Arzneimittel und Therapie

Glykogenose Typ II: Enzymersatztherapie für Morbus Pompe

Patienten mit der seltenen lysosomalen Speicherkrankheit Glykogenose Typ II (Morbus Pompe) konnten bisher nur symptomatisch behandelt werden. Seit März dieses Jahres steht mit dem Orphan Drug Myozyme® erstmalig eine spezifische Enzymersatztherapie zur Verfügung.

Morbus Pompe wurde erstmals im Jahre 1932 vom niederländischen Arzt Dr. Johann Casanius Pompe beschrieben. Es handelt sich um eine autosomal rezessiv vererbte Erkrankung, bei der ein Gendefekt zum Fehlen oder zu einem Mangel an saurer alpha-1,4-Glukosidase führt. Dieses Enzym ist in den Lysosomen verschiedenster Gewebe für den Glykogen-Abbau zuständig. Bei fehlender oder mangelnder Aktivität kommt es zur exzessiven Anhäufung von Glykogen und dadurch zur Störung der normalen Zellfunktion und zum Zelluntergang. Herzmuskelzellen und periphere Muskelzellen sind dabei in der Regel am schwersten betroffen.

Infantile Form: Tod bereits im ersten Lebensjahr

Bei der infantiler Verlaufsform der Erkrankung (infantile-onset) fallen die Kinder bereits in den ersten Lebensmonaten durch Trinkschwäche, Muskelhypotonie, motorische Entwicklungsverzögerung und Herzvergrößerung auf. Eine rasch fortschreitende Herz- und Atemmuskelschwäche führt meist vor Ende des ersten Lebensjahres zum Tod. In einer Studie mit 116 Patienten mit infantiler Verlaufsform lag die Lebenserwartung im Mittel bei 8,7 Monaten. Bei der späten Verlaufsform der Erkrankung ("late-onset") können die Symptome jederzeit während der Kindheit, der Pubertät oder im Erwachsenenalter auftreten. Das klinische Bild ist vor allem durch eine ausgeprägte progrediente Muskelschwäche und Kräfteverfall gekennzeichnet, das Herz ist in den meisten Fällen nicht betroffen. Zu Beginn treten meist relativ un–spezifische Symptome wie morgendliche Kopfschmerzen, Rückenschmerzen Schluckbeschwerden oder Tagesschläfrigkeit auf. Im fortgeschrittenen Krankheitsstadium benötigen die Patienten eine nicht-invasive oder invasive Beatmung und werden rollstuhlpflichtig. Die Lebenserwartung ist verkürzt; zum Tod kommt es meist durch ein respiratorisches Versagen.

Unspezifische Symptome erschweren Diagnostik

Bei Verdacht auf Morbus Pompe kann die Restaktivität der sauren alpha-1,4-Glukosidase in Fibroblasten, Muskelgewebe oder Lymphozyten bestimmt werden. Sie ist sehr niedrig bzw. bei er infantilen Verlaufsform kaum messbar. Häufig finden sich außerdem erhöhte Werte für GOT und GPT sowie – bedingt durch die Muskeldystrophie – erhöhte Kreatinkinase-Werte. Bei einer Muskelbiopsie findet man vakuoläre Glykogen-Einlagerungen. Im Röntgenbild ist eine Kardio–megalie, bei einer Echokardiographie eine Kardiomyopathie erkennbar.

Bei Krankheitsmanifestation im Jugend- oder Erwachsenenalter ist die Diagnostik aufgrund der zunächst recht unspezifischen Symptome weitaus schwieriger als bei Säuglingen. Da die Erkrankung wegen ihrer Seltenheit (weltweit sind weniger als 10 000 Menschen betroffen, in Deutschland sind zurzeit rund 100 Patienten bekannt) auch in Fachkreisen relativ unbekannt ist, haben viele Morbus Pompe-Patienten eine Odyssee von Arzt zu Arzt hinter sich, ehe sie die richtige Diagnose erhalten.

Effektivität in Studien belegt

Die Zulassung von Myozyme® basiert auf mehreren Studien für beide Morbus Pompe-Verlaufsformen, die wegen der Seltenheit der Erkrankung jeweils nur wenige Patienten umfassten. Beispielsweise wurden in eine randomisierte offene klinische Studie 18 nicht beatmungspflichtige Patienten mit infantiler Verlaufsform (Alter bei Behandlungsbeginn sechs Monate oder jünger) eingeschlossen, wobei aus ethischen Gründen eine historischer Kontrollgruppe verwendet worden war. Primärer Endpunkt war der Zeitraum zwischen Diagnose und Auftreten eines Ereignisses (Tod und/oder invasive Beatmung). Nach einem Beobachtungszeitraum von einem Jahr lebten noch alle 18 Patienten der Studie, 83% von ihnen kamen ohne künstliche Beatmung aus. Auch in anderen klinischen Studien hatte sich bereits nach wenigen Behandlungsmonaten deutliche Verbesserungen der respiratorischen, kardialen und motorischen Funktionen der Patienten gezeigt. Bei rechtzeitigem Therapiebeginn mit Myozyme® konnten vormals schwer behinderte Patienten den Rollstuhl verlassen und benötigten keine künstliche Beatmung mehr.

Die Mehrzahl der bisher unter der Therapie beobachteten Nebenwirkungen waren leicht oder mäßig ausgeprägt und traten meist am Tag der Infusion auf. Eine vorläufige Datenanalyse aus einer klinischen Studie zeigt, dass 44% der Patienten Reaktionen im Zusammenhang mit der Infusion entwickelten, bei 83 Prozent von ihnen kam es zur Bildung von Antikörpern gegen das Enzym.

Patienten mit der seltenen lysosomalen Speicherkrankheit Glykogenose Typ II (Morbus Pompe) konnten bisher nur symptomatisch behandelt werden. Seit März dieses Jahres steht mit dem Orphan Drug Myozyme® erstmalig eine spezifische Enzymersatztherapie zur Verfügung.

Myozyme®

  • weltweit erste zugelassene spezifische Enzymersatztherapie zur Behandlung der Glykogenose Typ II (Morbus Pompe)
  • Wirkstoff: Alglucosidase-alfa (humane alpha-1,4-Glukosidase)
  • gentechnisch in Ovarialzellen Chinesischer Hamster (CHO-Zellen) hergestellt
  • zugelassen seit 29. März 2006 (Orphan-drug-Status)
  • Applikation alle zwei Wochen per Infusion
  • Vertrieb in Deutschland: Genzyme GmbH

Selbsthilfegruppe für Morbus Pompe

Die deutsche Pompe Gruppe (www.glykogenose.de) ist eine Abteilung der Selbsthilfegruppe Glykogenose Deutschland e.V.. Sie ist international mit anderen Patientenorganisationen vernetzt und trägt in vielfältiger Weise zur Unterstützung der deutschsprachigen Patienten sowie darüber hinaus zur Aufklärung der Fachkreise bei.

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