich der Gesundheitsreform befürchtet Diener, dort könne ein ähnliches "Mikadogleichgewicht" wie einst im Einigungsvertrag entstehen. Viele Details seien inkonsistent und würden der bisherigen Politik widersprechen, doch lasse die Politik keine Änderung zu, um das Gleichgewicht nicht zu gefährden. Er beschrieb, wie sich die einzelnen Maßnahmen auf die Apotheken auswirken würden. Die im Eckpunktepapier geforderten "Höchstpreise" könnten auf zweierlei Weise interpretiert werden. Die Umwandlung der Preisverordnung in Verbindung mit dem möglichen Verzicht auf Zuzahlungen führten zum Margen- und Zuzahlungsdumping. Wenn den atomisierten Apotheken dann auch noch ein staatlich geschaffenes Nachfragemonopol der Krankenkassen gegenüberstehe, die nicht dem Wettbewerbsrecht unterstünden, entstehe das maximale Ungleichgewicht des Marktes und letztlich "Staatsmonopolkapitalismus". Während diese Variante das System zerstören würde, könnte mit einer Interpretation der Höchstpreise als kassenspezifische Herstellerabgabepreise das System sogar verbessert werden. Die preisneutral gestellten Apotheken mit ihrem festen Aufschlag könnten dann den Wettbewerb auf der Herstellerstufe organisieren, wo die Preise wirklich entstehen. Zu dieser Variante würden auch die an verschiedenen Stellen vorgeschlagenen kassenspezifischen Herstellerrabattverträge passen.

Unerreichbar sei dagegen die geplante Einsparung von 500 Millionen Euro durch Rabatte, da der Markt der betroffenen Sub-stanzen ein solches Potenzial nach den bisherigen Einsparungen nicht mehr enthalte. Die Haftung der Apotheker für diesen Betrag sei "Nonsens", beseitige jeden Anreiz für die eigentlich gewünschten Rabattverhandlungen und sei als Haftung für Fremdrabatte in der Wirtschaftsgeschichte einmalig. Es sei auch verfahrenstechnisch unmöglich, Rabatte individuell einzusammeln, die Apotheker aber kollektiv haften zu lassen. Diese Maßnahme könne daher ebenso wie die Zuweisung des Sprechstundenbedarfs an einzelne Apotheken durch Krankenkassen nur kategorisch abgelehnt werden.

Die Erlaubnis zum Auseinzeln werde durch angeblich enorme Müllmengen begründet, ziele aber gar nicht auf die ohnehin nicht kostensparenden Einzelfälle, sondern auf die industrielle Verblisterung von Bulkware.

Dies widerspreche gerade der geforderten Individualisierung. Als Alternative schlägt die ABDA das individuelle Stellen für die Patienten mit Complianceproblemen oder besonderen Bedürfnissen vor. Gerade beim geforderten Wiedereinsatz der Arzneimittel Verstorbener sei es besonders unsinnig, auf die Beteiligung der Apotheker zu verzichten. Dieser Vorschlag sei als "Symbolpolitik" zu betrachten, könne aber durch die Hintertür zum ärztlichen Dispensierrecht führen.

Angesichts dieser vielen bedrohlichen Maßnahmen stehe die Politik für die Apotheker auf des Messers Schneide, das Gesetzgebungsverfahren werde aber noch Monate dauern. Jetzt sei die Grundsolidarität der Apotheker untereinander eine zwingende Voraussetzung für den Erfolg. In der Diskussion wurde dazu aufgerufen, nicht nur Politiker anzusprechen, sondern auch die Kundenkontakte politisch zu nutzen.

GKV-WSG in Zahlen Was das GKV-WSG für die einzelne Apotheke bedeuten kann, erläuterte Guido Michels, Treuhand Hannover. Alle Rohertragseinbußen würden in voller Höhe auf die Gewinne durchschlagen. Der Gesetzgeber plane bei den Apotheken, die insgesamt aus den GKV-Umsätzen einen Rohertrag von 3,9 Milliarden Euro pro Jahr erwirtschaften, zunächst eine Milliarde Euro einzusparen. Pro Apotheke sind dies etwa 40.000 –Euro. Für ein Szenario mit Preis- und Zuzahlungsnachlässen bei einem Drittel der GKV-Packungen schätzte er Einbußen von 30.000 Euro pro Apotheke und Jahr ab.

Apothekenketten im Ausland Angesichts der zunehmenden Diskussion über Apothekenketten gab Patrick Hollstein, Agentur ElPato, einen Überblick über die Situation in Europa. Demnach hat die Zahl der europäischen Länder mit Apothekenketten in den zurückliegenden 15 Jahren erheblich zugenommen, dies sei aber differenziert zu betrachten. In einigen osteuropäischen Ländern werden anfängliche Liberalisierungen wieder zurückgenommen, in manchen Ländern haben Ketten nur einen kleinen Marktanteil oder es bestehen Ketten in geregelten Märkten mit Niederlassungsbeschränkungen. Die größten Betreiber von Apothekenketten in Europa seien Celesio, die Merckle-Gruppe, insbesondere mit Phoenix, und Alliance Boots, die kürzlich aus Alliance UniChem und Boots entstanden ist. Daneben gibt es besonders in Osteuropa kleinere Ketten, die erheblich wachsen.

Im größten Kettenmarkt Großbritannien verlieren die unabhängigen Apotheken kontinuierlich Marktanteile, insbesondere an die Supermarktapotheken, die im Vergleich zu den anderen Apotheken einen sehr hohen Anteil am OTC-Markt haben. In einigen anderen Ländern, auch ohne Ketten, werden zunehmend OTC-Arzneimittel für den Verkauf außerhalb von Apotheken freigegeben. Daher würden auch die Konzerne mit Kettenapotheken eine Regulierung des Marktes mit einer Apothekenpflicht fordern. Zur Positionierung gegen Ketten riet Hollstein, einen geeigneten Standort zu suchen, Eigenarten zu pflegen und die richtigen Partner auszuwählen.

Empfehlungen für die Apothekenstrategie Vor dem Hintergrund der insgesamt problematischen Situation empfahl Michels, den Apothekern eine strategische Positionierung der Marktdurchdringung. Sie sollten die Qualitätsführerschaft anstreben, was möglicherweise mit Effizienzsteigerungen zur Senkung der Kosten kombiniert werden könne. Sie sollten keinesfalls einen Preiskampf beginnen, weil dies zwangsläufig in eine Abwärtsspirale führe. Als weitere Strategie sei die Markterweitung durch eine Filiale zu erwägen. An einem guten Standort und mit guter Leitung könne dies den Ertrag steigern und neues Potenzial auch für die Haupt-apotheke schaffen.

Anhand der Daten einer Beispielapotheke erläuterte Uwe Stiftel, Pharmatechnik Rostock, dass durch Bestelloptimierung, verbesserte Rückgabekonditionen und automatische Erstellung einer Rückgabeliste die Rohgewinnmarge um einige Promille verbessert werden kann. Außerdem sollten Freiwahlartikel mit sehr geringer Lagerumschlagsgeschwindigkeit aus dem Sortiment entfernt werden. Auch er warnte eindringlich vor den verheerenden Folgen von Preissenkungen und breit gestreuten Rabatten. Ein Verzicht auf die Hälfte der Zuzahlung würde in einer typischen Apotheke in Mecklenburg-Vorpommern etwa dem Verlust der gesamten Marge aus der Selbstmedikation entsprechen. Darüber hinaus präsentierten Michels und Stiftel Daten zur jüngsten wirtschaftlichen Entwicklung der Apotheken in Mecklenburg-Vorpommern unter dem Einfluss des AVWG, wie bereits in der AZ berichtet wurde (siehe AZ 40).

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