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Noch bis vor wenigen Tagen war es nicht klar, ob Generikahersteller auf das Spargesetz AVWG reagieren und wie weit sie die Preise absenken werden. Man konnte nur vermuten, dass sie wohl aus Wettbewerbsgründen dem Patienten eine Aufzahlung (also die Differenz zwischen über einem Festpreis liegenden Generikapreis und dem neuen Festpreis) ersparen werden.

Am 24. Mai trafen dann die Faxe und E-Mails ein, mit denen die großen Generikahersteller im Land nahezu unisono ankündigten, die Preise für ihre Produkte zu senken. Erdrutschartig – eine echte Talfahrt. Ulla Schmidt triumphiert, das AVWG zeigt seine Wirkungen, ein erster Erfolg für die Arzneimittelsparpolitik der Regierung. So wird es ab 1. Juni bzw. ab 1. Juli (hier liegen die Hersteller ein wenig auseinander) niedrigere Preise für die meisten Generika geben. Und jedes Unternehmen rühmt sich, die Preise am weitesten abgesenkt zu haben. Bei Hexal (zum Novartis-Konzern gehörend) heißt es zum Beispiel: "Damit liegen die Preise des Unternehmens im niedrigsten Bereich der gesamten Branche." Sandoz (ebenfalls ein Novartis-Unternehmen) formuliert: "Sandoz senkt zum 1. Juni 2006 bei 270 Präparaten das Preisniveau auf das niedrigste Level der gesamten Generikabranche." Und Ratiopharm meldet: "Im Sinne der Patienten wird Ratiopharm die Preise, wo dies gesetzlich möglich ist, auf ein besonders niedriges Preisniveau absenken." Die Stada zog am 30. Mai nach und nicht zu gering: "Voraussichtlich werden über 550 Apothekenverkaufspreise bei über 110 Wirkstoffen in der Spitze um über 50% gesenkt", heißt es in der Pressemitteilung. Und im Gegensatz zu den anderen Generikaherstellern machte das Unternehmen deutlich, dass über 140 Artikel aus dem Stadapharm-Sortiment für gesetzlich Versicherte zuzahlungsfrei bleiben werden, da die Preise auf 30% unter Festbetrag gesenkt werden.

Also, merke: Generikapreise sind in wenigen Tagen im niedrigsten Bereich, auf dem niedrigsten Level, auf einem besonders niedrigen Preisniveau – Sie können es sich aussuchen und die Ärzte auch, von wem sie dann Generika verordnen. Stada scheint mit der Preisabsenkung 30% unter Festbetrag am weitesten vorgeprescht zu sein – da werden wohl andere nachziehen (müssen). Es erinnert ein bisschen an die Spritpreise der Ölmultis, allerdings mit anderen Vorzeichen.

Keine Frage, für die Krankenkassen bedeutet das in der Tat eine Entlastung ganz so, wie es sich die Politik wünschte. Für Ärzte wird es im Prinzip egal sein, was sie verordnen – am besten wäre es, sie überlassen dem Apotheker die Aut-idem-Auswahl. Und wir Apotheker können dem Preissenkungskarussell eigentlich gelassen zusehen – unsere feste Marge von 8,10 Euro verhindert erst mal Schlimmeres. Allerdings wird uns als Apotheker die massive Preissenkungswelle auch deutlich treffen – indirekt. Denn diese zum Teil beträchtlichen Preissenkungen werden die Generikahersteller nicht einfach so generieren und nicht aus der Portokasse bestreiten können. Der Wegfall der Naturalrabatte und die nicht mehr erlaubten dicken Barrabatte bei verschreibungspflichtigen Präparaten schaffen sichtlich Luft, um Preise auf das neue Festbetragsniveau oder darunter abzusenken. Genauso war es von der Politik und den Kassen gewollt.

Als nächstes darf man gespannt sein (der Wettbewerb wird’s richten), wie viele Hersteller neben Stada letztlich einige ihrer Präparate unter die Zuzahlungsbefreiungsgrenze senken werden, die 30 Prozent unter den neuen ab 1. Juli gültigen Festbeträgen liegen wird. Die Spitzenverbände der Krankenkassen hatten Anfang Mai den Beschluss gefasst, für Arzneimittel aus 79 Festbetragsgruppen der Stufe 1 (Arzneimittel mit denselben Wirkstoffen) solche Zuzahlungsbefreiungsgrenzen festzulegen. Damit wird es für die Patienten erst richtig interessant: Bei der Verordnung solcher supergünstigen Generika sparen sie die Rezeptzuzahlung. Und der Hersteller spart den fälligen zehnprozentigen Abschlag an die Kassen. Da frage ich mich nur, ob diese Hürde (30% unter Festbetrag) dann auch kleinere Generikafirmen schaffen.

Ein positiver Nebeneffekt für Apotheken: Niederländische Versandapotheken, die mit dem Verzicht auf die Rezeptgebühr werben, werden für den Patienten weniger interessant, denn auch in seiner deutschen Präsenz–apotheke muss er dafür dann keine Zuzahlung leisten. Wenn diese Möglichkeit stärker in der Tagespresse kommuniziert wird, werden die Patienten den Arzt danach fragen und in der Apotheke wissen wollen, bei welchen Arzneimitteln ein Verzicht auf die Rezeptgebühr möglich ist.

Wenn Sie schon heute wissen wollen, wo die neuen –Festbeträge bei den einzelnen Arzneistoffgruppen und –Packungen liegen, besuchen Sie die Seite der Betriebskrankenkassen (www.bkk.de/arzneimittel-festbetraege). Dort finden Sie die Listen der neuen Festbeträge aller Stoffe und Packungsgrößen. Deutschland ist zum Billigland der Generika geworden. Mich würde es nicht wundern, wenn in Kürze Arzneimittelimporteure von Portugal oder Griechenland ihren Bedarf auf dem deutschen Markt decken.

Peter Ditzel

Erdrutsch

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