Analytik

M. Heldmaier, E. Stahl-Biskup Extraktion mit Olivenöl – Was und wie viel

Pflanzliche Ölauszüge werden in der anthroposophischen Medizin für Einreibungen und Öldispersionsbäder verwendet [1, 2]. In der Phytotherapie werden sie als Wirkstoffe in Salben, Cremes und Lotionen eingearbeitet [3], und in der Kosmetik kommen sie als Massage- oder Körperöle oder als Bestandteile anderer Kosmetika zum Einsatz [4, 5]. Um mögliche Wirkungen und Nebenwirkungen pflanzlicher Ölauszüge abschätzen zu können, ist die Kenntnis ihrer Zusammensetzung erforderlich [6]. Sind alle re–levanten Inhaltsstoffe der Pflanzendroge auch im Ölauszug zu finden? Gibt es quantitative Unterschiede? Die Autoren sind diesen Fragen nachgegangen und haben exemplarisch die Übergangsraten von Pflanzenstoffen aus der Droge in das Öl untersucht, nämlich: die Sesquiterpenlactone der Arnikablüten, das ätherische Öl und die phenolischen Inhaltsstoffe der Kamillenblüten, die Anthocyane der Stockrosenblüten und die Carotinoide der Ringel–blumenblüten.

Vorschriften des HAB zur Extraktion mit Öl

Das Homöopathische Arzneibuch (HAB 2005) kennt pflanzliche flüssige Einreibungen (Externa) in Form von Ölen. Sie werden durch Extraktion von getrockneten Pflanzen oder Pflanzenteilen mit Erdnussöl, nativem Olivenöl oder Sesamöl her–gestellt. Dabei nennt das HAB vier verschiedene Herstellungsvorschriften (12d bis 12g), die sich in Bezug auf das Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV), die Vorbehandlung der Droge mit 94%igem Ethanol und das eigentliche Extraktionsverfahren (Extraktionstemperatur, Extraktionsdauer) unterscheiden (Tab. 1); nach traditioneller Terminologie handelt es sich um eine Mazeration (warm, lang) bzw. eine Digestion (heiß, kurz). Zwei weitere Vorschriften des HAB für Externa (12h, 12i) sind Mischungen von Pflanzenölen mit ätherischen Ölen.

Einem Ölauszug von Arnikablüten ist im HAB eine eigene Monographie gewidmet (Arnica montana e flore H 10%). Die Kommission E erwähnt in ihrer Aufbereitungsmonographie für Arnikablüten in der Rubrik "Dosierung" ausdrücklich dieses "Arnika-Öl" als Zusatz in Salben bis maximal 15% "zur äußerlichen Anwendung bei Verletzungs- und Unfallfolgen" [7].

Herstellung der Ölauszüge und Analytik

Die Ölauszüge wurden nach den HAB-Vorschriften 12d (Heißextrakt, DEV 1:10) und 12f (Warmextrakt, DEV 1:10) mit Olivenöl hergestellt.

Es wurde jeweils der Gehalt an relevanten Inhaltsstoffen in der Ausgangsdroge und in den daraus hergestellten Ölauszügen bestimmt. Die Werte wurden miteinander verglichen und daraus die prozentualen Übergangsraten berechnet.

Die Abtrennung der Pflanzenstoffe aus den Ölauszügen erfolgte meist durch konventionelle Flüssig-Flüssig-Verteilung im Scheidetrichter. Die Anthocyan- und Carotinoid-Gehalte wurden spektral–photometrisch untersucht, die Auftrennung und Quantifizierung der Sesquiterpenlactone und der phenolischen Komponenten erfolgten mittels HPLC. Das ätherische Öl der Kamillenblüten wurde mittels Wasserdampfdestillation bestimmt; bei den Ölauszügen erfolgte die Bestimmung indirekt durch Destillation des Pressrückstands. Die Zusammensetzung des ätherischen Öls wurde gaschromatographisch ermittelt. Bei der Droge wurde dazu das Wasserdampfdestillat verwendet, beim Ölauszug erfolgte eine vorherige Verseifung der Fettmatrix.

Sesquiterpenlactone der Arnika

Bei der Analyse von Arnikablüten wurden zwölf Sesquiterpenlactone in der Droge sowie in den beiden Ölauszügen detektiert (Abb. 1 und 2), wobei sich das Muster mit den in der Literatur beschriebenen Mustern weitgehend deckt [8]. Von der Gesamtmenge der in der Droge enthaltenen Sesquiterpenlactone gingen 81,2% in den Warmextrakt und 70,9% in den Heißextrakt über. Demnach besitzt das Olivenöl eine sehr gute Extrak–tionskraft für Sesquiterpenlactone. Die höhere Übergangsrate beim Warmextrakt macht deutlich, dass eine längere Extraktionsdauer ergiebiger war als eine höhere Temperatur. Bemerkenswert ist, dass die Proportionen der einzelnen Sesquiterpenlactone in beiden Ölauszügen fast gleich sind, auch im Vergleich zur Droge.

Ätherisches Öl der Kamille

In den Kamillenblüten wurde ein Ätherisch-Öl-Gehalt von 4,65 mL/kg ermittelt. In den Pressrückständen der Ölauszüge wurden Gehalte von 0,75 mL/kg (Warmextrakt) bzw. 0,95 mL/kg (Heiß–extrakt) ermittelt. Daraus errechnen sich Übergangsraten des ätherischen Öls aus der Droge in den Warmextrakt von 83,9% und in den Heißextrakt von 79,6% (Abb. 3). Dies bedeutet zum einen, dass die Extraktionskraft von Olivenöl für ätherisches Öl ebenso gut ist wie für Sesquiterpenlactone. Zum anderen zeigen die fast gleichen Werte für Warm- und Heißextrakt, dass in diesem Fall eine kürzere Extraktionsdauer durch eine höhere Temperatur nahezu ausgeglichen werden kann.

Die Zusammensetzung des ätherischen Kamillenöls (Abb. 4) deckt sich weitgehend mit den in der Literatur beschriebenen Mustern für ägyptische Kamille [9]. Die weitere Analyse zeigte, dass die ätherischen Öle der beiden Ölauszüge eine fast gleiche Zusammensetzung aufweisen, sich jedoch von der Zusammensetzung des ätherischen Öls der Droge unterscheiden (Abb. 5). Dieser Unterschied beruht, wie weitere Untersuchungen zeigten, allein auf den andersartigen Analysenmethoden (Wasserdampfdestillation bzw. Verseifung und Extraktion, s.o.) und spiegelt nicht die Realität wider: Während der Mazeration oder Digestion kommt es nicht zur Diskriminierung einzelner Bestandteile des ätherischen Öls.

Phenolische Verbindungen der Kamille

Als phenolische Inhaltsstoffe der Kamillenblüten wurden Phenolcarbonsäure-Derivate, Flavonoide und Cumarine bestimmt. Mengenmäßig wichtige Phenolcarbonsäure-Derivate sind u.a. Chlorogensäure, Ferulasäureglucosid und Dicaffeoylchinasäuren, wichtige Flavonoide z.B. Apigenin-, Luteolin- und Quercetinglucosid [10]. Alle diese Verbindungen konnten in den Ölauszügen nur in Spuren nachgewiesen werden. Lediglich das im Zuckerteil acetylierte Flavonglucosid Apigenin-7-(4''-acetyl)-glucosid, einige Flavonoidaglyka wie Apigenin, Kämpferol, Chrysosplenetin, Eupalitin und Jaceidin sowie die Cumarine waren in nennenswerten Mengen in den Ölauszügen enthalten (Abb. 6).

Die quantitative Betrachtung zeigt, dass die Übergangsraten in der Reihenfolge Flavonoidaglyka < acetyliertes Flavonoidglucosid < methoxylierte Flavonoidaglyka zunehmen (Abb. 7). So geht beispielsweise Apigenin zu 11% in den Warmextrakt und zu 26% in den Heißextrakt über, Apigenin-7-(4''-acetyl)-glucosid zu 23% bzw. 38% und Chrysosplenetin zu 69% bzw. 79%. Dabei fällt auf, dass die Heißextraktion bei allen Verbindungen effektiver ist als die Warmextraktion.

Dieser Effekt ist auch bei den Cumarinen zu beobachten: Herniarin geht zu 38% in den Warmextrakt und zu 63% in den Heißextrakt über, Umbelliferon zu 33% bzw. 51%. Die deutlich größere Ausbeute an Cumarinen in den Heißextrakten lässt vermuten, dass diese in tiefer liegenden Geweben lokalisiert sind und bei einer höheren Temperatur nach Vorbehandlung der Droge mit Ethanol besser extrahiert werden.

Bei den methoxylierten Flavonoidaglyka betragen die durchschnittlichen Übergangsraten 60% für den Warmextrakt und 72% für den Heißextrakt, was deutlich mehr ist als bei allen anderen phenolischen Komponenten. Da diese Verbindungen –lipophil sind und zudem auf der Oberfläche der Blüten lokalisiert sind [11], überrascht dieses Ergebnis nicht.

Anthocyane der Stockrose

Die Hauptvertreter der Anthocyane in Stockrosenblüten sind Malvidin-3-glucosid und Delphinidin-3-glucosid. Sie liegen im leicht sauren Zellsaft kat–ionisch vor (kationischer Sauerstoff im Pyran-Ring der Aglyka) [12]. Erwartungsgemäß gingen die Anthocyane nur in Spuren in die Ölauszüge über: zu 0,06% im Warmextrakt bzw. 0,10% im Heißextrakt. Dies entspricht dem Verhalten der Flavonoidglucoside der Kamillenblüten.

Carotinoide der Ringelblume

Der Carotinoidgehalt in Ringelblumenblüten betrug 0,83 mg/g Droge, berechnet als beta-Carotin. In den Ölauszügen konnten Gehalte von 0,41 mg/g (Warmextrakt) bzw. 0,34 mg/g (Heißextrakt) ermittelt werden, was Übergansraten von etwa 50% bzw. 41% entspricht (Abb. 8). Dieses Ergebnis überrascht insofern, als es sich bei den Carotinoiden um lipophile Verbindungen handelt, für die eine höhere Übergangsrate zu erwarten war. Möglicherweise behindert die Lokalisation der Carotinoide in den Chromoplasten die Extraktion; dies würde auch erklären, warum der Warmextrakt (längere Extraktionsdauer!) eine höhere Übergangsrate ergab.

Lipophilie und Lokalisation als wesentliche Faktoren

Da es sich bei der Ölextraktion um eine Mazeration bzw. eine Digestion und nicht um eine erschöpfende Extraktion handelt, betragen die maximalen Übergangsraten etwa 80%. Oft ist die Ausbeute jedoch sehr viel geringer. Mehrere Faktoren beeinflussen den Übergang von Pflanzeninhaltsstoffen in die Ölauszüge.

Eine wichtige Einflussgröße ist die Löslichkeit der Substanzen im Öl, die mit höherer Lipophilie der Stoffgruppe ansteigt. Dies erklärt die hohen Übergangsraten der Sesquiterpenlactone (70 bis 80%), des ätherischen Öls (ca. 80%) und der methoxylierten Flavonoidaglyka (60 bis 70%). Die hydrophilen Flavonoidglykoside (ohne Acetylgruppe am Zucker) und Anthocyane sowie Phenolcarbonsäuren und ihre Derivate gehen nicht oder nur in Spuren in die Ölauszüge über.

Die Lokalisation in Zellorganellen (z.B. Chromoplasten) behindert offensichtlich die Extraktion. So beträgt die Übergangsrate der in den Chromoplasten lokalisierten Carotinoide trotz hoher Lipophilie nur 40 bis 50%. Bei Blütendrogen dürfte entscheidend sein, ob die Substanzen in den dünnen Blütenblättern oder im Fruchtknoten oder Blütenboden lokalisiert sind: Die Lokalisation einer Substanz im tiefer liegenden Gewebe setzt die Übergangsrate herab, wie die relativ geringen Werte der lipophilen Cumarine zeigen. Bei Blatt- und Wurzel–drogen dürfte der Übergang von Inhaltsstoffen in das Öl deutlich beeinträchtigt sein, wobei hier der Zerkleinerungsgrad der Droge jedoch eine erhebliche Rolle spielt.

Vorbehandlung mit Ethanol?

Bei den Flavonoidaglyka ist die Heißextraktion, obwohl sie nur vier Stunden dauert, effektiver als die Warmextraktion über eine Woche. Die Übergangsraten dieser Substanzen werden aber nicht nur durch die Hitze gesteigert. Vermutlich bewirkt die vor der Heißextraktion erfolgende Vorbehandlung der Droge mit Ethanol den "Aufschluss" des Gewebes. Dies würde erklären, warum der Effekt bei solchen Inhaltsstoffen stärker ist, die in tiefer liegenden Gewebeschichten lokalisiert sind (z.B. Cumarine, acetyliertes Flavonoidglucosid, Flavonoidaglyka). Bei lipophilen Substanzen wie Sesquiterpenlactonen und ätherischem Öl, die in den Drüsenschuppen auf der Blattoberfläche vorkommen, erhöht eine Vorbehandlung der Droge mit Ethanol die Ausbeute nicht. Diese Stoffe können deshalb mit der Warmextraktion ergiebig extrahiert werden.

Fazit

Die Ergebnisse machen deutlich, dass eine Ölmazeration in Bezug auf die Extraktion der Pflanzenstoffe sich im Vergleich zu einer klassischen Extraktion mit Lösungsmitteln differenzierend auswirkt. Was und wie viel einzelne Drogen hergeben, kann offensichtlich nur bedingt vorausgesagt werden (z.B. Carotinoide) und muss deshalb individuell geprüft werden.

Pflanzliche Blütendrogen werden meistens mit organischen Lösungsmitteln oder Wasserdampf extrahiert. Für Präparate zur externen Anwendung kommen jedoch auch die Mazeration und Digestion der Droge mit Olivenöl oder anderen pflanzlichen Ölen zum Einsatz. Natürlich beeinflussen das Extraktionsmittel und das Extraktionsverfahren das Produkt. Lipophile und oberflächlich lokalisierte Inhaltsstoffe werden mit Olivenöl besser extrahiert als hydrophile und in den Zellorganellen lokalisierte Substanzen.

Die Autoren

Michael Heldmaier (Jg. 1976) studierte Lebensmittelchemie an den Universitäten Stuttgart und Hohenheim. Sein praktisches Jahr absolvierte er am Chemi–schen und Veterinärunter–suchungsamt in Karlsruhe und legte dort 2003 sein 2. Staatsexamen als Lebensmittelchemiker ab. Derzeit ist er Doktorand in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Elisabeth Stahl-Biskup. michael.heldmaier@uni-hamburg.de

Prof. Dr. Elisabeth Stahl-Biskup (Jg. 1947) studierte Pharmazie an der Universität Freiburg und wurde 1975 am Lehrstuhl für Pharmakognosie der Universität Hamburg von Prof. Dr. K.-H. Kubeczka promoviert. Von 1975 bis 1984 Hochschulassistentin, 1982 Habilitation im Fach Pharmazeutische Biologie. Seit 1984 Professorin für Pharmazeutische Biologie am Pharmazeutischen Institut der Universität Hamburg.

Arbeitsgebiet: Instrumentelle phytochemische Drogenanalytik und Qualitätssicherung pflanzlicher Arzneimittel (Schwerpunkt: ätherische Öle). elisabeth.stahl-biskup@uni-hamburg.de

Anschrift: Institut für Pharmazie der Universität Hamburg, Abt. Pharmazeutische Biologie und Mikrobiologie, Bundesstr. 45, 20146 Hamburg www.chemie.uni-hamburg.de/pac

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