Arzneimittel und Therapie

Internationale Kopfschmerz-Gesellschaft: Kopfschmerzen besser verstehen

Beim diesjährigen Kongress der Internationalen Kopfschmerz-Gesellschaft vermittelten namhafte Referenten aktuelle Informationen zur Entstehung, Behandlung und Vorbeugung von Kopfschmerzen in einem Themenspektrum, das von der Pharmakogenetik bis zu aktuellen Therapieoptionen und epidemiologischen Erhebungen reichte.

Kopfschmerzen sind einer der häufigsten Gründe für den Apothekenbesuch. Aber nicht nur Apothekenkunden, sondern auch viele Apotheker und Apothekerinnen und ihre Mitarbeiter leiden unter Spannungskopfschmerzen, Migräne oder einer der ca. 300 anderen Kopfschmerzarten. Dem Ziel, die Kopfschmerzen zu verstehen und sie damit behandeln und vorbeugen zu lernen, stellten sich die Mitglieder der Internationalen Kopfschmerz-Gesellschaft IHS (International Headache Society). Ihr Motto: "Believe in Headache Relief".

Kopfschmerzforschung beginnt im Genom

Pharmakogenetik beschäftigt sich nicht nur mit der Auswirkung einzelner Gene auf Arzneimittelwirkungen, sondern vielmehr mit dem Effekt aller Gene des menschlichen Genoms auf Arzneistoffe. Bekanntestes Beispiel ist hier das Cytochrom-System, in dem genetische Polymorphismen über eine über- oder unterdurchschnittliche Verstoffwechslung (high bzw. poor metabolizer) von Arzneistoffen und damit deren Wirksamkeit und Verträglichkeit mit entscheiden. Im Fokus der Aufmerksamkeit standen während der letzten 25 Jahre genetische Polymorphismen in der Cytochrom-P450-abhängigen Oxydation von Arzneistoffen.

Solche Polymorphismen liegen nicht in allen Populationen mit gleicher Häufigkeitsverteilung vor. Ethnische Unterschiede in genetischen Polymorphismen und deren therapeutische Implikationen waren daher Gegenstand des Vortrags von Professor Takahashi Ishizaki. Er führte aus, dass ethnische Unterschiede in der Häufigkeit "poor metabolizer" therapeutische Konsequenzen nach sich ziehen sollten. Jedoch fehlen hier bislang noch geeignete Studien. Da aber einige häufig in der Kopfschmerztherapie eingesetzte Wirkstoffe, z.B. Codein, Sumatriptan, Rizatriptan, über pharmakogenetisch definierte Enzyme metabolisiert werden, sind solche Studien von hohem therapeutischem Interesse.

Placebo: Schein(medikament) und Sein

Gegenstand der IHS-Vorlesung war der aktuelle Kenntnisstand zu Wirkungen und Nebenwirkungen von Placebo in klinischen Studien. Professor Diener zeigte anhand umfangreicher placebokontrollierter klinischer Studien, dass Placebo nicht nur wirksam ist (im Mittel reagieren ca. 20 bis 30% der Patienten in einer klinischen Kopfschmerzstudie positiv auf Placebo), sondern dass dieser Placebo-Effekt auch von einer Reihe von Faktoren abhängig ist:

  • Darreichungsform: subkutan verabreichtes Placebo wirkt stärker als oral verabreichtes.
  • kultureller Hintergrund: Placebo-Antwort ist in den USA und Südeuropa größer als in Nordeuropa.
  • Alter der Patienten: Kinder und Jugendliche reagieren sehr viel stärker als Erwachsene auf Placebo.

Dabei kann eine Placebo-Antwort über sechs bis neun Monate anhalten, und wird in akuten Interventionsstudien ebenso beobachtet wie in langfristigen Präventionsstudien.

Ebenso wie Verum kann auch Placebo unerwünschte Effekte hervorrufen. So löste Placebo in einer Studie mit Patienten mit Angststörungen bei jedem Fünften Kopfschmerzen aus. Solche Nebenwirkungen scheinen stark von den Informationen zu bekannten Nebenwirkungen des Verum abhängig zu sein: In einer Studie zur Migräneprophylaxe mit Gewichtszunahme als möglicher Nebenwirkung reagierten die Patienten schon während der Placebo-run in-Phase mit deutlicher Gewichtszunahme. Untersuchungen mittels PET und fMRT deuten darauf hin, dass Placebo ähnliche Hirnstrukturen aktiviert wie Opioide.

Neue Therapieansätze bei Migräne

Prof. Dr. Meßlinger (Nürnberg) stellte die Ergebnisse neuer tierexperimenteller Untersuchungen zu CGRP-Antagonisten (z.B. der Forschungssubstanz BIBN4096BS von Boehringer Ingelheim) vor. Ziel der Forscher ist es, ein Medikament zu entwickeln, das zuverlässig und lange anhaltend Migränekopfschmerzen auch nach dem unmittelbaren Attackenbeginn bekämpfen kann. Die Entwicklung der CGRP-Antagonisten scheint ein Erfolg versprechender Ansatz zu sein.

Bei Kopfschmerzen können neben Schmerzsignalen auch entzündliche Prozesse eine entscheidende Rolle spielen. Eine Pharmakotherapie, die sowohl gegen den Schmerz als auch gegen die Entzündung gerichtet ist, wird daher einer konventionellen Monotherapie überlegen sein. Die Arbeitsgruppe um Jan L. Brandes (USA) stellte in diesem Zusammenhang die Ergebnisse einer Studie vor, in der die Kombination eines Triptans (Sumatriptan) und eines nicht-steroidalen Antirheumatikums (Naproxen) gegenüber den Einzelsubstanzen verglichen wurde. Die Kombination war dabei sowohl in der Zahl der Responder als auch in der Dauer der Schmerzfreiheit den Monotherapien überlegen.

Zu demselben Ergebnis kam eine groß angelegte doppelblinde, randomisierte, placebokontrollierte klinische Studie im Parallelgruppen-Design, in der die Wirksamkeit der Kombination aus Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Coffein gegenüber der coffeinfreien Kombination aus ASS und Paracetamol sowie den Einzelsubstanzen und Placebo verglichen wurde. Prof. Dr. Diener (Essen) stellte diese Studie als "oral poster presentation" vor. Neben Coffein und Placebo verglich die Studie die Wirksamkeit der Dreierkombination mit den äquipotenten Dosierungen der Monosubstanzen und somit die Überlegenheit ihrer analgetischen Potenz. Primärer Endpunkt war die Zeit bis zur Halbierung der ursprünglichen Schmerzintensität. Erwartungsgemäß zeigte jede der vier analgetischen Behandlungsarme einen Effekt, jedoch war dieser bei der Dreierkombination statistisch signifikant und klinisch relevant größer als bei der Zweierkombination und den Monotherapien. Die signifikant bessere Wirksamkeit der fixen Dreierkombination wurde zusätzlich durch die Auswertung der sekundären Endpunkte untermauert: So war die Zeit bis zur Schmerzfreiheit in dieser Gruppe um 30 Minuten geringer als bei den Monotherapien. Unerwünschte Ereignisse traten relativ selten auf und waren gleichmäßig über alle Gruppen verteilt.

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