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Der Fall Hecken/DocMorris nimmt immer groteskere Formen an. Gestern hat die angekündigte Pressekonferenz von Justiz- und Gesundheitsminister Josef Hecken, seinem geheimnisumwobenen Rechtsgutachter Rudolf Streinz und DocMorris-Chef Ralf Däinghaus in Berlin stattgefunden (siehe www.deutsche-apotheker-zeitung.de). Schon der Umstand, dass Hecken zusammen mit Däinghaus in die saarländische Landesvertretung gebeten hatte, ist bemerkenswert: Ein auf die Landesverfassung vereidigter Minister Hand in Hand mit dem Repräsentanten eines Unternehmens, das jahrelang illegal Arzneimittel nach Deutschland versendet hat - und beide Akteure sekundiert von einem vom Hecken-Ministerium beauftragten und bezahlten Rechtsgutachter! Dass sich Däinghaus der propagandistischen Unterstützung eines Ministers zu bedienen versuchen würde, war zu erwarten. Dass sich jedoch ein Landesminister derart vor den Karren einer börsenorientierten Kapitalgesellschaft spannen lässt, verschlägt einem dann doch den Atem.

Hecken ist Jurist. Er weiß, was er tut. Jeder Schritt von ihm ist kalkuliert. Knallhart. Zum Beispiel, dass er wochenlang Rechtsgutachten samt Urheber mit Hinweis auf seinen Urlaub (!) und "schwebende Verfahren" unter Verschluss hält, um das Staatsgeheimnis dann trotz anhängiger Gerichtsverfahren in einer als Pressekonferenz ausgewiesenen PR-Show zu präsentieren. Oder dass er als Mitglied der Gesundheitsrunde der Großen Koalition in der Lage ist, politische Insiderinformationen abzuschöpfen, um dann im Saarland seine Hecken-Schützen gegen das Fremd- und Vielbesitzverbot bei Apotheken zu munitionieren.

Aber der Fall Hecken/DocMorris hat nicht nur im Hinblick auf sein rechtsstaatliches Verfahren eine perfide Dimension. In der Sache selbst geht es dem saarländischen Christdemokraten und früheren Abteilungsleiter bei der Metro AG-Konzernholding um die Zerstörung des bestehenden Arzneimittelversorgungssystems in Deutschland. Dass er dafür im Bund und in seiner Partei keine politischen Mehrheiten hat, stört ihn nicht. Das System Hecken biegt das Recht so lange, bis es bricht. Ob er damit bei seinen Ministerkollegen in Bund und Ländern, bei Justiz, Presse und Öffentlichkeit durchkommt?

Immerhin: Das couragierte Verhalten der ehrenamtlichen Pharmazierätinnen und Pharmazieräte, die im Saarland ihre Tätigkeit bis zur Wiederherstellung rechtsstaatlicher Verhältnisse im Apothekenrecht niedergelegt haben, lässt hoffen.

Und auch auf politischer und juristischer Ebene wird der Widerstand gegen die selbstherrlichen Rechtsausführungen des Herrn Minister größer.

"Fremdbesitzverbote und präventiver Verbraucherschutz" heißt ein ausführliches Gutachten, das in der "Reihe Arzneimittel&Recht" soeben bei der Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft erschienen ist. In dem Buch werden faktenreich und überzeugend Sinn und Zweck des bestehenden apothekenrechtlichen Fremd- und Vielbesitzverbotes bei Apotheken dargestellt. Bis in die kleinsten Verästelungen und juristisch subtil wird dabei auch die Mär von der angeblichen Europarechtswidrigkeit der in Deutschland geltenden Regularien widerlegt. Das Fremdbesitzverbot ist danach legitimer und integraler Bestandteil des gesetzgeberischen Konzepts der Apotheke als "heilberuflichem Unternehmen". Es stellt ein angemessenes Mittel des präventiven Schutzes der Patienten und Verbraucher vor den "Gefahren einer Kommerzialisierung und Konzernierung des Gesundheitswesens" dar. Die damit verbundene Beschränkung der gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit ist "durch geschriebene Rechtfertigungsgründe und ungeschriebene zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt". Dies gilt umso mehr, als "bei der Tätigkeit der Gemeinschaft im Bereich der Gesundheit der Bevölkerung die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Organisation des Gesundheitswesens und für die medizinische Versorgung in vollem Umfang gewahrt wird".

Die Neuerscheinung wurde am Dienstag, einen Tag vor dem Hecken/DocMorris-Event, in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt und ist auf beachtliches Interesse gestoßen. Die Autoren des Rechtgutachtens sind die beiden Gesundheitsrecht-Experten Professor Dr. Elmar Mand, Universität Marburg, mit Forschungsschwerpunkt "Gesundheitsrecht und Internationales Zivil- und Wettbewerbsrecht", und Rechtsanwalt Dr. Heinz-Uwe Dettling, Stuttgart, dessen Tätigkeitsschwerpunkt im Arzneimittel- und Apothekenrecht liegt. Die beiden Autoren haben das Ergebnis ihres ausführlichen Gutachtens in vierzig Thesen zusammengefasst, die Sie auf Seite 23 finden.

Übrigens: Hecken haben wir das Gutachten natürlich auch zukommen lassen. Trotz schwebender Verfahren.

Ob er es lesen wird?

Christian Rotta

Widerstand

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