Pharmaspektrum

Arzneimittel von der Post – in neuem Licht (Kommentar)

Die deutschen Apotheker haben viele Sorgen. Was interessiert uns da die Post? Und England? – Auf den ersten Blick nicht viel. Bei näherer Betrachtung sollte die jüngste Erfolgsmeldung der Deutschen Post aber die deutschen Apotheker und den Pharmagroßhandel aufhorchen lassen. Denn die Übernahme der Logistikleistungen für britische Krankenhäuser in den nächsten zehn Jahren zeigt gleich mehrere Auffälligkeiten. So soll der Postkonzern die bereits effektiv arbeitende Logistik des NHS übernehmen, gegen-über der bisherigen Arbeit aber erhebliche Einsparungen für das Gesundheitsministerium erzielen und auch noch viele neue Arbeitsplätze schaffen. Wie soll das gehen, wenn nicht durch massiven Preisdruck gegenüber den diversen Herstellern der zu liefernden Produkte? Zudem erscheint die erzielbare Rendite für ein Handelsunternehmen interessant, für ein Transportunternehmen aber eher bescheiden. Doch vielleicht geht es den Herren in Bonn bei ihrem Geschäft in England gar nicht in erster Linie um die kurzfristige Rendite, sondern um die strategische Positionierung und das Know-how für das Gesundheitswesen. Das würde auch die Investitionen in viele neue Arbeitsplätze erklären, die für ein Zehnjahresgeschäft kaum nötig wären. Was sollen 1000 neue Mitarbeiter in einem Unternehmen, das bisher etwa 1650 Personen beschäftigt, überhaupt tun?

Alle diese scheinbaren Umgereimtheiten ergeben einen Sinn, wenn das Geschäft nicht nur als Transport von Waren, sondern als neue Handelsstufe gesehen wird. Der Konzern würde ganz andere Tätigkeiten übernehmen und sich zugleich im Wachstumsmarkt Gesundheit etablieren, womit die angestrebte "breite Angebotspalette" realisiert wäre. Es entstünde eine Art medizinischer Großhandel, der die Logistik für fremde Waren übernehmen, aber genauso gut die Waren selbst kaufen und weiter verkaufen könnte. Große Investitionen ist dies nur wert, wenn ein solches Geschäft langfristig und auf Expansion angelegt ist, sowohl räumlich als auch hinsichtlich der Art der Waren. So spricht die Post auch von "zunächst" 500.000 Produkten. Am großen und homogenen Abnehmer NHS lässt sich dieses Geschäft gut erlernen, aber ein Weltkonzern ist darauf ausgerichtet, seine Leistungen in vielen Ländern anzubieten, allemal im eigenen Heimatmarkt. Damit erscheint der Schritt zum Pharmagroßhandel nicht mehr weit, zumal sich die Produktpalette bereits jetzt überschneidet. So könnte der bisherige Pharmagroßhandel in Deutschland und anderen europäischen Ländern einen Teil seiner Einzigartigkeit einbüßen. In Verbindung mit dem traditionellen Geschäft der Post könnte die Phantasie bis zu einer britischen Versandapotheke mit Lieferung nach Deutschland und bei einem drohenden Apothekenkettenszenario sogar bis zur Arzneimittelabgabe in den Postfilialen reichen. Wer sonst hat ein so flächendeckendes Filialnetz wie die Post?

Thomas Müller-Bohn

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