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ABDA-Präsident Wolf: Wir werden nie Ruhe haben (DAZ-Interview)

(diz). Die Eckpunkte der Gesundheitsreform liegen auf dem Tisch. Für Apotheker bedeuten sie Ų wenn sie denn so Gesetz würden Ų erzwungene Einsparungen von 500 Millionen Euro. Gleichzeitig fordert die Monopolkommission der Bundesregierung, Apothekenketten und Fremdbesitz zuzulassen und DocMorris eröffnet eine Filiale in Saarbrücken. Wir sprachen mit ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf über die berufspolitische Großwetterlage.

d:

Herr Wolf, die Koalition hat Eckpunkte zur Gesundheitsreform vorgelegt. Sie sind noch kein Gesetz, aber sie geben die Richtung vor, z. B. Höchstpreise bei Arzneimitteln, Einsparungen von 500 Mio. Euro durch Preisverhandlungen mit der Industrie, alternativ über erhöhte Kassenrabatte. Dazu kommen noch Neuerungen wie Auseinzeln, Veränderung bei der Rezepturberechnung. Lässt sich schon absehen, was solche Veränderungen für die Apotheke bedeuten, wenn sie denn kommen?

Wolf:

Das sind riesige Folterinstrumente. Es gibt offensichtlich noch Leute in der Politik, die glauben, wenn man die Apotheken in den Preiswettbewerb untereinander hetzt, dann sinken die Arzneipreise und das Gesundheitssystem wird schlagartig gesund. Genau das Gegenteil ist richtig. Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren auch die gegenteilige Richtung konsequent verfolgt. In unserem hoch regulierten System sind Versorgungsziele definiert worden, ist ein Wettbewerbsmodell entwickelt worden. Und in diesem Wettbewerbsmodell spielt der Heilberufler Apotheker seine Rolle als neutraler Berater und Anwalt des Verbrauchers.

d:

Woran machen Sie das fest?

Wolf:

Das kann man nachlesen, und zwar im GMG. Hier ist die Vergütung der Apotheker in einer ersten Stufe durch die neue Arzneimittelpreisverordnung konsequent vom Arzneipreis abgekoppelt worden. Das AVWG hat das gleiche Ziel noch verfeinert, indem es den Apotheker über das Verbot von Natural–rabatten fast völlig neutral gestellt hat, um dieses Versorgungsziel als Heilberufler Apotheker zu erreichen. Wenn jetzt aber der Apotheker den Preiswettbewerb aufnehmen soll, dann wäre dies genau das Gegenteil der bisher von der Politik verfolgten Strategie.

d:

Bleiben wir bei den Eckpunkten: Der Zwang, 500 Mio. Euro einzusparen, Herr Wolf, ist das nicht Erpressung?

Wolf:

Das ist nahe dran! Wir sollen über Verträge mit Industrie und Krankenkassen Preisvorteile in Höhe von 500 Mio. Euro erbringen. Wenn wir das nicht schaffen, dann werden uns die 500 Mio. Euro aus der Tasche gezogen. Aber unsere Vertragspartner werden nicht zu Verträgen mit uns verpflichtet. Da könnte es die völlig groteske Situation geben, dass die Krankenkasse gar keinen Vertrag mit den Apothekern machen will und nur darauf wartet, die 500 Millionen aus unserer Tasche zu holen. Das ist wirklich paradox.

d:

Gesetzt den Fall, so was würde tatsächlich Gesetz, und versucht man dies aus der Perspektive der Praxis zu sehen, erkennt man, dass nicht der einzelne Apotheker Verhandlungen mit den Herstellern führen kann. Müsste es dann nicht über Kollektivverträge durch die Landesapothekerverbände ausgehandelt werden?

Wolf:

Also, ich kann mir nicht vorstellen, dass so etwas Wirklichkeit wird, denn irgendwann kommt der Zeitpunkt, wo sich die Fachpolitiker mit dem Text befassen müssen, und die werden sehen, dass so etwas nicht funktionieren kann. Wenn man will, dass der Apotheker tatsächlich in die Rolle eines "Generalunternehmers" schlüpft, dann kann dies in der Tat nur kollektivvertraglich laufen. Nur so können Preise oder Rabatte ausgehandelt werden, alles andere können Sie vergessen. Denn vernünftige Rabatte bekommt man nur, wenn man eine vernünftige Nachfrage definiert. Und das kann der einzelne Apotheker doch gar nicht. Das bringt doch auch nichts für die Krankenkassen. Ich gehe davon aus, dieser Vorstoß wird schnell vergessen werden.

d:

Herr Wolf, welche Mittel stehen der ABDA zur Verfügung, um Einfluss auf die Eckpunkte zu nehmen, damit es nicht so weit kommt? Wie wollen Sie dagegen kämpfen?

Wolf:

Erst mal durch Wegfall unseres Sommerurlaubs. Zweitens durch intensive Gespräche mit Abgeordneten, Presse, Verbänden und durch gemeinsame Arbeit aller Apotheker. Sie können Einfluss nehmen, damit aus diesem Entwurf etwas sachlich Vernünftiges wird.

d:

Wollen wir es hoffen. Wenn Sie sich aber in der Pharmalandschaft umschauen, tauchen bereits neue Widrigkeiten auf, zum Beispiel das letzte Woche bekannt gewordene Votum der Monopolkommission der Bundesregierung, die Ketten, Fremdbesitz und Freigabe der OTCs außerhalb der Apotheke fordert und mehr Wettbewerb insgesamt. Ist das nicht eine gefährlich explosive Mischung, die sich da auftut?

Wolf:

Das passt ins Bild. Es gibt immer wieder Kräfte, auch wirtschaftliche Kräfte, die wollen das Arzneisortiment aus der Apotheke für sich haben. Große Konzerne sollen in die Arzneimittelversorgung eingebunden werden. Es ist ein Dauerthema, das von Zeit zu Zeit immer wieder hochgekocht wird. Wir müssen den Ball aufnehmen und anhand von Beispielen, Informationen und guten Argumenten sagen, dass solche Bestrebungen für unser Gesundheitssystem nur Nachteile bringen. Es gibt doch genug Beispiele, die das zeigen. In den USA sind die Arzneimittel doppelt so teuer und die Pro-Kopf-Ausgaben auch. Dort haben wir Wettbewerb der Apotheken untereinander, da gibt es Ketten – alles was sich so manche Politiker in einer Traumwelt vorstellen. Und wenn man nach Norwegen schaut: Dort hat man jetzt gerade diesen Traum des absoluten Wettbewerbs und des Fremdbesitzes verwirklicht. Die Preise sind natürlich nicht runter gegangen. Was ist also daraus geworden? Nichts!

d:

Ungeachtet dessen, für wie gefährlich man dieses Votum der Monopolkommission nimmt: Laufen derzeit nicht viele Initiativen auf den Fall des Fremdbesitzverbotes hin? Tauchen die Ketten schon am Horizont auf?

Wolf:

Nein, die marschieren immer wieder am Horizont vorbei. Stellen Sie sich vor, Sie sind in der Wüste und da marschieren am Horizont dauernd Kamel–karawanen vorbei – die kennen wir schon.

d:

Also, gelassen bleiben oder ernst nehmen?

Wolf:

Ernst nehmen, aber nicht hektisch werden.

d:

Es fällt schwer, ruhig zu bleiben, nachdem DocMorris in Deutschland seine erste Filiale eröffnet hat. Passt dies nicht auch ins Bild? Über einen Rechtsbruch soll hier deutsches Fremdbesitzverbot ausgehebelt werden. Was können wir dagegen tun?

Wolf:

Das ist schon bemerkenswert, dass hier gerade ein Unionsminister eine solche Genehmigung erteilt, die dem deutschen Recht nicht entspricht. Ich habe in einer Zeitungsmitteilung gelesen, dass er sich auf ein Gutachten beruft. Aber Gutachten interpretieren nur geltendes Recht und setzen kein neues Recht. Und das geltende Recht ist ganz eindeutig so, dass eine Betriebserlaubnis nur für einen approbierten Apotheker als Person erteilt werden darf – Punkt. Wir werden selbstverständlich Rechtsmittel dagegen einlegen.

d:

Möglicherweise ist das von DocMorris gewollt und provoziert bewusst einen Prozess, um ihn dann letztlich vor dem Europäischen Gerichtshof auszutragen in der Hoffnung, geltendes Recht in Deutschland zu Fall zu bringen?

Wolf:

Das kann ich mir vorstellen, aber trotzdem können wir gar nicht darauf verzichten, Rechtsmittel einzulegen, das geht nicht.

d:

Also doch düstere Aussichten?

Wolf:

Düstere nicht, aber keine Ruhepause.

d:

Auch die italienische Regierung will mehr Wettbewerb im Apothekenwesen. Auch dort sollen die OTCs in den Supermarkt und Ketten und Fremdbesitz zugelassen werden. Passt das nicht auch ins europäische Bild?

Wolf:

Ja, das passt ins europäische Bild. Aber das alles führt letztendlich zu einer Oligopoldiskussion. Das Aufheben oder Weglassen aller Regeln ruft sofort die großen internationalen Konzerne auf den Markt – bei Arzneimitteln wird es mit Sicherheit anders gehen als am Lebensmittelmarkt. Innerhalb kürzester Zeit würde der Apothekenmarkt aufgeteilt werden auf ein paar riesengroße Unternehmen, die dann die Preise nicht nach unten, sondern nach oben gehen lassen. Jeder, der das will, wäre mit dem Klammerbeutel gepudert.

d:

Eine Prognose, Herr Wolf: Hält das Fremd- und Mehrbesitzverbot in Deutschland oder sind Sie skeptisch?

Wolf:

Wir werden nie Ruhe haben, es wird ständig jemand mit dem Bohrer in der Hand rumlaufen und versuchen, da dran zu bohren. Wir werden ständig argumentieren und uns fragen, ob das hält oder nicht. Ich glaube es hält, weil es vernünftig ist, es zu halten.

d:

Vielen Dank, Herr Wolf, für das Gespräch.

Die Reform-Eckpunkte liegen vor. Von Apothekern werden Einsparungen von 500 Mio. Euro gefordert. Gleichzeitig drängt die Monopolkommission auf die Zulassung von Apothekenketten und DocMorris eröffnet eine deutsche Filiale. Wir sprachen mit ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf über die berufspolitische Großwetterlage.?

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