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...bin ich um den Schlaf gebracht. Im Heine-Jahr 2006 und aufgrund der bedenklichen Entwicklungen im deutschen Apothekenwesen lässt sich dieses Zitat aus einem Gedicht von Heinrich Heine, das eigentlich seine Sehnsucht nach Deutschland ausdrücken sollte, leicht ummünzen in die Sorge um Deutschland – und sein Apothekenwesen: Denk ich an Deutschlands Apotheken in der Nacht... Denn was derzeit in Saarbrücken abläuft, hat nichts mehr mit einem starken, gesunden Rechtsstaat zu tun. Hier nimmt sich ein Minister unverfroren Rechte heraus, die ihm so nicht zustehen. Auch wenn das Saarländische Gesundheitsministerium (Josef Hecken) seine Erteilung einer Apothekenbetriebserlaubnis an eine ausländische juristische Person (DocMorris AG) als europarechtskonform bezeichnet und glaubt, aufgrund eines von ihm bestellten und noch geheimen Gutachtens sei das deutsche Mehr- und Fremdbesitzverbot mit der gemeinschaftlichen Niederlassungsfreiheit nicht vereinbar, so bleibt der Vorgang dennoch zunächst ein Rechtsbruch. Denn deutsche Gesetze werden nicht über Nacht durch bestellte Rechtsgutachten außer Kraft gesetzt – auch nicht das deutsche Apothekengesetz.

Dem Druck der Öffentlichkeit nicht mehr standhaltend wird Hecken nun sein mit Steuergeldern in Auftrag gegebenes teures Rechtsgutachten, das die Basis seines Gesetzesverstoßes darstellt, medienwirksam am kommenden Mittwoch, 9. August, präsentieren: in der Landesvertretung des Saarlandes in Berlin. Einer großen PR-Aktion gleich stellt das unheilige Trio aus Josef Hecken, Prof. Dr. Rudolf Streinz (Münchner Rechtsprofessor, der für Hecken das Gutachten erstellte) und Ralf Däinghaus (Chef von DocMorris) das Rechtsgutachten offiziell vor. In diesem Event soll die Auffassung der Saarländischen Landesregierung untermauert werden, "dass nach der geltenden Normenhierarchie Europarecht nationales Recht bricht". Das mag ja sein, nur hat der großherrliche Minister glatt übersehen, dass ein Gutachten noch kein Europarecht ist und erst einmal in Deutschland die Gesetze geändert werden müssten.

Die DAZ ist zu diesem PR-Event in Berlin "recht herzlich zur Berichterstattung" eingeladen, schreibt uns Heckens Pressesprecher – vielen Dank für die Einladung, wir wären auch so gekommen. Am Morgen des 9. August wird das Landgericht Saarbrücken auch seine Entscheidung über die einstweilige Verfügung gegen die DocMorris-Apotheke in Saarbrücken verkünden. Die Ergebnisse der Gerichtsentscheidung und des PR-Events mit dem Trio infernale in Berlin finden Sie am nächsten Donnerstag (10. August unter www.deutsche-apotheker-zeitung.de).

Nicht nur DocMorris, auch so manch anderer Arzneiversender in Allianz mit Krankenkassen, versucht Deutschland als Experimentierfeld zu sehen, und glaubt, sich nicht an rechtliche Vorgaben halten zu müssen. Zum Beispiel die Sanicare-Apotheke und eine IKK, die Kooperationsmodelle ausgeheckt haben, um den Versicherten die rechtlich vorgeschriebene Zuzahlung zu erlassen. Und das geht so: Die Krankenkasse verschickt an ihre Versicherten Zuzahlungsgutscheine, die bei einer bestimmten Apotheke, nämlich der Sanicare-Apotheke in Bad Laer, eingereicht werden können – anstelle der in bar zu entrichtenden gesetzlichen Zuzahlung. Diese Möglichkeit, die Versicherten von der Zuzahlung zu befreien, ist aber in keiner Weise von den rechtlichen Bestimmungen gedeckt (Sozialgesetzbuch V). Die Bestimmungen dieses Gesetzes lassen keinen Raum für die Herausgabe von so genannten Zuzahlungsgutscheinen. Diese dienen offensichtlich ausschließlich dazu, der in dem Gutschein genannten Apotheke Kunden zuzuführen. Das aber greift massiv in den Wettbewerb zugunsten eines Anbieters ein. Die Versicherten empfinden den Zuzahlungsgutschein wie einen Preisnachlass, da sie das Arzneimittel ohne eigenen finanziellen Einsatz erhalten – eindeutig ein Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung.

Wie der Hessische Apothekerverband (HAV) in einem Schreiben an diese IKK ausführt, wird dadurch das Zuzahlungsmodell unterhöhlt und ein vom Gesetzgeber für verschreibungspflichtige Arzneimittel ungewollter Preiswettbewerb eröffnet. Der HAV forderte die IKK daher auf, die Herausgabe der Zuzahlungsgutscheine sofort einzustellen, ansonsten folgten rechtliche Schritte. Mittlerweile hat auch eine Wettbewerbszentrale die Sanicare-Apotheke abgemahnt wegen rechtswidriger Verteilung von Gutscheinen. Sanicare hat nun bis heute, 3. August, Zeit, ihr Konzept zurückzuziehen, ansonsten werden die Gerichte angerufen.

Auch der Deutsche Apothekerverband befasste sich mit diesem Thema, wollte sich aber nicht zu unmittelbaren rechtlichen Schritten hinreißen lassen. Man beschloss, nur die Aufsichtsbehörden zu informieren und zum Einschreiten aufzufordern. "Von weiteren Maßnahmen wird derzeit abgesehen, da diese sich im Hinblick auf die laufende Diskussion über die Gesundheitsreform als kontraproduktiv erweisen könnten", heißt es in einem Informationsschreiben an die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Apothekerverbände. Ich habe da meine Zweifel, dass solche vornehme Zurückhaltung uns in der jetzigen Situation weiterhilft. Manche Institutionen und Personen verstehen nur knallhartes und konsequentes Vorgehen. Unsere italienischen Kollegen gehen bereits auf die Straße, weil OTCs bald im Supermarkt verkauft werden sollen...

Peter Ditzel

Denk ich an Deutschland in der Nacht...

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