DAZ aktuell

Ein Minister als Hecken-Schütze (Meinung)

"Das Saarland möchte vom Rest der Republik stärker beachtet werden", schrieb am 6. Juli 2006 die "Frankfurter Allgemeine". Wenige Tage zuvor hatte der Gesundheitsminister des Saarlandes, Josef Hecken (CDU), der in Personalunion auch als Justizminister des kleinsten deutschen Flächenstaates fungiert, einen spektakulären, aber untauglichen Versuch unternommen, mit der "Ansiedlung von DocMorris im Saarland" einen "Beweis für die Innovationsbereitschaft der Landesregierung" zu erbringen, ohne dass mit der künftigen Schaffung von "ca. 300 qualifizierten Arbeitsplätzen" die heimischen Apotheken beeinträchtigt würden, so der Tenor einer Pressemitteilung des Ministeriums vom 3. Juli. {te}Am gleichen Tag "begann in Saarbrücken eine neue Ära. Nachdem Apothekerin Jutta Müller morgens um acht die Tür zur Rats-Apotheke aufgeschlossen hatte, rückte ein Trupp Handwerker an und tauschte die Reklameschilder aus. Das rote ≠A', das hier mehrere Jahrzehnte geleuchtet hatte, musste einem grünen Kreuz weichen. Wenige Stunden später residierte in der Kaiserstraße 16 die ≠DocMorris Apotheke'", so die "Welt am Sonntag" vom 9. Juli 2006 in einem Artikel unter der programmatischen Überschrift "Die Unreformierbaren", den eine Kundenzeitschrift von DocMorris unverändert übernehmen könnte.

Erst am 29. Juni 2006 hatte das Ministerium für Justiz, Gesundheit und Soziales als zuständige Behörde der DocMorris N. V. Voskoilenweg 131 b, 6416 AJ Heerlen, einer niederländischen Aktiengesellschaft, zum 1. Juli 2006 die Erlaubnis zum Betrieb einer Filialapotheke in Saar–brücken erteilt.

Meinung "Das Saarland möchte vom Rest der Republik stärker beachtet werden", schrieb am 6. Juli 2006 die "Frankfurter Allgemeine". Wenige Tage zuvor hatte der Gesundheitsminister des Saarlandes, Josef Hecken (CDU), der in Personalunion auch als Justizminister des kleinsten deutschen Flächenstaates fungiert, einen spektakulären, aber untauglichen Versuch unternommen, mit der "Ansiedlung von DocMorris im Saarland" einen "Beweis für die Innovationsbereitschaft der Landesregierung" zu erbringen, ohne dass mit der künftigen Schaffung von "ca. 300 qualifizierten Arbeitsplätzen" die heimischen Apotheken beeinträchtigt würden, so der Tenor einer Pressemitteilung des Ministeriums vom 3. Juli. {te}Am gleichen Tag "begann in Saarbrücken eine neue Ära. Nachdem Apothekerin Jutta Müller morgens um acht die Tür zur Rats-Apotheke aufgeschlossen hatte, rückte ein Trupp Handwerker an und tauschte die Reklameschilder aus. Das rote ≠A', das hier mehrere Jahrzehnte geleuchtet hatte, musste einem grünen Kreuz weichen. Wenige Stunden später residierte in der Kaiserstraße 16 die ≠DocMorris Apotheke'", so die "Welt am Sonntag" vom 9. Juli 2006 in einem Artikel unter der programmatischen Überschrift "Die Unreformierbaren", den eine Kundenzeitschrift von DocMorris unverändert übernehmen könnte.

Erst am 29. Juni 2006 hatte das Ministerium für Justiz, Gesundheit und Soziales als zuständige Behörde der DocMorris N. V. Voskoilenweg 131 b, 6416 AJ Heerlen, einer niederländischen Aktiengesellschaft, zum 1. Juli 2006 die Erlaubnis zum Betrieb einer Filialapotheke in Saar–brücken erteilt.

In der Presseerklärung behauptet der Minister, die Erteilung der Betriebserlaubnis sei rechtlich "unbedenklich", dies sei durch ein umfängliches europarechtliches Gutachten eines renommierten Rechtswissenschaftlers belegt, das sich intensiv mit dem Zusammenspiel von deutschem Apotheken- und Arzneimittelrecht mit europäischem Recht auseinandergesetzt habe. Selbstverständlich sieht der Minister wie jeder ordentliche deutsche Politiker Klagen gegen die erteilte Betriebserlaubnis "mit Ruhe und Gelassenheit" entgegen.

Es besteht aller Anlass, diese Ruhe und Gelassenheit nachdrücklich zu stören. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik setzt sich eine oberste Landesgesundheitsbehörde, die zugleich für den Vollzug des Apothekengesetzes zuständig ist, über das im Apothekengesetz eindeutig formulierte Verbot des Fremdbesitzes hinweg und erteilt einer ausländischen Aktiengesellschaft die Erlaubnis zum Betrieb einer (Filial-)Apotheke. Maßstab für die Entscheidung des Ministers waren nicht Recht und Gesetz, sondern ein professorales Rechtsgutachten, das wohl nicht kostenträchtig das Ministerium, sondern die Aktiengesellschaft als Antragsteller in Auftrag gegeben hat. Das Rechtsgutachten steht im erkennbaren Widerspruch zu der Rechtsüberzeugung und der Verwaltungspraxis (bisher) aller Bundesländer, aber auch zu etlichen Rechtsgutachten und Publikationen in der juristischen Literatur, die sich mit dem Verhältnis von deutschem Apothekenrecht und europäischem Recht qualifiziert beschäftigt haben. Offenbar hat der Minister die Absicht von DocMorris, mittelfristig 300 Arbeitsplätze zu schaffen, bereits als feste Zusage konsumiert und benebelt von dieser Perspektive eilfertig ein Rechtsgutachten zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Seine Entscheidung, eine Aktiengesellschaft als Betreiber einer deutschen Apotheke zuzulassen, stellt einen eklatanten Gesetzesverstoß durch einen amtierenden Minister dar, der in seinem Amtseid geschworen hat, Recht und Gesetz zu beachten.

Das Auftragsgutachten, das er erklärtermaßen anstelle des geltenden Gesetzes zur Rechtsgrundlage seiner Entscheidung gemacht hat, mag den Minister, der als Justizminister gewiss von Hause aus Jurist ist, positiv beeindruckt haben, weil das Gutachtenergebnis ihm scheinbar die Möglichkeit eröffnete, sich arbeitsmarktpolitisch zu profilieren. In diesem Falle hätte es dem Verfassungsgrundsatz bundesfreundlichen Verhaltens entsprochen, vor einer Entscheidung auf der Grundlage dieses Gutachtens und gegen das geltende Gesetz den Bund, in concreto: das Bundesministerium für Gesundheit sowie die Bundesländer, in concreto: die Gesundheitsminister der Länder bzw. die Gesundheitsministerkonferenz, zu konsultieren, deren Rechtsauffassung einzuholen und daran mitzuwirken, dass auch in Zukunft das Apothekengesetz in allen Bundesländern einheitlich interpretiert und angewendet wird. Dies wäre umso mehr geboten gewesen, als der Minister in seiner Presseerklärung seine Entscheidung nicht einmal für rechtlich zwingend, sondern lediglich als rechtlich unbedenklich bezeichnet hat. Die absichtsvolle Nicht-Information ist nicht nur ein politischer Affront gegenüber dem Bund und den Bundesländern, sondern muss zugleich als verantwortungsloser Umgang mit dem Apothekengesetz und den legitimen Interessen aller Apothekeninhaber gewertet werden. Die Apotheker haben sehr wohl zur Kenntnis genommen, dass in vielfältiger Weise das geltende System des Fremd- und Mehrbesitzverbotes politisch zur Disposition gestellt werden soll, sie konnten sich jedoch bisher darauf verlassen, dass gesetzliche Bestimmungen bundesweit und vollinhaltlich so lange für Verwaltung und Bürger verbindlich sind, bis sie vom Gesetzgeber geändert oder von Gerichten aufgehoben werden.

Dass verbindliche europäische Vorschriften gegebenenfalls nationales Recht verändern, ohne dass vorab der nationale Gesetzgeber diese Änderung formal beschlossen hat, hätte den Minister nicht daran gehindert, die Klärung eines potenziellen Spannungsverhältnisses zwischen Gesetz und Auftragsgutachten der saarländischen Verwaltungsgerichtsbarkeit zu überlassen. Diesen rechtsstaatlich vorgegebenen Weg ist der Minister nicht gegangen. Er hat sich über ein Bundesgesetz politisch robust und rechtspolitisch unsensibel ausschließlich auf der Grundlage eines Parteigutachtens hinweggesetzt und damit seine Verpflichtung zur Lo–yalität gegenüber Bundesrecht verletzt. Womöglich hat das Saarland auch gegen Vorschriften des Grundgesetzes verstoßen, weil es das Apothekengesetz als Bundesrecht in so genannter "Auftragsverwaltung" durchführt.

Könnte man sich ernsthaft vorstellen, dass ein französischer Minister unter Berufung auf ein Rechtsgutachten tragende Grundsätze des französischen Apothekenrechts aushebelt und für ihn unbeachtlich erklärt? Im Saarland hat der Gesundheitsminister in Teilzeit aber offenbar nichts zu befürchten, weil bereits sein Ministerpräsident Müller im Zusammenhang mit der politisch und wettbewerblich einseitigen Unterstützung des Projekts "industrielle Verblisterung" dem Vernehmen nach den unvergesslichen Satz geprägt hat: "Ein Ministerpräsident muss das Arzneimittelgesetz nicht kennen".

Mit seiner Nacht- und Nebelaktion hat sich der Minister nicht nur über das Apothekengesetz, sondern auch über das saarländische Kammergesetz hinweggesetzt, wonach die Apothekerkammer die zuständige Behörde in Fragen der Gesetzgebung und der Verwaltung zu beraten und zu unterstützen hat. Diese Verpflichtung der Kammer ist zugleich ihr Recht, vor einer Entscheidung, wie der Minister sie getroffen hat, gehört zu werden. Die Kammer wurde nicht gehört, womöglich nach dem bekannten Grundsatz "ich weiß schon, was Sie sagen werden, und das ist falsch". Was hat eine Kammer noch von ihrem aufsichtsführenden (!) Minister zu erwarten, wenn dieser schon mit Bundesrecht und Landesrecht so umgeht wie geschildert? Buchstäblich nichts!

Das Gutachten, das im Saarland offenbar an die Stelle des Apothekengesetzes getreten ist, geht gewiss nicht auf die Konsequenzen ein, die sich aus der folgsamen Entscheidung eines Landesministers für das Apothekenwesen im Saarland bzw. im übrigen Bundesgebiet ergeben (können). Eine solche rechtspolitische Vollständigkeit des Gutachtens hätte womöglich bewirkt, dass der Minister substanziell nachdenklich geworden wäre und seine Entscheidung noch einmal überdacht hätte.

Gewissermaßen im Sinne einer politischen Ersatzvornahme sollen diese Konsequenzen hier aufgezeigt werden, auch wenn der Verfasser sehr wohl die allfällige Befürchtung kennt, man dürfe keine schlafenden Hunde wecken. Die Hunde, die man da meinen könnte, schlafen nicht, sondern sind hellwach, auch dann, wenn sie nicht bellen, aber sehr wohl verstehen, ihre Interessen mit ministerieller Hilfe – Josef Hecken – oder mit publizistischer – Welt am Sonntag – vorzubereiten und durchzusetzen.

Weil der Minister seine Entscheidung für rechtens hält, wäre er formal gezwungen, jedem weiteren Antragsteller, der Inhaber einer Apotheke in einem EU-Mitgliedstaat ist, die Erlaubnis zum Betrieb einer Filial–apotheke zu erteilen; hierbei wäre es rechtlich unerheblich, ob dieser im Saarland lediglich eine Offizinapotheke klassischer Provenienz oder zugleich auch einen Versandhandel betreiben wollte. Auch deutsche Staatsangehörige oder deutsche Unternehmen könnten als Inhaber einer ausländischen Apotheke unter diesen Voraussetzungen eine Betriebserlaubnis erhalten. Mehr noch: Um dem rechtlichen Vorwurf einer Inländerdiskriminierung zu entgehen, wäre Josef Hecken womöglich auch verpflichtet, deutschen Personen oder deutschen Unternehmen eine Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke zu erteilen, die nicht Filialapotheke ist.

Lässt sich der Minister nicht davon überzeugen, dass er einen Einzelfall mit der Gefahr eines Flächenbrandes rechtswidrig entschieden hat, und zieht daraus Konsequenzen für die Behandlung weiterer Anträge auf Erteilung einer Betriebserlaubnis, bestünde die Gefahr eines nicht nur vereinzelten Fremdbesitzes an öffentlichen Apotheken im Saarland. Es wird nicht nur Aufgabe der Rechtsprechung sein, die Entscheidung des saarländischen Ministers zu korrigieren. Der Bund und alle Bundesländer sind in ungewöhnlicher Weise gefordert, darauf hinzuwirken, dass die bizarre Entscheidung des Ministers eine politische Episode bleibt. Sie dürfen rechthaberisches und eitles Festhalten an den angeblich gebotenen Konsequenzen des Rechtsgutachtens nicht dulden, ansonsten wäre dies mit unabsehbaren Konsequenzen für die Verwaltungspraxis in Deutschland und für den Fortbestand des geltenden Systems verbunden.

Josef Hecken (CDU) gehört dem Vernehmen nach der Kommission der Großen Koalition an, die an den Vorbereitungen für eine Gesundheitsreform beteiligt war oder noch ist. Dem Minister wäre in dieser Funktion durchaus die makabre Konsequenz zuzutrauen, eine Novellierung des Apothekengesetzes zu fordern, damit angeblich europäischem Recht genüge getan werde.

Man war es bisher gewöhnt, dass die Monopolkommission, der Sachverständigenrat für das Gesundheitswesen oder von den Bundestagsparteien insbesondere die Grünen die Liberalisierung des Apothekenwesens fordern. Die CDU hat bislang den Apotheken versichert, das Fremdbesitzverbot nicht zur Diskussion zu stellen. Seit dem 3. Juli ist die Partei mit der Frage konfrontiert, ob das noch gilt und Josef Hecken zurückgepfiffen wird, bevor er weiteres Unheil "ausheckt".

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