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Bericht der Monopolkommission: Rundumschlag gegen das Apothekenwesen

BERLIN (bw). Die Monopolkommission, die den Bundeswirtschaftsminister in wettbewerbs- und kartellrechtlichen Fragen berät, hat ihr 16. Hauptgutachten vorgelegt. Das alle zwei Jahre veröffentlichte Gutachten beschäftigt sich dieses Jahr insbesondere mit der Wettbewerbssituation im Dienstleistungssektor. Dabei nimmt die Regulierung der Freien Berufe breiten Raum ein. Speziell beim Apothekerberuf und dem Apotheken–wesen gerät das Gutachten zum Rundumschlag.

Auf 14 Seiten werden Empfehlungen gegeben, die das Apothekenwesen in Deutschland grundlegend verändern würden, sollten sie umgesetzt werden.

So empfiehlt der Bericht, die Gruppe der freiverkäuflichen Arzneimittel stark auszuweiten. Als Begründung wird angeführt, dass in anderen Ländern, namentlich Großbritannien und den USA, deutlich mehr Arzneimittel außerhalb der Apotheken verkauft werden dürfen als in Deutschland. Speziell eingegangen wird auf die Gruppe der "leichten Schmerzmittel", gemeint sind laut einer Tabelle Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Ibuprofen. Außerdem nennt der Bericht das Antiallergikum Cetirizin sowie Nicotin-Pflaster und -Kaugummis als Beispiele, bei denen nicht erkennbar sei, "dass bei diesen Arzneimitteln ein so großer Beratungsbedarf besteht, dass ihr Verkauf nur in Apotheken erlaubt sein sollte."

Schon jetzt erfolge der Verkauf "vielfach ohne Beratung", diese sei oft "auch vom Käufer nicht gewünscht", da dieser solche Arzneimittel häufig auf Vorrat kaufe.

Apotheker von der Fachhochschule? Prinzipiell sei die ganze Gruppe der OTC-Präparate in Frage zu stellen, da bei der jetzigen Regelung nicht sichergestellt sei, dass beim Verkauf auch beraten werde. So falle in einer "anonymen Großstadtapotheke (...) ein Missbrauch von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auch nur schwer auf". Auf der anderen Seite fordert die Kommission im gleichen Absatz eine Dokumentationspflicht des Apothekers über die Beratung bei OTC-Präparaten. "Der Apotheker müsste bei Abgabe dieser Arzneimittel eine kurze Niederschrift der vom Käufer berichteten Symptome fertigen."

Das Pharmaziestudium soll in Zukunft auch an der Fachhochschule möglich sein. Warum der Beruf des Apothekers für das "anwendungsbezogene wissenschaftliche Studium, das Aufgabe der Fachhochschulen ist, besonders geeignet" sein soll, wird aber nicht begründet.

Auf die Diskussion über Bachelor- und Masterstudiengänge geht der Bericht dagegen gar nicht ein.

Keine Preisfreigabe bei Verschreibungspflichtigem Auch zur Preisbildung, also der Arzneimittelpreisverordnung, hat sich die Kommission Gedanken gemacht. Bei der momentanen Gesetzeslage hält sie eine Freigabe der Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel für nicht sinnvoll, da für den Patienten kein Anreiz bestehe, eine billige Apotheke zu suchen. Statt dessen sollen die Patienten direkt "an den Kosten der Apothekenleistung" beteiligt werden, also die Vertriebskosten des Großhandels und der Apotheke zumindest teilweise selbst bezahlen. Dabei sollen gesetzlich Ober- und Untergrenzen festgelegt werden. Apotheken, die günstig einkaufen, könnten dann niedrigere Summen berechnen, auf der anderen Seite könnte nach Meinung des Berichts eine gut beratende Apotheke höhere Pauschalen durchsetzen.

Weg mit dem Fremdbesitzverbot – und dann? Das Fremdbesitzverbot möchte die Monopolkommission gekippt sehen, die Beschränkungen beim Mehrbesitz ebenso. Über die Auswirkungen ist sich die Kommission aber selbst nicht einig: "Durch die Bildung von Apothekenketten könnten Effizienzvorteile in Bereichen wie Einkauf, Organisation und EDV erzielt werden. (...) Zwar steht offen, wie groß die durch eine solche Reform bewirkten Vorteile sind. Jedoch kann sich die Frage nach der optimalen Unternehmensorganisation erst im Wettbewerb beantworten." Auch müsse verhindert werden, dass es zu lokalen oder regionalen Monopolen komme. Deshalb wird eine Kontrolle durch die Landeskartellbehörden "auch unterhalb der üblichen Aufgreifschwellen der Fusionskontrolle" bei der Erteilung weiterer Betriebserlaubnisse vorgeschlagen.

Nach dem Wunsch der Gutachter soll eine Apotheke in Zukunft als "räumlich unselbständiger Teil eines Drogeriemarktes oder Kaufhauses" betrieben werden dürfen. Auch die Selbstbedienung bei OTC-Präparaten wird gefordert, allerdings sollen verschreibungspflichtige oder "besonders beratungsbedürftige" Arzneimittel weiterhin nur "über den Apothekertisch" abgegeben werden. Die Begründung, durch eine räumliche Trennung von anderen Geschäften werde dem "Arzneimittel-Shopping" vorgebeugt, sei nicht stichhaltig, da schon heute viele Apotheken "eher einem gehobenen Drogeriemarkt ähneln."

In der Offizin, die im Bericht freilich "Verkaufsraum" heißt, seien "ja auch nur Produkte, die auch außerhalb der Apotheke von anderen Geschäften verkauft werden dürfen" zugänglich. Allerdings sollen ja laut Bericht in Zukunft gerade die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel in Selbstbedienung verkauft werden.

Keine Werbebeschränkungen durch Kammern Zu guter Letzt empfiehlt das Gutachten, "das Gebiet der Werbung vollständig aus der landesrechtlichen Ermächtigung der Apothekerkammern, Berufsregeln zu erlassen, herauszunehmen." Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und das Heilmittelwerbegesetz seien ausreichend. Wo in diesen Gesetzen noch Lücken seien, sollten die Gesetze ergänzt werden. Zwar gibt die Kommission zu, dass die Berufsordnungen nicht mehr deutlich über die gesetzlichen Regelungen hinausgehen, doch "sollte den Kammern die Möglichkeit versperrt werden, in Zukunft wettbewerbsschädliche Werbebeschränkungen zu erlassen."

Die Tätigkeiten der Apothekerinnen und Apotheker werden in dem Gutachten praktisch vollständig auf den merkantilen Aspekt reduziert und ausschließlich unter Wettbewerbs- und Marktgesichtspunkten betrachtet. Den Apotheker als Heilberuf oder Arzneimittel als besondere Waren sucht man vergebens. Es wird zwar eingeräumt, dass "im Bereich des Einzelhandels mit Arzneimitteln (...) gewisse Besonderheiten (herrschen), die eine Regulierung in diesem Bereich rechtfertigen könnten", aus der Tatsache, dass der "Endverbraucher" nicht ohne weiteres beurteilen könne, ob ein bestimmtes Arzneimittel für ihn "nützlich, nutzlos oder sogar schädlich ist", ergibt sich für die Autoren allerdings nicht, dass Arzneimittel nur in Apotheken von pharmazeutischem Personal abgegeben werden dürfen, sondern dies "spricht in erster Linie dafür, dass der Gesetzgeber für bestimmte Arzneimittel eine Verschreibungspflicht einführt, also ihre Abgabe an Endverbraucher von einer ärztlichen Verordnung abhängig macht". Dadurch werde sichergestellt, dass ein Patient ein Arzneimittel nur dann legal erwerben kann, wenn der Einsatz dieses Arzneimittels nach Ansicht einer fachkundigen Person bei ihm geboten ist. Der Apotheker dient in dieser Konstellation in erster Linie als "gatekeeper", der für die Einhaltung der Verschreibungspflicht verantwortlich ist." Hier wird den Apothekern nicht nur die Fachkunde für Arzneimittel abgesprochen, sondern der gesamte Berufsstand als obsolet bezeichnet. Denn die Kontrolle, ob eine Verschreibung vorliegt oder nicht, benötigt wahrlich keinerlei pharmazeutische Kompetenz.

Widersprüche In vielerlei Punkten ist das Hauptgutachten aber auch widersprüchlich. So wird durch die Behauptung, "leichte Schmerzmittel" seien nicht so beratungsintensiv, dass die Apothekenpflicht gerechtfertigt sei, impliziert, dass es solche Arzneimittel gibt. In diesem Fall ist die Beratung durch einen Apotheker also wohl nötig. Auf der anderen Seite bezeichnen die Autoren aber Beratungsleistungen als "keine vertraglich eigenständige Tätigkeit", die auch nicht eigenständig vergütet werde. Das ist richtig, denn die Beratung und Information von Kunden und Angehörigen der Heilberufe ist eine gesetzliche Pflicht der Apotheker – nachzulesen in der Apothekenbetriebsordnung.

Oder wenn das Gutachten in dem Absatz, der sich mit den Handelspannen der Apotheker im europäischen Vergleich beschäftigt, plötzlich mit Zahlen von 1999 hantiert. Und dabei völlig außer Acht lässt, dass zwischen 1999 und heute ungezählte Gesundheitsreformen liegen, darunter eine vollständige Umorganisation der Handelsspannen durch das GMG.

Einfach zu schreiben, die Margen der deutschen Apotheker lägen im europäischen Vergleich an vierter Stelle, zeugt entweder von völliger Unwissenheit über die Gesundheitspolitik in Deutschland – oder ist schlicht unanständig.

Die Monopolkommission hat ihr 16. Hauptgutachten vorgelegt. Das alle zwei Jahre veröffentlichte Gutachten beschäftigt sich dieses Jahr insbesondere mit der Wettbewerbssituation im Dienstleistungssektor. Speziell beim Apothekerberuf und dem Apothekenwesen gerät das Gutachten zum Rundumschlag.

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