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Struck droht mit neuen Eingriffen im Pharmabereich

BERLIN (ks). Die Verhandlungen zur großen Gesundheitsreform verlaufen offenbar nicht ganz so harmonisch, wie es sich die Teilnehmer gewünscht hätten. Obwohl man den eigentlichen Knackpunkt Ų die Finanzreform Ų erst im Juni anpacken will, soll die Stimmung schon jetzt an einem Tiefpunkt sein. So ärgert man sich über allzu redselige Teilnehmer der Arbeitsgruppe und verschiebt vereinbarte Treffen. Am Wochenende sorgte SPD-Fraktionschef Peter Struck für Wirbel: In "Bild am Sonntag" kündigte er kräftige Einsparungen bei Ärzten, Apothekern und Arzneimittelherstellern an.

Auch Struck ist überzeugt, dass aus dem Arzneimittelsektor noch einiges herauszuholen ist. "Die Kosten für Arzneimittel müssen runter", lautet seine Forderung. Doch dazu müsse man sich zunächst durch die starke Gesundheitslobby kämpfen. SPD und Union müssten hier standhaft bleiben und ihre Beschlüsse durchsetzen. "Die Koalition muss Mut vor Fürstenthronen beweisen", erklärte Struck. Der SPD-Fraktionschef rechnet mit einem Proteststurm von Ärzten, Apothekern und Pharmaindustrie, "weil wir gewachsene Besitzstände und Pfründe angreifen werden". Die Union forderte er auf, bei den bevorstehenden Kürzungen mitzuziehen. Was die Finanzseite der Reform betrifft, so ist Struck zurückhaltender; dem Fondsmodell seines Unionskollegen Volker Kauder kann er nicht allzu viel abgewinnen: "Wir wollen erst über Einsparungen reden, bevor wir über Handlungsbedarf bei den Einnahmen reden", stellte er klar. Erst einmal müsse "der Speck im System konsequent abgebaut werden".

Industrie: Konzeptionslose Gesundheitspolitik

Bei der pharmazeutischen Industrie sorgen die Ankündigungen des SPD-Politikers für Unmut: Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), hielt Struck vor, nur von der Schwierigkeit ablenken zu wollen, "endlich eine Strukturreform für das Gesundheitswesen auf die Beine zu stellen, die ihren Namen verdient". Sie betonte, dass die Hälfte aller Verordnungen unterbunden werden müssten, wenn man den Beitragssatz der Krankenkassen durch Änderungen bei den Arzneimittelausgaben um nur einen Prozentpunkt senken wolle – für Yzer eine "medizinisch indiskutable Maßnahme". Die neuerlichen Mehrausgaben der Kassen für Arzneimittel seien "im Interesse einer hochwertigen Patientenversorgung dringend not–wendig". Henning Fahrenkamp, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI), hielt der Regierung vor, gerade erst die Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Rücknahme des 2004 eingeführten Ausgleichs für versicherungsfremde Leistungen beschlossen zu haben. "Jetzt an der medizinischen Versorgung mit Arzneimittel sparen zu wollen, um die bewusst herbeigeführte Kostensteigerung wieder zu kompensieren, ist Ausdruck einer konzeptionslosen Gesundheitspolitik", so Fahrenkamp.

Ärzte: Tagespolitik ohne jeden Verstand

Auch die Ärzte wehren sich gegen die Sparpläne der Bundesregierung. Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, kritisierte die angekündigten Kürzungen als "Tagespolitik ohne jeden Verstand". Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Andreas Köhler erklärte, dass eine gute Versorgung der Patienten schon "unter den herrschenden Bedingungen" nicht mehr möglich sei. Sein Vorstands-Kollege Ulrich Weigeldt wies die Behauptung zurück, Ärzte sorgten in Deutschland für überhöhte Arzneimittelkosten. Die Versorgungskosten lägen vielmehr im europäischen Durchschnitt, die Steigerungsraten seien dem medizinischen Fortschritt geschuldet. Durch Sparen allein sei das System nicht zu sanieren, betonte Weigeldt.

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