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WamS lobt ausländische Systeme (Randnotiz)

(du) Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 18. Juli 2006 beschlossen, dass kurzwirksame Insulinanaloga bei Diabetes mellitus Typ 2 nur noch dann zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden dürfen, wenn sie nicht teurer sind als Humaninsulin. Ausnahmen sind vorgesehen. –Damit soll die Solidargemeinschaft vor überteuerten Pharma–preisen geschützt werden. Diese Entscheidung wird von Patienten- und Herstellerseite scharf kritisiert.

Dem G-BA-Beschluss war eine heftige Diskussion um den Nutzen kurzwirksamer Insulinanaloga (Insulin Aspart, Insulin Glulisin, Insulin Lispro) bei Diabetes mellitus Typ 2 vorausgegangen. Sie hatte mit Veröffentlichung des Abschlussberichtes zur Nutzenbewertung durch das Institut für Qualitätssicherung und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Ende letzten Jahres begonnen. Anhand einer Literaturbewertung waren die Wissenschaftler des Instituts zu dem Schluss gekommen, dass die Aussagekraft und das Design bisheriger Studien unzureichend sind und keine Rückschlüsse auf patientenrelevante Therapieziele zulassen. Eine Überlegenheit gegenüber Humaninsulin sei nicht belegt. Zudem würde auch die Frage zur Kanzerogenität bei Langzeitanwendung unbeantwortet bleiben.

DGZ-Vorschlag nicht umgesetzt Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG) hatte dem Gutachten des IQWiG insofern zugestimmt, dass nicht jeder Typ-2-Diabetiker von kurzwirksamen Insulinanaloga profitiert oder einen direkten Nutzen aus der Verordnung zieht. Diesem Umstand würde das Verordnungsverhalten in Deutschland aber bereits Rechnung tragen. Allerdings hatte die DDG darauf hingewiesen, dass einzelne Subgruppen mit kurzwirksamen Insulinanaloga ihre Therapieziele besser erreichen als mit Human–insulin, so beispielsweise Patienten mit ausgeprägter Insulinresistenz oder Patienten, die zur effektiven Blutzuckerkontrolle mit Humaninsulin Spritz-Ess-Abstände von mehr als 30 Minuten einhalten müssen. Die DDG hatte daher angeregt, die Arzneimittelrichtlinien dahingehend zu ändern, dass bei Neuverordnung aus Gründen der Wirtschaftlichkeit Insulinanaloga nur in begründeten Ausnahmefällen verordnet werden dürfen, solange diese teurer sind als Humaninsulin.

Dieser Empfehlung ist der G-BA nur bedingt gefolgt. Zwar können in begründeten, durch den G-BA definierten, Ausnahme–fällen kurzwirksame Insulin–analoga weiterhin zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden, doch gilt diese Regelung nicht für Neuverordnungen.

Auf kurzwirksame Analoga eingestellte Patienten müssen wieder auf Humaninsulin umgestellt werden, wenn die GKV die Kosten übernehmen soll. Davon sind nach Angaben des BPI rund 400.000 Patienten betroffen. Verordnungsfähig sollen kurzwirksame Insulinanaloga nur dann sein, wenn der Patient al–lergisch auf Humaninsulin reagiert, das Behandlungsziel mit Humaninsulin nicht zu erreichen ist oder wenn aufgrund unverhältnismäßig hoher Humaninsulindosen die Gabe von Insulin–analoga im Einzelfall wirtschaftlicher ist.

G-BA: Keine Belege für Zusatznutzen Der G-BA weist darauf hin, dass es bei der Entscheidungsfindung alleine um die Frage ging, ob es für die mit kurzwirksamen Insulinanaloga behandelten Typ-2-Diabetiker einen belegten Zusatznutzen gibt, der den höheren Preis rechtfertigt. Die Belege dafür habe die pharmazeutische Industrie bisher nicht vorlegen können.

Daher musste der G-BA, so Dr. Rainer Hess, Vorsitzender des G-BA, im Interesse von vielen Millionen gesetzlich krankenversicherter Menschen und Beitragszahlern die Kostenbremse ziehen. Mit der vom Preis abhängigen Einschränkung der Verordnung sichere der Ausschuss die Versorgung von Typ-2-Diabetikern. Zugleich würde er seiner Verantwortung gerecht, die er für die dauerhafte Finanzierbarkeit medizinisch notwendiger Leistungen der GKV trage.

BPI: Medizinisch und ökonomisch falsch Der BPI sieht dagegen in dem Beschluss eine Entscheidung gegen die Patienten. Damit würde die Zwei-Klassen-Medizin für Diabetiker zementiert. Der G-BA habe alle fachlichen, medizinischen Argumente systematisch ignoriert. Doch auch unter ökonomischen Gesichtspunkten soll die Entscheidung falsch sein, da für die Bewertung Therapiekosten auf Basis des Apothekenverkaufspreises herangezogen wurden, ohne Dosiseinsparungen unter einer Therapie mit Insulinanaloga zu berücksichtigen.

Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VFA) kritisiert ebenfalls die methodische Vorgehensweise des IQWiG und spricht von einer selbstherrlichen Nutzenbewertung zum Schaden des Patienten. Sanofi-Aventis, einer der betroffenen Hersteller von Insulinanaloga, beklagt zudem, dass die Stimme der Patienten bei der Entscheidung keine Rolle gespielt habe. In einer groß angelegten, vom Deutschen Diabetiker Bund (DDB) organisierten Protestaktion hatten sich annähernd 200.000 Patienten für den Erhalt der Erstattungsfähigkeit kurzwirksamer Insulinanaloga ausgesprochen.

Pharmazeutische Industrie: Ein Präzedenzfall! Folgt man den Ausführungen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 21. Juli 2006, so hat für die deutsche Pharmabranche die wichtigste politische Auseinandersetzung der vergangenen Jahre begonnen. Die pharmazeutische Industrie sieht in der Streichung der Insulin–analoga aus dem Erstattungskatalog einen Präzedenzfall und fordert eine nachhaltige Kurskorrektur in der Nutzenbewertung von Medikamenten. Sie müsse transparent, fair und wissenschaftlich unabhängig sein, so Heinz-Werner Meier, Vorsitzender der Geschäftsführung von Sanofi-Aventis. In Zweifelsfällen und bei allen neuen Medikamenten sollte nach den Vorstellungen Meiers zwischen Industrie und G-BA ein gemeinsames, verbindliches Studiendesign festgelegt werden, um zu profunden Messungen medizinischen Nutzens zu kommen.

Das BMG entscheidet Der Beschluss des G-BA liegt dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zur Prüfung vor und wird, sofern er nicht beanstandet wird, nach der Bekanntmachung im Bundesanzeiger in Kraft treten. Hier hofft der Deutsche Diabetiker Bund noch, eingreifen zu können. Er fordert von den zuständigen Politikern, die Entscheidung zu stoppen. Er wendet sich aber auch an die Hersteller der Insulinanaloga, die durch eine Senkung der Preise die Erstattungsfähigkeit erhalten können.

Gemeinsamer Bundesausschuss

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland. Er bestimmt in Form von Richtlinien den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für etwa 70 Millionen Versicherte. Der G-BA legt fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der GKV erstattet werden. Rechtsgrundlage für die Arbeit des G-BA ist das fünfte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V).

Den gesundheitspolitischen Rahmen der medizinischen Versorgung in Deutschland gibt das Parlament durch Gesetze vor. Aufgabe des G-BA ist es, innerhalb dieses Rahmens einheitliche Vorgaben für die konkrete Umsetzung in der Praxis zu beschließen. Die von ihm beschlossenen Richtlinien haben den Charakter untergesetzlicher Normen und sind für alle Akteure der GKV bindend.

Bei seinen Entscheidungen berücksichtigt der G-BA den aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse und untersucht den diagnostischen oder therapeutischen Nutzen, die medizinische Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit einer Leistung aus dem Pflichtkatalog der Krankenkassen.

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