Hintergrund

Aus der Sicht der Apothekerkammer: "Nicht zu früh jubeln"

Saarlands Justizminister Hecken erteilte der DocMorris-Apotheke eine Betriebserlaubnis. Damit kam eine Menge an Fragen und Problemen auf die Apothekerkammer des Saarlandes zu. Wir wollten von dem Geschäftsführer dieser Kammer, Wolfdieter Brinkmann, wissen, wie man als Kammer mit dieser neuen Situation umgeht. Kann nun eine Kapitalgesellschaft in Kammerfragen mitmischen?

DAZ:

Herr Brinkmann, wann haben Sie zum ersten Mal davon gehört oder gelesen, dass DocMorris eine Filiale in Saarbrücken betreiben will?

Brinkmann:

Aus der Saarbrücker Zeitung am Montagmorgen, dem 3. Juli. Mir ist fast die Kaffeetasse aus der Hand gefallen. Ich bin dann ins Büro geeilt und habe mit dem Kammerpräsidenten, der Vereinsvorsitzenden und der ABDA Kontakt aufgenommen.

DAZ:

Und vorher ist niemand auf Sie zugegangen, um Sie zu informieren?

Brinkmann:

Von Seiten des Ministeriums nicht, hier gab es offensichtlich eine Anordnung zu schweigen.

DAZ:

Die Apotheke wurde eröffnet und ist bzw. war in Betrieb. Möglicherweise wird sie, je nach Rechtslage, wieder eröffnet. Da stellt sich nun die Frage, bezahlt diese DocMorris-Filialapotheke eigentlich einen Kammerbeitrag?

Brinkmann:

Die Filialleiterin dieser Apotheke war bereits vorher Kammermitglied, da sie eine Apotheke nach deutschem Recht leitete. Sie ist auch weiterhin Kammermitglied. DocMorris selbst ist kein Kammermitglied, weil nach dem Wortlaut unseres Heilberufekammergesetzes nur natürliche Personen, die Apotheker sind, Kammermitglied werden können. Mittlerweile hat die DocMorris AG allerdings durch ihren Rechtsanwalt die Mitgliedschaft in der Apothekerkammer beantragt. Der Vorstand hat bereits einmal darüber beraten, allerdings sind die Beratungen noch nicht abgeschlossen. Der Rechtsanwalt hat europarechtliche Aspekte vorgetragen – die werden von uns natürlich ernsthaft überprüft. Ich gehe aber unabhängig von der Entscheidung über diese Frage davon aus, dass die DocMorris-Apotheke in gleicher Weise wie alle anderen Apotheken zu Beiträgen herangezogen wird.

DAZ:

Ist diese Apotheke eigentlich in den Nachtdienst-Turnus mit eingebunden?

Brinkmann:

Hier hatten wir schon Anfragen aus anderen Bundesländern zu diesem Thema. Die Apotheke ist in den Nachtdienst-Turnus miteingebunden. Das war unsere leichteste Aufgabe, da in unserer Notdienstverfügung lediglich der bisherige Name der Apotheke durch den neuen Namen zu ersetzen war.

DAZ:

Gilt eigentlich die Berufsordnung und Berufsgerichtsbarkeit auch für die DocMorris-Apotheke?

Brinkmann:

Die Berufsgerichtsbarkeit endet dort, wo keine Mitgliedschaft besteht. Demnach ist DocMorris selbst nicht der Berufsgerichtsbarkeit unterworfen. Bei etwaigen Verstößen ist zu prüfen, ob möglicherweise die Filialleiterin zur Rechenschaft zu ziehen ist. Dazu muss die Frage nach ihrem individuellen Verschulden gestellt werden.

DAZ:

Wie funktioniert die Überwachung dieser Apotheke? Die Pharmazieräte von Saarbrücken haben ihre Überwachungstätigkeit bis auf Weiteres ausgesetzt...

Brinkmann:

... und dafür hat ihnen Minister Hecken Disziplinarmaßnahmen angedroht. Die Pharmazieräte überlegen derzeit noch, wie sie sich endgültig entscheiden wollen im Hinblick auf die angedrohten Disziplinarmaßnahmen. Die Pharmazieräte haben nach meinem Wissensstand noch keine endgültige Entscheidung getroffen.

DAZ:

DocMorris plant noch weitere Aktivitäten im Saarland. Bekannt geworden ist die Errichtung eines Versandhandelszentrums. Ist die Kammer hierüber offiziell unterrichtet?

Brinkmann:

Nein, auch das wissen wir nur aus der Presse.

DAZ:

Welche gerichtlichen Auseinandersetzungen in Sachen DocMorris stehen jetzt noch von Kammerseite aus?

Brinkmann:

Von Kammerseite aus läuft eine Klage vor dem Verwaltungsgericht, bei der nicht nur die Apothekerkammer, sondern noch drei weitere Apothekeninhaber und der Deutsche Apothekerverband als Kläger auftreten. Dies wurde mit Absicht gemacht, um die prozessuale Hürde der Klagebefugnis leichter überspringen zu können. Es könnte nämlich sein, dass das Gericht die Klagebefugnis nur von Kammer, Verband oder von Einzelnen zulässt. Neben der Klage in der Hauptsache ist Antrag auf Einstweiligen Rechtsschutz gestellt worden mit einer unterschiedlichen Art von Anträgen, weil man nicht weiß, auf welchen Rechtsstandpunkt sich das Gericht letztlich stellt.

Außerdem hat man hilfsweise gegen das Ministerium einen Antrag gestellt, keine weiteren Betriebserlaubnisse zu erteilen. Denn das wäre der Gau, wenn Minister Hecken, wie auf seiner Pressekonferenz seinerzeit angedeutet, womöglich anderen Kapitalgesellschaften aus dem Ausland Betriebserlaubnisse erteilen würde.

DAZ:

Wie ist nach Ihrer Erfahrung die Stimmung unter Saarbrücker Apothekerinnen und Apotheker? Ist hier schon ein Preiskrieg ausgebrochen?

Brinkmann:

Bei einzelnen Apotheken: ja. Einige Apotheken machen jetzt verstärkt Preisaktionen, was wiederum von anderen Apotheken nicht gern gesehen wird. Von vielen Apotheken wird mir auch berichtet, dass die Umsätze zurückgehen. Das mag verschiedene Ursachen haben, eine davon könnte auch DocMorris sein.

DAZ:

Gibt es derzeit noch Reaktionen aus der Politik?

Brinkmann:

Wir haben ein Schreiben des Staatssekretärs Schröder erhalten, der sich angesichts der laufenden Prozesse nicht zu der Sache äußern wollte. Zwei Bundestagsabgeordnete aus SPD und CDU haben sich vehement gegen die Erteilung der Erlaubnis ausgesprochen. Soeben haben wir eine Reaktion auf unsere Resolution von der CDU-Landtagsfraktion bekommen: Sie teilen die Auffassung des Ministers voll und ganz, heißt es da. Wir werden jetzt zu beraten haben, wie wir damit umgehen.

DAZ:

Herr Brinkmann, so-eben erreicht uns die Meldung, dass die DocMorris-Apotheke schließen muss. Das Verwaltungsgericht hat das Ministerium dazu verpflichtet, DocMorris aufzugeben, die Apotheke bis zur rechtskräftigen Entscheidung zu schließen. Wie haben Sie diese Meldung aufgenommen? Welche Konsequenzen folgen daraus – auch vor dem Hintergrund der zu diskutierenden Kammerfragen?

Brinkmann:

Wir freuen uns über diesen Beschluss. Er zeigt, dass man das deutsche Recht nicht so einfach zur Disposition stellen kann und dass die sich stellenden Rechtsfragen nicht so einfach und lapidar zu beantworten sind, wie es das Ministerium dargestellt hat. Wichtig war, dass die prozessualen Hürden genommen werden konnten und dass das Gericht in mehreren Passagen Zweifel an der Schlüssigkeit des vom Ministerium in Auftrag gegebenen Gutachtens geäußert hat.

Allerdings sollte man nicht zu früh jubeln, gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben, das Ministerium hat angekündigt, davon Gebrauch zu machen. Zudem befinden wir uns im Augenblick in einem Verfahren für einen Einstweiligen Rechtsschutz, die Entscheidung fällt aber erst endgültig im Klageverfahren. Für die Probleme, die die Kammer zu lösen hat, werden wir erst einmal die Entscheidung des Oberwaltungsgerichts abwarten.

DAZ:

Herr Brinkmann, vielen Dank für das Gespräch.

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