Arzneimittel und Therapie

Primäre Osteoporose: Neue Empfehlungen zu Prophylaxe und Therapie

Frakturen verhindern und die Lebensqualität und Funktionsfähigkeit der Betroffenen erhalten Ų so das Ziel der Leitlinien des Dachverbandes Osteologie. Während die alte Version der Leitlinie das Frakturrisiko jüngerer Personen eher überbewertet hat, betont die jetzt vorliegende neue Version vor allem den hohen Nutzen von Prophylaxe, Diagnostik und Therapie im höheren Lebensalter, der bisher unterschätzt wurde.

Zielgruppe dieser aktuellen Leitlinie sind postmenopausale Frauen und Männer ab dem 60. Lebensjahr. Diese Altersgrenze wurde gewählt, da bei Frauen nach der Menopause die Inzidenz der Osteoporose und osteoporotischer Frakturen deutlich zunimmt. Das gleiche gilt für den älteren Mann. Für prämenopausale Frauen, jüngere Männer, Kinder und Jugendliche gilt diese Leitlinie nicht.

Das Alter und andere Faktoren berücksichtigen Es sind in der Vergangenheit viele epidemiologische Studien in Bezug auf sich ergänzende Risikofaktoren für Frakturen publiziert worden. Jetzt steht nicht mehr das relative Risiko der einzelnen Faktoren im Mittelpunkt der Therapieentscheidung, sondern das absolute Frakturrisiko in einem definierten Zeitraum, das sich aus der Interaktion dieser Faktoren ergibt. Der Trend geht weg von der Überbetonung der Knochenmineraldichte als alleinigem Gradmesser der Therapiebedürftigkeit hin zu einer umfassenden Risikobewertung aller Komponenten einer erhöhten Knochenbrüchigkeit, wie Lebensalter, Geschlecht, spezielle Risikofaktoren wie mehrere Stürze oder Immobilität. Bisher wurde eine Osteoporose-spezifische Therapie – unabhängig vom Lebensalter – ab einem T-Wert (Standardabweichung der Knochendichte von der durchschnittlichen Knochendichte eines jungen gesunden Erwachsenen) von –2,5 empfohlen. Dies gilt jetzt nur noch für Frauen über 70 Jahre und Männer über 80 Jahre.

DXA-Knochendichtemessung unabdingbar Geraten wird in der Leitlinie zu einer Basisdiagnostik bestehend aus Anamnese, klinischem Befund, einer DXA-Knochendichtemessung, einem Basislabor und einer Röntgenuntersuchung der Brust- und Lendenwirbelsäule. Derzeit, so die Experten, erfüllt ausschließlich die DXA-Messung (Dual X Ray Absorptiometrie) der Lendenwirbelsäule und bestimmter Messorte am Schenkelhals die Kriterien einer guten Diagnostik.

Medikamentöse Therapie zur Frakturprophylaxe Überarbeitet wurde die DVO-Leitlinie auch in Bezug auf die fraktursenkende Medikation bei Osteoporosekranken. So werden jetzt für Frauen außer Alendronat, Raloxifen und Risedronat drei weitere Arzneistoffe in den Leitlinien berücksichtigt und als Medikamente der ersten Wahl empfohlen: das Bisphosphonat Ibandronat, Strontiumranelat sowie – bei manifester Osteoporose – das Parathormonfragment Teriparatid. Das Ibandronat (Bonviva®) hat im Herbst 2005 als Monatstablette die europäische Zulassung erhalten.

Strontiumranelat (Protelos®) ist zur einmal täglichen oralen Therapie bei Osteoporose in der Postmenopause zugelassen. Es hemmt die Knochenresorption und regt die Neubildung von Knochenmaterial an. Das anabol wirkende Parathormonfragment Teriparatid (Forsteo®) mit täglichen subkutanen Injektionen plus Calcium und Vitamin D3 reduziert die Wirbelfrakturrate bei Frauen in der Postmenopause mit manifester Osteoporose signifikant. Für Männer mit Osteoporose wird die Behandlung mit Alendronat empfohlen, da hiermit eine Verminderung der Wirbelkörperfrakturen nachgewiesen werden konnte. Die einzelnen Präparate unterscheiden sich bezüglich der Art der Wirkung und der Pharmakokinetik. Für die individuelle Auswahl der Medikamente sollten mögliche Neben- und Zusatzwirkungen und die Einnahmemodalität in die Überlegungen einbezogen werden.

Osteoporose-Medikamente der zweiten Wahl Es stehen eine Reihe zusätzlicher Osteoporose-Therapeutika zur Verfügung, die zur Therapie der postmenopausalen Osteoporose zugelassen sind, deren Wirkung in Bezug auf eine Senkung von Wirbelkörperfrakturen aber nicht ausreichend belegt ist. Dazu zählen Alfacalcidol, Calcitonin, Etidronat, Fluoride und Nandrolondecanoat. Eine periphere Fraktursenkung ist für diese Präparate mit Ausnahme von Alfacalcidol nicht belegt. Indiziert sind sie nur bei einer Unverträglichkeit gegen Präparate der ersten Wahl oder aber wenn die Patienten diese ablehnen.

Kalorien, Vitamine, Calcium und viel Sonnenschein Untergewicht (Body Mass Index < 20) wird als starker Risikofaktor für osteoporotische Frakturen hervorgehoben. Studien zeigten, dass eine Gewichtsabnahme mit einer Zunahme des Risikos für Oberschenkelhalsbrüche verbunden ist, eine Gewichtszunahme dagegen mit einer Abnahme des Risikos. Es wird daher empfohlen, für eine ausreichende kalorische Ernährung zu sorgen, um die Muskelmasse zu erhalten oder aufzubauen. Generell wird eine Zufuhr von 1200 bis 1500 mg Calcium täglich mit der Nahrung empfohlen. Bei vielen älteren Menschen oder im Rahmen von Grunderkrankungen wird die Empfehlung aber häufig nicht erfüllt, hier wird dann zu einer Supplementierung geraten. Für eine ausreichende Bildung von Vitamin D halten die Leitlinien eine mindestens 30-minütige Sonnenlichtexposition von Gesicht und Armen täglich für notwendig. Leider ist auch dies vor allem bei den über 70-Jährigen oft nicht gewährleistet. Deshalb sollte in Abhängigkeit vom vermuteten Ausmaß des Defizits eine medikamentöse Supplementierung mit 400 bis 1200 Einheiten Vitamin D3 täglich erfolgen.

Prophylaxe auch im hohen Alter effektiv! Alle in den Leitlinien genannten Maßnahmen der Osteoporose- und Frakturprophylaxe entfalten ihre Wirkung auf den Knochenstoffwechsel bzw. die Sturzrate innerhalb von wenigen Monaten. Sie sind daher auch bzw. gerade im hohen Lebensalter effektiv. Allerdings müssen diese Maßnahmen fortlaufend umgesetzt werden, denn für einen nachhaltigen Nutzen prophylaktischer Maßnahmen als Schutz vor Frakturen gibt es derzeit keinen Beleg. Im Gegensatz zu anderen Organsystemen, bei denen eine Langzeitprophylaxe ein hohes Risiko für Folgeschäden nachhaltig vermindern kann, ist bei der Osteoporose die Senkung eines aktuell vorhandenen hohen Risikos nur solange belegt, wie die Maßnahmen kontinuierlich umgesetzt werden. ck

Frakturen verhindern und die Lebensqualität und Funktionsfähigkeit der Betroffenen erhalten – so das Ziel der neuen Osteoporose-Leitlinie. Während die vorhergehende Leitlinie das Frakturrisiko jüngerer Personen eher überbewertet hat, betont die jetzt vorliegende neue Version vor allem den hohen Nutzen von Prophylaxe, Diagnostik und Therapie im höheren Lebensalter, der bisher unterschätzt wurde. Neben Alendronat, Raloxifen und Risedronat werden drei weitere Arzneistoffe als Medikamente der ersten Wahl empfohlen: Ibandronat, Strontiumranelat sowie Teriparatid.

Evidenz-basierte fraktursenkende Wirkung

Die in Bezug auf eine Fraktursenkung am besten belegten medikamentösen Therapieoptionen bei der postmenopausalen Frau sind die antiresorptiven Wirkstoffe Alendronat (täglich bzw. wöchentlich), Ibandronat, Östrogene, Risedronat (täglich bzw. wöchentlich) und Raloxifen sowie die anabolen Wirkstoffe Strontiumranelat und Teriparatid, die den Knochenanbau fördern. Für alle diese Wirkstoffe ist eine Verminderung von Wirbelkörperfrakturen nach drei Jahren in ähnlichem Umfang nachgewiesen. Für Alendronat, Östrogene, Risedronat, Strontiumranelat und Teriparatid ist auch eine Verminderung peripherer Frakturen nachgewiesen.

Für den Mann ist die Therapie mit Alendronat in Bezug auf die Senkung von Wirbelkörperfrakturen belegt. In der Schweiz ist auch Teriparatid für die Therapie der männlichen Osteoporose zugelassen.

Zum Weiterlesen

Die vorliegende S3-Leitlinie wurde vom Dachverband der wissenschaftlichen osteologischen Gesellschaften Deutschlands, Österreichs und der Schweiz herausgegeben, die sich überwiegend mit Knochenerkrankungen beschäftigen. Unter www.lutherhaus.de/dvo-leitlinien kann die Leitlinie als Kurz-, Lang- bzw. in einer Kitteltaschenfassung herunter geladen werden.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.