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Wie immer, wenn sich Politiker nächtelang zusammensetzen und um Fragen einer Gesundheitsreform ringen, kommt nichts Gutes dabei heraus. Das war 2003 bei der schon legendären Nacht von Ulla Schmidt und Horst Seehofer der Fall. Und das bahnt sich auch nach der Nacht vom letzten Wochenende an, die Angie mit ihren Koalitionären verbrachte. Sichtlich übermüdet und unter Erfolgsdruck einigte man sich auf ein Eckpunkte-Papier, das die Richtung vorgibt, wie das große Werk der Gesundheitsreform ausgestaltet werden soll. Details finden sich verständlicherweise noch nicht in dem 56-seitigen Papier, doch allein die Eckpunkte deuten darauf hin, dass sich einiges verändern wird in unserem Gesundheitswesen. Die Auswirkungen sind noch nicht abschätzbar.

Aus den Medien ist bereits bekannt: Der Gesundheitsfonds kommt, in den auch Steuergelder fließen sollen, aber von Steuererhöhungen zur Finanzierung der Gesundheitsleistungen bleiben wir – vorerst – verschont. Dafür sollen die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung um 0,5 Prozentpunkte steigen. Die Privaten Krankenkassen sollen erhalten bleiben, dürfen aber niemanden mehr ablehnen. Generell wird es in Zukunft für jeden eine Pflicht zur Versicherung geben.

Weniger öffentlich bekannt wurden dagegen die geplanten Änderungen im Bereich der Arzneimittelversorgung. Das Papier spricht sich hier grundsätzlich für mehr wettbewerbliche und verhaltenssteuernde Elemente aus. Das Novum: Die Arzneimittelpreisverordnung wird auf Höchstpreise umgestellt – Apotheken soll es dadurch ermöglicht werden, beim Bezug niedrigere Preise zu vereinbaren (bedeutet dies, dass wieder höhere Rabatte beim Bezug von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ausgehandelt werden dürfen?). Aber: Die Preisvorteile müssen die Apotheken dann an ihre Kunden weitergeben und mit den Krankenkassen abrechnen, sofern diese nicht bereits selbst günstigere Preisvereinbarungen abgeschlossen hat. Und ganz scharf: "Die Verträge von Apotheken für GKV-Arzneimittel sind gegenüber den Krankenkassen offen zu legen, damit eine angemessene Beteiligung der Kostenträger an Preisvorteilen erfolgt", heißt es im Eckpunkte-Papier. Die Koalition will damit einen wirtschaftlichen Anreiz für flächendeckende Preisverhandlungen setzen. Und wehe, wenn die Apotheker durch Preisvereinbarungen mit Krankenkassen nicht mindestens 500 Millionen Euro herausholen, dann, ja dann wird ihr Kassenrabatt von 2 Euro entsprechend erhöht. Das macht mächtig Druck auf die Apotheke – oh du schöne neue Apothekenzukunft. Der Apotheker ist als Einkäufer billiger rabattierter Arzneimittel gefragt. Die Preisschlachten werden kommen. Die Versender werden den Kassen Dumpingpreise bieten.

Doch damit nicht genug im Apothekenbereich. Neben zahlreichen kleineren Vorschlägen, wie im Arzneibereich auch bei Rezepturen und bei der Zytostatikaherstellung gespart werden kann, sind noch folgende Überlegungen aus dem Papier bemerkenswert: Die Auseinzelung von Tabletten soll den Apotheken erleichtert werden. Wie beispielsweise schon in den USA üblich, soll der Arzt die Möglichkeit erhalten, Einzelmengen von Tabletten zu verordnen. Die Apotheke soll diese Mengen dann aus Großpackungen mit unverblisterten bzw. einzeln verpackten Tabletten (Bulkware) abfüllen dürfen. Da können wir schon mal den amerikanischen Kolleginnen und Kollegen über die Schulter gucken: Abfüllen von Einzeltabletten bedeutet Vorratshaltung von Bulkware, Vorrichtungen zum Dispensieren der einzelnen Tabletten, Kosten für Abfüllgefäße, Etiketten und Ausdrucke von Gebrauchsanweisungen, aufwändiges Taxieren – alles in allem eine personal- und zeitintensive Angelegenheit. Wer trägt dafür die Kosten?

Dass man selbst im Kleinen noch Einsparungen sucht, zeigt die für mich bizarre Überlegung der Koalitionäre, die Rückgabe und Wiederausgabe nicht verbrauchter Arzneimittel zuzulassen. Landarzt Berendes lässt grüßen! (Sie erinnern sich? Das ist der Hausarzt, der an seine Patienten die alten zurückgebrachten Packungen weitergab.) Jetzt sieht das Papier vor, dass Gemeinschaftseinrichtungen wie zum Beispiel Hospize und Pflegeheime, die Arzneimittel zentral bevorraten, nicht genutzte Präparate an andere Patienten abgeben dürfen. Second-Hand-Arzneimittel im Pflegeheim?

DocMorris nicht mehr ante portas, sondern intra muros. Während in Berlin die Reform ausgepokert wird, schafft die niederländische Versandapotheke DocMorris am Rande der Republik Fakten und eröffnet in Saarbrücken im Saarland eine Niederlassung. Man wolle im deutschen Gesundheitssystem stärker verankert sein, lässt DocMorris-Chef Däinghaus die Öffentlichkeit wissen. Die ehemals unter Rats-Apotheke firmierende Apotheke wird "von der Vorbesitzerin, einer fachkundigen Apothekerin", geführt, heißt es in der Pressemitteilung. Liegt hier nicht ein Verstoß gegen das Fremdbesitzverbot vor? Für das Ministerium, das dieses Konstrukt absegnete, ist DocMorris "ein Glücksfall" wegen rund 300 erwarteter Arbeitsplätze. Kann man dafür schon mal Recht beugen? Juristische Auseinandersetzungen werden erwartet.

Peter Ditzel

Mächtig Druck auf die Apotheken

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