Arzneimittel und Therapie

"Pille danach": Unbefriedigende Versorgungslage

Seit Jahren wird die problematische Versorgung mit Levonorgestrelhaltigen Notfallkontrazeptiva in Deutschland angeprangert. Im Gegensatz zu vielen europäischen Ländern ist die "Pille danach" in Deutschland nach wie vor nur gegen Rezept zu erhalten. Der zuständige Sachverständigenausschuss des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat sich schon 2003 für eine Entlassung von Levonorgestrel-haltigen Präparaten zur Notfallkontrazeption aus der Verschreibungspflicht ausgesprochen.

Bislang wurde allerdings vom Bundesministerium für Gesundheit, dem zuständigen Verordnungsgeber, keine Verordnungsänderung auf den Weg gebracht.

Auf Nachfrage erklärte das Bundesministerium für Gesundheit, dass die Entlassung Levonorgestrel-haltiger Arzneimittel zur hormonellen Postkoitalverhütung aus der Verschreibungspflicht derzeit nicht in Aussicht genommen sei, da nicht mit der erforderlichen Zustimmung des Bundesrates zu rechnen ist.

Die Freigabe Levonorgestrel-haltiger Kontrazeptiva ist heftig umstritten. Gegner sehen in der Einnahme der "Pille danach" nicht nur die Gefahr von gesundheitlichen Risiken für die Frau, sondern haben vor allem moralische Bedenken. So wird immer wieder darauf hingewiesen, dass im Falle einer stattgefundenen Befruchtung durch die "Pille danach" eine Abtreibung im frühesten Stadium ausgelöst würde. Was bewirken Gestagene, wenn sie nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden?

Was bewirkt die "Pille danach"?

Zu den wichtigsten physiologischen Aufgaben der Gestagene zählt der Schutz einer Schwangerschaft. Nach dem Eisprung wird verstärkt Progesteron vom Gelbkörper gebildet und wandelt die Uterusschleimhaut in ein sekretionsfähiges, für die Einbettung des befruchteten Eis geeignetes Epithel um. Das Bindegewebe wird gelockert, die Durchblutung gefördert. Vor dem Eisprung ist die Konzentration von Progesteron sehr gering. Eine hohe Progesteronkonzentrationen vor der Ovulation hemmt die LH-Sekretion der Hypophyse und damit die Ovulation.

Sollte noch keine Ovulation stattgefunden haben, kann ein Levonorgestrel-haltiges Präparat postkoital eingenommen die Ovulation unterdrücken und damit eine Befruchtung verhindern. Umstritten ist, ob die "Pille danach" durch Hemmung der Eileiterbeweglichkeit den Transport eines befruchteten Eis verzögern und damit dessen Einnistung in die Gebärmutterschleimhaut unterbinden kann. Das hätte das Absterben des befruchteten Eis zur Folge und wird insbesondere von Abtreibungsgegnern als Abtreibung im Frühstadium gewertet. Der wissenschaftliche Nachweis für diese Hypothese steht jedoch aus. Hat sich das befruchtete Ei schon in die Gebärmutterschleimhaut eingenistet, dann kann eine Schwangerschaft durch die "Pille danach" nicht mehr verhindert werden. Sie ist in diesem Fall wirkungslos. In jedem Fall wirkt die Pille um so zuverlässiger, je früher sie nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen wird.

Versorgungslage durch Entlassung aus der Rezeptpflicht verbessern

Untersuchungen haben ergeben, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht ein ungeschützter Geschlechtsverkehr sondern eine Verhütungspanne (Kondom gerissen, Pille vergessen) die Einnahme der "Pille danach" notwendig machte.

Seit Jahren setzt sich der pro familia Bundesverband für eine verbesserte Versorgung von in Notsituationen geratene Frauen und Mädchen mit der "Pille danach" ein (siehe Stellungnahme). Im Zentrum der Kritik steht die Rezeptpflicht. Oft würde es zu lange dauern, bis die Frauen einen Termin bei ihrem Gynäkologen erhielten. Die Versorgung am Wochenende und in der Nacht in Notarztzentralen und Krankenhausambulanzen führe zu weiteren Problemen. Es sei nicht selten, dass die Verordnung verweigert würde, beispielsweise aus Kostengründen oder wegen moralischer Vorbehalte. Ärzte, die nicht mit dem Fachgebiet der Gynäkologie vertraut sind, seien schnell überfordert. Auch lasse die Vorratshaltung in Apotheken zu wünschen übrig. Oft müssten Frauen mehrere Apotheken aufsuchen, um ihr Rezept einlösen zu können. Mit der Entlassung der "Pille danach" aus der Verschreibungspflicht ist nach Ansicht von pro familia, aber auch der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtsmedizin, die Versorgungssituation zu verbessern, Schwangerschaftsabbrüche ließen sich so vermeiden. Thonke, I.: Hindernisse in der Versorgung – Hormonelle Nachverhütung mit der "Pille danach". pro familia magazin 2, 2006 Fachinformation unofem® 1,5 mg Tabletten (Stand: April 2006). Fachinformation Levogynon® 750 Mikrogramm Tablette (Stand: Juni 2004). Levonorgestrel for Emergency Contraception. UNDP-UNFPA-WHO-World Bank: Special Programm of Research, Development and Research Training in Human Reproduction. Fact Sheet, März 2005.

Unklare Wirkungsweise

In Deutschland zugelassen zur Indikation Notfallkontrazeption innerhalb von 72 Stunden nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr oder im Fall des Versagens einer Kontrazeptionsmethode sind die Levonorgestrel-haltigen Präparate Levogynon® 750 Mikrogramm Tabletten (Schering) und unofem® 1,5 mg Tabletten (Hexal). Die genaue Wirkungsweise von Levonorgestrel ist nicht bekannt. Es wird angenommen, dass Levonorgestrel bei dem verwendeten Dosierungsschema die Ovulation unterdrückt und somit eine Befruchtung verhindert, wenn der Geschlechtsverkehr in der präovulatorischen Phase stattgefunden hat, in der die Wahrscheinlichkeit einer Befruchtung am höchsten ist. Es könnte ebenfalls die Implantation verhindern. Es ist nicht wirksam, wenn der Implantationsprozess begonnen hat. Studien haben ergeben, dass 1,5 mg Levonorgestrel 85% der erwarteten Schwangerschaften verhindert. Die Wirksamkeit scheint mit der seit dem Geschlechtsverkehr vergangenen Zeit abzunehmen (95% innerhalb von 24 Stunden, 85% innerhalb von 24 bis 48 Stunden, 58% bei Anwendung innerhalb von 48 bis 72 Stunden). Die Wirksamkeit bei einer Anwendung nach mehr als 72 Stunden ist nicht bekannt.

Quelle: Fachinformationen unofem® 1,5 mg Tabletten (Stand: April 2006).

Notfallkontrazeption verhindert Schwangerschaft nicht in jedem Fall

Notfallkontrazeption stellt eine vereinzelt anzuwendende Methode dar. Sie sollte unter keinen Umständen eine regelmäßige Kontrazeptionsmethode ersetzen.

Notfallkontrazeption verhindert das Eintreten einer Schwangerschaft nicht in jedem Fall, insbesondere wenn Unsicherheit über den Zeitpunkt des ungeschützten Geschlechtsverkehrs besteht. Im Zweifelsfall (Menstruationsblutungen um mehr als fünf Tage verspätet oder abnorme Blutung zum erwarteten Zeitpunkt der Menstruationsblutungen, Symptome einer Schwangerschaft) ist es unerlässlich, eine Schwangerschaft mit Hilfe eines Schwangerschaftstests auszuschließen.

Quelle: Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung. Fachinformation unofem® 1,5 mg Tabletten (Stand: April 2006).

Sichere und verträgliche Nachverhütung

Nicht nur mit Gestagenen alleine sondern auch mit hohen Östrogendosen und mit Östrogen/Gestagen-Kombinationen (Yuzpe-Methode) lässt sich nach einem ungeschützten Geschlechtsverkehr eine Schwangerschaft verhüten. 1985 wurde in Deutschland erstmals mit Tetragynon® ein Östrogen/Gestagen-haltiges Präparat zur Nachverhütung zugelassen, es folgte im Jahr 2000 duofem®, ein Levonorgestrel-haltiges Präparat, das sich im Vergleich zu Tetragynon® durch eine bessere Verträglichkeit und Sicherheit auszeichnete. duofem® (zwei Tabletten mit je 750 µg Levonorgestrel) wurde vor kurzem durch unofem® (eine Tablette mit 1,5 mg Levonorgestrel) ersetzt. Kontraindikationen werden für Levonorgestrel-haltige Präparate nicht aufgeführt. Ernste Nebenwirkungen sind nicht bekannt. Frauen, die im Rahmen einer Studie sechs Monate lang 1,5 mg Levonorgestrel postkoital als einziges Verhütungsmittel angewendet hatten, berichteten über Menstruationsstörungen (70%), Brustspannen, Schwindel und Kopfschmerzen.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.