Rechtsprechung aktuell

Vorerst weiterhin grünes Licht für niederländische Versender

Das Landgericht Berlin bleibt dabei: Niederländische Versandapotheken ą la DocMorris oder Europa Apotheek dürfen auch weiterhin verschreibungspflichtige Arzneimittel an Endverbraucher in Deutschland versenden. Damit setzt sich das Landgericht in Widerspruch zum höherrangigen Kammergericht Berlin. Zur Erinnerung: Das Obergericht hatte im November 2004 in einem spektakulären, noch nicht rechtskräftigen Urteil festgestellt, dass die niederländischen Versandhandelsregelungen –Sicherheitsanforderungen im deutschen Arzneimittel- und Apothekenrecht widersprechen und deshalb der grenzüberschreitende Arzneimittelhandel von den Niederlanden nach Deutschland rechtswidrig ist. (vgl. DAZ 2005, S. 277, 350).

(Landgericht Berlin, Urteile vom 1. Februar 2006, Az.: 97 O 45/05, und vom 3. Mai 2006, Az.: 97 O 11/05)

Im Mittelpunkt der beiden nunmehr vom Verband Sozialer Wettbewerb e.V. vor dem Landgericht betriebenen Verfahren gegen DocMorris und die Europa Apotheek stand die sog. Länder-Liste des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung vom 16. Juni 2005. In dieser Liste stellt das Ministerium lapidar fest, dass "zurzeit in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich für den Versandhandel und den elektronischen Handel mit Arzneimittel dem deutschen Recht vergleichbare Sicherheitsstandards bestehen". Es bezieht sich dabei auf eine – bislang freilich unveröffentlichten – "europaweite Erhebung". Aus den Niederlanden soll der grenzüberschreitende Arzneimittelversand nach Deutschland allerdings nur dann zulässig sein, wenn die dortige Versandapotheke gleichzeitig auch eine so genannte "Präsenzapotheke" unterhält.

Bindungswirkung der Länder-Liste? Die Länder-Liste war nach ihrer Veröffentlichung heftig kritisiert worden. Insbesondere wurde – auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten – ihre Bindungswirkung bezweifelt. Die Liste konterkariere Bemühungen, aufsichtsrechtlich die Gefahren in Griff zu bekommen, die im Rahmen eines grenzüberschreitenden Versandhandels mit Arzneimitteln bestehen.

Alle diese Einwände und Bedenken schlug das Landgericht in den Wind. Aus dem "Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung" folgerten die drei Zivilrichter, dass bei Rechtsfragen, die von einer Verwaltungsbehörde und einem Zivilgericht zu beurteilen sind, das Zivilgericht diese Frage nicht anders beantworten dürfe als die Behörde der öffentlichen Verwaltung. Einem Zivilgericht sei es deshalb verwehrt, "sich über den Inhalt der Länder-Liste des Ministeriums hinwegzusetzen". Dies gelte umso mehr, als der Gesetzgeber in § 73 Abs. 1 AMG dem "sach- und fachkundigen Ministerium die Befugnis zum Erlass und zur regelmäßigen Überprüfung der Länder-Liste übertragen" habe.

Versender als "Präsenzapotheke"? Keine Probleme hatte das Landgericht auch damit, DocMorris und die Europa Apotheek zur "Präsenzapotheke" zu erklären. Entscheidend seien für die Beurteilung nämlich die niederländischen Rechtsvorschriften und nicht das deutsche Arzneimittel- und Apothekenrecht. Und danach betreibe sowohl DocMorris als auch die Europa Apotheek, wie die niederländische Staatliche Aufsicht bestätigt habe, "eine öffentliche Apotheke (Präsenzapotheke), die alle gesetzlichen Anforderungen an eine öffentliche Apotheke in den Niederlanden erfülle".

Verband legt Berufung ein Die Entscheidungen des Landgerichts sind noch nicht rechtskräftig. Der Verband Sozialer Wettbewerb hat gegen beide Urteile Berufung eingelegt. Damit soll, wie der Prozessvertreter des Verbandes, Rechtsanwalt Roland Jahn süffisant anmerkt, überprüft werden, ob die Verbindlichkeit der Länder-Liste tatsächlich "nahezu Verfassungsrang" hat und ob "ein Verkaufsraum mit einer Vitrine, in der zwölf Arzneimittel angeboten werden", wirklich die Anforderungen an eine "Präsenzapotheke" erfüllt.

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