Arzneimittel und Therapie

Diabetes Typ 2: Eidechsenhormon hilft Diabetikern

Das Inkretin-Mimetikum Exenatide ist seit April 2005 in den USA unter dem Handelsnamen ByettaTM als Zusatzbehandlung bei ungenügender Wirksamkeit einer Metformin- und/oder Sulfonylharnstofftherapie zugelassen, die europäische Zulassung wird in Kürze erwartet. Aktuelle Studienergebnisse weisen darauf hin, dass der Wirkstoff den HbA1c-Wert vergleichbar gut senken kann wie eine Insulintherapie.

Bei Exenatide handelt es sich um die synthetische Form von Exendin-4, ein im Speichel der nordamerikanischen giftigen Echsenart Heloderma suspectum vorkommendes Peptidhormon. Die Echse hat sich hervorragend an eine sehr unregelmäßige Nahrungsaufnahme angepasst: Steht eine "Mahlzeit" an, wird der Pankreas mittels Exendin-4 "eingeschaltet" (siehe Kasten). Denn die Substanz wirkt als Inkretin-Mimetikum, das heißt sie stimuliert analog dem humanen Glucagon-like-Peptide-1 (GLP-1) glucoseabhängig – neben anderen Effekten – die Insulinsekretion des Pankreas.

Vergleich mit Insulintherapie Der Vorteil von Exenatide gegenüber den körpereigenen Inkretinen (siehe Kasten) liegt darin, dass es langsamer abgebaut wird und daher nur zweimal täglich subkutan appliziert werden muss. Kürzlich wurden die Ergebnisse zweier Studien veröffentlicht, die die Anwendung von Exenatide mit einer Insulintherapie bei Typ-2-Diabetikern verglichen hatten.

In einer randomisierten, offe–nen Cross-over-Studie sollte geprüft werden, ob Exenatide dem lang wirksamen Insulin-Analogon Insulin glargin (Lantus®) nicht unterlegen ("non-inferiority") ist. Die 114 Stu–dienteilnehmer waren zuvor entweder mit Metformin oder Sulfonylharnstoff behandelt worden, der durchschnittliche HbA1c-Wert lag in beiden Gruppen initial bei 8,9%. –Während des 32-wöchigen Untersuchungszeitraums wurde zusätzlich zur oralen Therapie entweder Exenatide (Standard-Zieldosis zweimal täglich 10 µg) oder Insulin glargin (einmal täglich eine individuell veränderbare Dosis; Ziel: Nüchternblutzucker ≤ 5,6 mmol/l) verabreicht.

Vergleichbare HbA1c-Wert-Senkung bei positivem Gewichtsverlauf Die Analysen zeigten in beiden Studienarmen eine nahezu gleiche Senkung des HbA1c-Werts. Nach 16 Wochen betrug der Rück–gang unter Exenatide 1,43 Prozentpunkte und unter Insulin glargin 1,41 Prozentpunk–te. In beiden Gruppen erzielten nahezu die gleiche Zahl der Studienteilnehmer einen HbA1c ≤ 7% (40% unter Exenatide, 41% unter Insulin glargin). Den Zielwert der Leitlinien der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) von 6,5% konnten unter Exenatide 24%, unter Insulin glargin 14% der Patienten erreichen. Beide Therapieregime senkten den Nüchternblutzucker gegenüber dem Ausgangswert signifikant; im direkten Vergleich beider Gruppen schnitt Insulin glargin signifikant besser ab. Die postprandialen Blutglucosespitzen konnten dagegen mit Exenatide signifikant besser gekappt werden. Insgesamt erreichten die Patienten dadurch unter Exenatide ein glatteres Blutzucker-Tagesprofil als unter Insulin glargin. Bei einem durchschnittlichen Ausgangs-BMI von 31 zeigte sich bei den Pa–tienten, die mit Exenatide behandelt worden waren, nach 16 Wochen eine Gewichtsreduktion von durchschnittlich 1,95 kg. Die Patienten der Insulinglargin-Gruppe nahmen im Mittel dagegen um 0,35 kg zu.

Wirksam auch in der Langzeitbehandlung In einer weiteren Studie wurde Exenatide in der Langzeittherapie mit einer konventionellen Mischinsulin-Therapie (Insulin aspart 30/70, NovoMix® 30) verglichen.

In die 52-wöchige offene Vergleichsstudie waren Patienten eingeschlossen, die zuvor mit Metformin plus einem Sulfonylharnstoff behandelt worden waren, ohne dass eine angemessene Blutzuckerkontrolle erreicht werden konnte (durchschnittlicher HbA1c 8,6%). Nach der Randomisierung erhielten 253 Patienten zusätzlich zur oralen Therapie Exenatide (Standardzieldosis zweimal täglich 10 µg), 248 wurden ergänzend mit Insulin aspart 30/70 (zweimal täglich eine individuelle veränderbare Dosis; Ziel: Nüchternblutzucker ≤ 7 mmol/l und postprandialer Blutzucker < 10 mmol/l) behandelt.

Die Senkung des HbA1c-Werts war unter beiden Therapieregimen vergleichbar (Exenatide 1,04% vs. Insulin aspart Mix 0,89%). Unter Exenatide konnte bei 32% ein HbA1c ≤ 7%, bei 18% sogar ein Wert unter 6,5% erreicht werden. Insgesamt zeigte sich in dieser Studie über 52 Wochen unter Exenatide ein glatteres Blutzucker-Tagesprofil. Die übergewichtige bis adipöse Studienpopulation (BMI zwischen 25 und 40) profitierte außerdem von einer Reduktion des Körpergewichts von durchschnittlich 2,5 kg unter Exenatide. Mit Insulin aspart 30/70 behandelte Patienten nahmen im Mittel um 2,9 kg zu. Als häufigste Nebenwirkung wurde unter Exenatide in beiden Studien bei 33% der Patienten eine leichte bis moderate Übelkeit beobachtet.

Lang wirksame Formulierung entwickelt Kürzlich gestartet wurden Phase-III-Untersuchungen mit einer lang wirksamen Formulierung (Exenatide LAR, long-acting release) die es ermöglichen könnte, den Wirkstoff nur einmal wöchentlich einzunehmen. In einer Placebo-Studie mit 45 Patienten konnte bei denjenigen Patienten, die 2 mg Exenatide einmal wöchentlich über 15 Wochen eingenommen hatten, der HbA1c um durchschnittlich 1,7 Prozentpunkte gesenkt werden, während er in der Placebo-Gruppe um 0,4 Prozenpunkte angestiegen war. Auch in dieser Studie war bei den mit Exenatide behandelten Patenten ein deutlicher Gewichtsverlust zu verzeichnen gewesen (im Mittel 3,8 kg), unter Placebo blieb das Gewicht der Patienten nahezu unverändert. Die Hauptnebenwirkung war auch hier Übelkeit (27%). Bei der lang wirksamen Formulierung wird der Wirkstoff in bioabbaubare Mikro–partikel auf Polymerbasis (Medisorb®) verpackt.

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

Der Inkretineffekt

Inkretine sind gastrointestinale Hormone, die hauptsächlich die Insulinsekretion des Pankreas stimulieren, die Bildung von Glucagon reduzieren, den Appetit mindern und das Sättigungsgefühl verstärken. Sie werden blutglucoseabhängig sezerniert. Ein wichtiges körpereigenes Inkretin des Menschen ist das Glucagon-like-Peptide-1 (GLP-1).

Unter dem Inkretineffekt ist der Unterschied in der Betazell-Antwort auf die orale Glucosezufuhr gegenüber der intravenösen Glucosegabe, mit der genau die gleichen Plasmaglucosespiegel erreicht wurden, zu verstehen. Beim Stoffwechselgesunden wird die Insulinsekretion nach dem Essen etwa zur Hälfte durch Inkretine ausgelöst, bei Diabetikern ist der Inkretineffekt vermindert.

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