Gesundheitswesen

J. FuchsPatienteninformationen vom IQWiG

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) startete am 7. Februar 2006 das Internetportal www.gesundheitsinformation.de. Es soll den Bürgern und Patienten unabhängige, objektive und geprüfte Patienteninformationen vermitteln. Wie steht es um die angestrebten Grundsätze? Das IQWiG und dessen Auftraggeber

Mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz 2003 (GMG) wurde vom Gesetzgeber der Weg für ein neues staatsunabhängiges Institut zur wissenschaftlichen Bewertung des medizinischen Nutzens, der Qualität und der Wissenschaftlichkeit von Leistungen innerhalb des deutschen Gesundheitswesens bereitet. Aufgabe des Institutes für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) ist es, den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in seinen gesetzlichen Aufgaben durch Abgabe von Empfehlungen zu den im § 139a Abs. 3 SGB V enthaltenen Gebieten zu unterstützen (1, 2). Auftraggeber des Instituts sind zum einen das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS, heute BMG) und zum anderen der Ausschuss selbst. Letzterer vergab im Dezember 2004 folgenden Einzelauftrag an das Institut (3): "Anforderungen an Patienteninformationen und deren Ausgestaltung in Konkretisierung des § 139a Abs. 3 Nr. 6 SGB V".

Nach gut einem Jahr wurden am 14. Februar 2006 über das Internetportal gesundheitsinformation.de erste unabhängige, objektive und geprüfte Patienteninformationen veröffentlicht (4).

Ziel der Informationen Das IQWiG will mit Hilfe der Patienteninformationen ein "...effektiver, zuverlässiger, vertrauenswürdiger und populärer Herausgeber von evidenzbasierten Gesundheitsinformationen für Bürger und Patienten ..." sein. Es wird drei Informationsprodukte geben - ausführliche Informationen mit Merkblättern, Kurzinformationen und sonstige Produkte. Dabei sollen die Informationen allgemeinverständlich, aktuell und für die Menschen von vorrangigem Interesse sein (5).

Unabhängige Informationen Das SGB V fordert zur Wahrung der fachlichen Unabhängigkeit des IQWiG, dass die Beschäftigten alle Beziehungen zu Interessenverbänden, Auftragsinstituten, insbesondere der Industrie, einschließlich Art und Höhe von Zuwendungen offen legen (2).

Aber ist es überhaupt möglich, völlig unabhängige Informationen zu erstellen? Bereits durch die bestehenden Erfahrungen jedes einzelnen Mitarbeiters, aber auch hinsichtlich seiner Einstellungen zur Schul- und Alternativmedizin kann eine generelle Unabhängigkeit nicht gewährt sein. Gleichzeitig besteht die Frage: Wie unabhängig ist das Institut von seinen Auftraggebern, zumal alle sechs Vorstandsmitglieder des IQWiG Mitglieder des BMGS (BMG) oder des Gemeinsamen Bundesausschusses sind (6, 7)?

Geprüfte Informationen Ein Institut, das den Anspruch der Qualitätsbeurteilung von Leistungen im Gesundheitswesen erhebt, sollte Vorreiter in der eigenen methodischen Arbeitsweise sein. Als wesentliches Merkmal zur Qualitätssicherung wird neben "interner" nur auf "externe Beratung" zurückgegriffen. Zur "Beratungsgruppe" gehören Patientenvertreter, der Patientenbeauftragte im Kuratorium sowie der Patienteninformationsausschuss im G-BA.

"Falls erforderlich, wird die Lesbarkeit und Verständlichkeit der ausführlichen Informationen durch Vertreter der Zielgruppe getestet." Das IQWiG strebt dabei an, die Anwendbarkeit der ausführlichen Online-Version mit drei bis fünf Freiwilligen einschließlich mindestens eines Patienten zu prüfen (5). Sieht man sich die dafür angegebenen Literaturstellen zur Testdurchführung an, beinhaltet die Prüfung eher eine Bewertung, inwieweit der Nutzer mit der Website und allen darauf befindlichen Verknüpfungen umgehen kann (8, 9, 10). Tests der eigentlichen Lesbarkeit und Verständlichkeit der Inhalte wie sie bei Packungsbeilagen bereits seit einigen Jahren angewendet werden (11, 12, 13) und nun durch die Direktive 2004/27/EC in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zumindest für neue Arzneimittel verpflichtend einzusetzen sind (14), werden bei den Patienteninformationen des IQWiG nicht durchgeführt.

Für die übrigen Informationsprodukte wie den Kurzinformationen werden in den im März 2005 veröffentlichten Methoden des IQWiG keine Qualitätskontrollen (5) angegeben. Aus unserer Sicht ist dies ein erheblicher Mangel, da die somit erstellten Informationsprodukte nicht die zeitgemäßen Standards erfüllen.

Im Methoden-Konzept des IQWiG ist unter "Evaluation und Aktualisierung" zu lesen: "Es gibt zahlreiche Instrumente und Leitlinien zur Qualitätskontrolle und -sicherung von Gesundheitsinformationen im Internet. Es gibt jedoch keine verlässlichen Daten über die Validität solcher Instrumente und Leitlinien. ... Aus diesem Grunde werden sich die Gesundheitsinformationen des Instituts nicht auf die gegenwärtig vorliegenden Bewertungsinstrumente stützen. Es wird auch kein eigenes Bewertungsinstrument entwickelt." (5) Letzteres ist im engen Sinne kein Maß für ein Institut für Qualität.

Das IQWiG wird aber eigene Studien über bestimmte Aspekte, die die Entscheidungen von Patienten und nachweislich die Qualität von Informationen beeinflussen könnten, durchführen und die Gesundheitsinformationen nach den jeweiligen Ergebnissen ausrichten (5). Zur Datenerhebung ist sicherlich der auf dem Internetportal gesundheitsinformation.de enthaltene Fragebogen gedacht. Bei genauer Betrachtung handelt es sich hier um eine Meinungsbefragung, mit der eher eine subjektive Einschätzung erzielt wird als eine objektive, die die Verständlichkeit und Lesbarkeit der Informationen beinhaltet.

Bei allen in den Methoden des Institutes beschriebenen Schwierigkeiten einer Prüfung von Web-Informationen entsprechen die Bewertungssysteme der IQWiG-Patienteninformationen nicht dem Qualitätsstandard wie sie beispielsweise bei Packungsbeilagen bestehen.

Qualitätsbeispiele im Detail Die Informationsstrategie des IQWiG zielt auf die Stärkung des "Empowerment" der Bürger ab. Dies ist ein sozialer Prozess, der die Menschen zu mehr Eigeninitiative für die Gesundheitsförderung animieren soll in Form einer verstärkten Aneignung von Wissen und eines da-rauf aufbauenden autonomen Entscheidens und Handelns (15). Jedoch wird das Institut den Menschen nicht sagen, was sie zu tun oder zu lassen haben (16). Letzteres ist sicherlich nicht generell umsetzbar und auch nicht durch eine passive Ansprache der Leser wie in der Patienteninformation zum Thema: "Was man gegen die Angst vor einer Operation tun kann" im Beispiel des Patienten Paul. Dieser äußert sich wie folgt: "Wenn ich kein Beruhigungsmittel bekommen hätte, dann hätte ich mich die Nacht herumgewälzt mit dem Kopf voller Gedanken." (4).

Einige Informationsprodukte des IQWiG sind oft nur Beschreibungen mit wenig konkreten Aussagen, aber größerem Textumfang (z. B. Patienteninformation "Was man gegen die Angst vor einer Operation tun kann"). Gleichzeitig wird in einigen Merkblättern den Lesern zu Beginn Hoffnung auf Möglichkeiten der Prophylaxe oder Therapie vermittelt und anschließend die Situation anhand der Datenlage relativiert. Beispielsweise steht unter der Überschrift "Darmkrebs: Kann Kalzium vorbeugen?" folgender Text: "Bisherige Studien sprechen dafür, dass Kalziumpräparate zur Nahrungsergänzung eine vorbeugende Wirkung gegen Darmpolypen haben könnten. Eine verlässliche Antwort, ob es auch Darmkrebs verhindert, steht aber noch aus." Anerkennenswert ist es, auf bestehende Informationslücken hinzuweisen. Aber ist es für die Patienten nicht hilfreicher, vorerst nur Patienteninformationen zu erstellen, für die klare Aussagen möglich sind?

Anhand der Patienteninformation über die Statine entsteht leicht der Eindruck, dass eine gezielte Meinungsbildung von Patienten zur Klärung der Frage nach dem effektivsten Wirkstoff dieser cholesterinsenkenden Arzneimittel ausgeübt wird. Mit dem Ziel unabhängiger Informationen gehört die Diskussion um Atorvastatin versus Simvastatin nicht an diese Stelle, zumal wie in dem entsprechenden Merkblatt beschrieben, die Datenlage für eine vergleichende Bewertung bis jetzt nicht ausreichend ist.

In den Gesundheitsinformationen von "Erkältungen" und "Halsschmerzen" wird die Erfordernis des Einsatzes von Antibiotika in Frage gestellt. Unter der Überschrift "Blasenentzündung" ist zu lesen: "Bei einer unkomplizierten Blasenentzündung genügt eine drei Tage dauernde Anibiotika-Therapie fast immer, um die Beschwerden los zu werden. Wer die Medikamente einige Tage länger nimmt, kann auch letzte Reste der Bakterien-Infektionen beseitigen. Allerdings sind dann auch Nebenwirkungen häufiger." Die resultierende Patientenentscheidung ist vorhersehbar.

Beabsichtigt das IQWiG an dieser Stelle die Einsparung von Antibiotika? Ist der Einsatz von Antibiotika und deren Dosierung nicht eine ärztliche, auf den einzelnen Patienten bezogene Entscheidung? Vor allem, wie sieht die Entwicklung von Resistenzen bei einer zu kurzen Therapie aus, wenn einige Patienten noch Bakterien im Urin haben? Auf die letzte Frage antwortet das IQWiG: "Ob solche Restinfektionen wirklich eine gesundheitliche Bedeutung haben, ist offen."

Dass jede Patienteninformation zu Beginn eine Zusammenfassung in Form eines Satzes enthält und in der Regel allgemein verständliche Wörter verwendet werden, ist positiv hervorzuheben. Jedoch sollten Abkürzungen oder Fremdwörter ohne Erklärungen wie PDA, Herzinsuffizienz und Rehabilitation, enthalten in der "A - Z Liste" zur Themenauswahl, vermieden werden. Eine Prüfung der Verständlichkeit wäre hier angebracht.

Werden die IQWiG-Patienteninformationen benötigt? Im Grundsatz sind hochwertige Informationen für die Bürger über Gesundheitsthemen immer zu begrüßen. Gleichzeitig ist es richtig, dass an zeitgemäßen Standards orientierte durchgeführte Qualitätsbeurteilungen nicht nur die Fachkreise nutzen können, sondern in allgemeinverständlicher Form auch der Bevölkerung nützen.

Jedoch stellt sich die Frage nach den Kosten der evidenzbasierten Patienteninformationen, die nach Aussagen von Presseberichten knapp zwei Millionen Euro betragen, vor allem, da eine fortlaufende Aktualisierung zwingend ist. Wir haben äußerste Bedenken, dass im Zuge der Wirtschaftlichkeitsbestrebungen im Gesundheitswesen der betriebene Aufwand bei dem jetzigen Vorgehen zu rechtfertigen ist. Über traditionelle Medien wie Zeitschriften, Radio und TV, aber auch über das Internet können die Bürger Deutschlands eine fast unerschöpfliche Anzahl von Informationen abrufen. Die Patienteninformationen des IQWiG müssen mit vielen anderen hochwertigen Informationen zum Thema Gesundheit, erstellt von privater oder kommerzieller Seite, aber auch von unseriösen Anbietern, konkurrieren.

Wäre es nicht sinnvoller im Konsens mit den Anbietern von Gesundheitsinformationen für die Bürger Leitlinien zu entwickeln mit dem Ziel, dass diese evidenzbasierte Informationen erkennen und zur kritischen, aber auch selbstständigen Gesundheitspflege nutzen können?

Bereits bestehende Bewertungsinstrumente von Informationen auch des Internets wären ein Ausgangspunkt (17).

Fazit Die bestehenden Qualitätssicherungselemente für die IQWiG-Patienteninformationen können nicht als ausreichend eingeschätzt werden. Ein der Mehrheit der Bürger bekanntes In-strument um unabhängige, evidenzbasierte Informationen autonom erkennen und nutzen zu können, wäre sicherlich empfehlenswerter.

Wie unabhängig, objektiv und geprüft sind die Informationen, die das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) auf der Internetseite gesundheitsinformation.de den Patienten zur Verfügung stellt? Der Autor des Beitrags kommt nach seiner Analyse zu dem Schluss, dass die bestehenden Qualitätssicherungselemente für die IQWiG-Patienteninformationen nicht als ausreichend eingeschätzt werden können. Ein der Mehrheit der Bürger bekanntes Instrument um unabhängige, evidenzbasierte Informationen autonom erkennen und nutzen zu können, wäre sicherlich empfehlenswerter.

Das IQWiG

SGB V §139a Abs. 3 - Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen: "Das Institut wird zu Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für die Qualität und Wirtschaftlichkeit der im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erbrachten Leistungen insbesondere auf folgenden Gebieten tätig:

1. Recherche, Darstellung und Bewertung des aktuellen medizinischen Wissensstandes zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren bei ausgewählten Krankheiten,

2. Erstellung von wissenschaftlichen Ausarbeitungen, Gutachten und Stellungnahmen zu Fragen der Qualität und Wirtschaftlichkeit der im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erbrachten Leistungen unter Berücksichtigung alters-, geschlechts- und lebenslagenspezifischer Besonderheiten,

3. Bewertungen evidenzbasierter Leitlinien für die epidemiologisch wichtigsten Krankheiten,

4. Abgabe von Empfehlungen zu Disease-Management-Programmen,

5. Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln,

6. Bereitstellung von für alle Bürgerinnen und Bürger verständlichen allgemeinen Informationen zur Qualität und Effizienz in der Gesundheitsversorgung" (2)

Gemeinsamer Bundesausschuss "Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist ein Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten, Krankenkassen und Krankenhäusern. Seine Aufgabe ist es zu konkretisieren, welche ambulanten oder stationären medizinischen Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind und somit zum Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung gehören. Außerdem definiert er Anforderungen an Qualitätsmanagement- und Qualitätssicherungsmaßnahmen für die verschiedenen Leistungssektoren des Gesundheitswesens. Grundlage für die Arbeit des G-BA ist das Sozialgesetzbuch Nr. 5." (1)

Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses

"Der Gemeinsame Bundesausschuss gemäß § 91 Abs. 2 SGB V hat 21 Mitglieder. Er setzt sich wie folgt zusammen:

  • 3 unparteiische Mitglieder (davon der Vorsitzende)
  • 9 Vertreter der Krankenkassen (benannt von deren Spitzenverbänden)
  • 9 Vertreter der Leistungserbringer (davon 4 Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, 1 Vertreter der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und 4 Vertreter der Deutschen Krankenhausgesellschaft)

Außerdem können an den Sitzungen des Ausschusses bis zu neun Patientenvertreter, die Antrags- und Mitberatungsrecht, jedoch kein Stimmrecht haben, teilnehmen." (6)

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