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Basiswissen Ernährung (Folge 1): Nahrungsenergie - die Bilanz muss stimmen

Basiswissen Ernährung Ų unter dieser Überschrift wollen wir Ihnen künftig einmal im Monat einen ausgewählten Bestandteil unserer Nahrung näher vorstellen. Wofür braucht man den Nährstoff im Organismus? Wie viel davon sollte man aufnehmen und wie viel wird tatsächlich zugeführt? Welche Lebensmittel enthalten besonders viel des Nahrungsinhaltsstoffes und was sind die Folgen eines Überschusses bzw. eines Mangels? Das sind die Fragen, die wir in unserer Serie beantworten wollen. Den Start macht in dieser Ausgabe die Nahrungsenergie.

Die mit der Nahrung aufgenommenen Nährstoffe sowie ihre Stoffwechselprodukte liefern die Energie, die für Wachstum, Erhaltung der biologischen Strukturen und biologische Funktionen des menschlichen Organismus notwendig ist. Dabei wird ein Teil der in den chemischen Bindungen enthaltenen Energie auf andere energieärmere Verbindungen oder Systeme übertragen und für verschiedene Formen von Arbeit oder Leistung genutzt [1]. Im Gegensatz zum ständig stattfindenden Energieverbrauch ist die Nahrungsaufnahme auf einzelne Mahlzeiten verteilt; energetisch verwertbare Substrate müssen folglich gespeichert werden können. Der ATP-Speicher, der maßgeblich an der Energieversorgung von biologischen und biochemischen Prozessen beteiligt ist, hat jedoch nur geringe Kapazitäten; Energie wird daher kurzfristig in Form von Glycogen in Muskeln und Leber, langfristig in Form von Fett im Fettgewebe gespeichert [2].

Die in der Nahrung enthaltene Energie wird nicht vollständig im Körper umgesetzt: Zwar werden mehr als 95% der aufgenommenen Energie resorbiert (verdaubare Energie), doch durch Urin, Schweiß und abgestorbene Zellen entstehen auch Verluste. Die verbleibende Energie (metabolisierbare Energie bzw. physiologischer Brennwert) kann zu ca. 40% verwertet oder gespeichert werden (verfügbare Nettoenergie), weitere 50% gehen in Form von Wärme (fakultative und obligate Thermogenese) verloren und 6 bis 10% der Energie werden für Verdauungsprozesse benötigt [3]. Da alle Energieformen in Wärme umgewandelt werden können, wurde lange Zeit die Kilokalorie als Einheit verwendet, inzwischen wird aber das Joule als Einheit vorgezogen [1]. Für Nährwertangaben werden Megajoule (MJ) und Kilokalorien (kcal) verwendet; 1 kcal entspricht 4,184 kJ [4].

Der Energieumsatz hat drei Komponenten

Die drei Hauptkomponenten des Energieumsatzes sind

  • der Grundumsatz,
  • der Arbeitsumsatz (für körperliche Aktivität) sowie
  • Energie für die nahrungsinduzierte Thermogenese [3].

Der Grundumsatz ist diejenige Energiemenge, die der Körper pro Tag bei völliger Ruhe, bei Indifferenztemperatur (38 °C) und nüchtern zur Aufrechterhaltung seiner Funktion benötigt(z. B. während des Schlafens). Er ist von Faktoren wie Geschlecht, Alter, Gewicht, Körpergröße, Muskelmasse, Wärmedämmung durch Kleidung und dem Gesundheitszustand, z.B. Fieber, abhängig. Bei Frauen ist er im Schnitt um 10% geringer (größerer Fettanteil) als bei Männern.

Als Arbeitsumsatz (auch Leistungsumsatz) wird diejenige Energiemenge definiert, die der Organismus pro Tag für zusätzliche Leistungen, über den Grundumsatz hinaus, verbraucht. Er ist im Wesentlichen von der Muskelarbeit und der Umgebungstemperatur abhängig und kann großen Schwankungen unterliegen. Bereits bei leichter körperlicher Belastung durch Arbeit und Freizeitbeschäftigung werden etwa 30 bis 40% des Tagesenergieumsatzes aufgewendet. In Abhängigkeit von Beruf und Freizeit lässt sich aus dem Quotienten von Energieumsatz und Grundumsatz das Maß der körperlichen Aktivität, der physical active level (PAL), berechnen. Da der Umfang der täglichen Muskelarbeit sehr unterschiedlich ist, teilt man in der Ernährungswissenschaft die Menschen in fünf Gruppen nach ihrer körperlichen Aktivität ein (Tab. 1).

Eine quantitativ geringere Bedeutung hat die nahrungsinduzierte Thermogenese [2]. Sie entspricht der Steigerung des Energieumsatzes nach der Nahrungsaufnahme und kann unter üblichen Ernährungsbedingungen 8 bis 15% des täglichen Energieumsatzes betragen. Weitere aber weniger bedeutende Arten des Energieverbrauchs kommen durch Stress, auch mit Stress verbundener geistiger Arbeit, und durch unwillkürliche kurzzeitige Muskeltätigkeit wie spontane Handbewegungen zustande.

Berechnung des täglichen Energiebedarfs

Die Richtwerte für den täglichen Energiebedarf setzen sich aus dem Produkt von Grundumsatz und PAL zusammen; die bestimmenden Faktoren Körpergewicht, Alter und Geschlecht werden in der Berechnung mit berücksichtigt. Als Berechnungsgrundlage werden Voraussageformeln für den Grundumsatz und von tabellarischen Angaben zum Energieaufwand für definierte physische Leistungen verwendet (s. Rechenbeispiel).

Problematisch erweist sich jedoch die Einordnung einiger beruflicher Tätigkeiten, denn durch die Mechanisierung und Automatisierung hat sich die Belastung in einigen Berufsfeldern deutlich vermindert. Dagegen lassen sich Berufstätige mit geringer Arbeitsbelastung leichter einordnen. Ein einfacheres Maß zur Abschätzung des Energiebedarfs ist die Konstanz des wünschenswerten Körpergewichts oder des empfehlenswerten Body-Mass-Index (BMI) über längere Zeit [1].

Bedarf und tatsächliche Zufuhr

Richtwert für die tägliche Energiezufuhr sind die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) herausgegebenen D-A-CH-Referenzwerte (2000). Sie liegen für Männer (25 bis 51 Jahre) bei 2900 kcal/d und für Frauen (25 bis 51 Jahre) bei 2300 kcal/d. (Tab. 2). Dabei geht man von PAL-Werten von 1,75 für 15 bis unter 25-Jährige und 1,7 für 25 bis 51-Jährige sowie 1,6 für Personen ab dem 51. Lebensjahr aus. Ist eine Person übergewichtig oder weist eine geringere körperliche Aktivität auf, sind Korrekturen notwendig. Da diese beiden Faktoren für einen erheblichen Anteil der Gesellschaft zutreffen, sollte eher ein PAL-Wert von 1,4 verwendet werden.

Eine äußerst heterogene Gruppe stellt die Altersgruppe ab dem 65. Lebensjahr dar. Einige Senioren weisen eine körperliche Aktivität auf, die durchaus mit jüngeren Personen vergleichbar ist, während andere weitgehend körperlich eingeschränkt sind. Daher kann es in dieser Gruppe zu großen Abweichungen im tatsächlichen Energieumsatz kommen [4].

Ein Mehrbedarf an Energie besteht auch für Schwangere und Stillende. Für die gesamte Schwangerschaft werden 255 kcal/d zuzüglich des normalen Energiebedarfs empfohlen. In den ersten vier Monaten post partum sollten stillende Mütter täglich zusätzlich 635 kcal aufnehmen; ab dem vierten Monat gelten für voll stillende Mütter 525 kcal/d mehr und für partiell stillende 285 kcal/d zuzüglich dem üblichen Energiebedarf. Dabei sollten mögliche Aktivitätsveränderungen berücksichtigt werden.

Für die derzeitige Energieaufnahme in Deutschland liegen keine repräsentativen Daten vor. Die erste Nationale Verzehrsstudie (NVS) wurde 1985 bis 1988 durchgeführt; die zweite NVS, die erstmalig die Daten für alte und neue Bundesländer erfasst, wurde erst 2005 gestartet, Ergebnisse liegen noch nicht vor [5]. Die Werte der ersten NVS zeigten allerdings, dass die Energiezufuhr häufig über den Referenzwerten liegt: ein Viertel der Frauen nahm mehr als 2413 kcal/d auf und ein Viertel aller Männer sogar mehr als 3153 kcal/d [2].

Regulation der Energiebilanz

In der Regel bewegt sich das Körpergewicht eines jeden Menschen innerhalb enger Grenzen, denn im Körper werden Hunger und Sättigung von einer Reihe fördernder und hemmender Wirkgrößen und dem Hypothalamus als zentralem Regler gelenkt. Zwar ist der Schutz vor dem Verhungern besser ausgeprägt als vor einem zu hohen Körpergewicht, doch auch vor zu viel Energie schützen einige Mechanismen. Kurzfristig wird die Nahrungszufuhr durch Magendehnung, gastrointestinale Hormone und metabolische Effekte absorbierter Nährstoffe kontrolliert. Langfristig bestehen in der Wissenschaft drei verschiedene Theorien:

  • Die glucostatische Theorie geht davon aus, dass Hunger und Sättigung via Blutzuckerspiegel reguliert werden.
  • Nach der thermostatischen Theorie führt eine verminderte Entstehung von Wärme im Körper zu Hunger.
  • Die lipostatische Theorie geht davon aus, dass das Körperfett eine regulatorische Funktion ausübt [2].

Mit der Entdeckung des ob-Gens und seinem Genprodukt Leptin sowie den Leptinrezeptoren wird die lipostatische Theorie gestützt; mit ihr konnte erstmals ein geschlossener Regelkreis zur Kontrolle der Energiebilanz nachgewiesen werden. Jeweils proportional zum Körperfettgehalt gehen von den Leptinrezeptoren Signale aus, die über Neurotransmitter stimulierend oder hemmend auf die Energieaufnahme bzw. -abgabe wirken (Tab. 3). Daneben stehen aber auch unabhängig von Leptin hormonelle Faktoren zur Kontrolle der Energiebilanz zur Verfügung. Dazu zählen Schilddrüsenhormone, Katecholamine etc. [1].

Energieüberschuss und die Folgen

Aus der aktuellen Gesundheitsberichterstattung des Bundes geht hervor, dass mittlerweile über die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung übergewichtig ist, ca. 20% sind als adipös zu bezeichnen. Männer sind in allen Altersgruppen häufiger von Übergewicht betroffen als Frauen [6]. Im Alter von 30 bis unter 60 Jahren ist Adipositas bei Frauen und Männern etwa gleich häufig, bei den über 60-Jährigen ist Adipositas bei Frauen häufiger.

Übergewicht entsteht bei einer Energiezufuhr, die den Umsatz langfristig überschreitet. Dies kann sich negativ auf die Gesundheit auswirken [4], da Übergewicht das Risiko für eine Vielzahl von Begleit- und Folgeerkrankungen erhöht, die nicht nur die Lebensqualität verschlechtern, sondern auch die Lebenserwartung verkürzen können [2].

Die Komorbiditäten von Übergewicht und Adipositas sind vielfältig. So wird z. B. eine Hypertonie begünstig, wodurch sich das kardiovaskuläre Risiko erhöht. Bereits mäßiges Übergewicht kann Diabetes mellitus Typ 2 verursachen. Neben weiteren Stoffwechselstörungen ist auch die Häufigkeit für Karzinome und degenerative Gelenkerkrankungen bei Übergewicht erhöht [7]. Treten mehrere Symptome gleichzeitig auf, spricht man vom metabolischem Syndrom, dem so genannten "tödlichen Quartett" (s. Kasten) [8].

Doch nicht nur das Gewicht, auch die Verteilung des Körperfetts beeinflusst die gesundheitlichen Risiken. Besonders bei Männern sammelt sich das Körperfett am Bauch an (androide Form), womit häufiger kardiovaskuläre Risikofaktoren einhergehen als bei einem bevorzugten Fettansatz an den Hüften (gynoide Form), die verstärkt bei Frauen auftritt. Die Fettgewebsverteilung lässt sich über die "waist to hip ratio" (Taillen/Hüft-Verhältnis) ermitteln. Überschreiten Männer den Wert von 1,0 und Frauen Werte über 0,8, besteht ein zusätzliches kardiovaskuläres Risiko [4].

Bedenklich ist auch, dass in den vergangenen Jahren die Adipositas bei Kindern und Jugendlichen deutlich zugenommen hat [2]. Insgesamt verursachen Übergewicht und Adipositas sowie die damit einhergehenden Komplikationen Gesundheitskosten, die etwa 5% aller Gesundheitsausgaben betragen [7].

Energiemangel und die Folgen

Ein chronischer Energiemangel mit einem BMI < 18,5 (Beispiel: eine 1,70 m große Person, die 53 kg wiegt, ist mit einem BMI von 18,3 leicht untergewichtig) tritt heute in Industrieländer nur selten auf. In Deutschland sind Frauen (4%) wesentlich häufiger von Untergewicht betroffen als Männer (1%); junge Frauen im Alter von 18/19 Jahren sogar zu 13% [6]. Unterschieden wird zwischen einem akuten und einem chronischen Energiemangel. Ein akutes Energiedefizit führt zu einem raschen und progressiven Verlust an Körpergewicht und einer Reduzierung der Energiereserven. Bei einem chronischen Energiedefizit verliert der Körper nicht nur an Gewicht und reduziert seine Energiereserven, sondern passt sich an die reduzierte Energiezufuhr an, wobei der Körper physiologische, metabolische und verhaltensspezifische Prozesse durchläuft [9].

Zu den möglichen Ursachen eines Energiedefizits zählen Malassimilationssyndrome oder chronisch konsumierende Erkrankungen. Aktuelle Studien zeigen, dass vor allem alte und kranke Menschen von Mangelernährung betroffen sind. Zu den Hauptrisikofaktoren sind Alter, Komorbidität und der soziale Status zu zählen [10]. Einen weiteren Problembereich stellt die bewusst reduzierte Energieaufnahme dar, die im Extremfall in Form der Anorexia nervosa oder Bulimia nervosa auftreten kann. Besonders betroffen sind davon junge Mädchen und Frauen.

Die aus dem Mangel resultierenden Folgen sind u. a. beeinträchtigte Muskelfunktionen, die auch den Herzmuskel betreffen, ein geschwächtes Immunsystem, eine verlangsamte Genesung nach akuten Erkrankungen sowie häufigere Komplikationen im Krankheitsverlauf und eine verminderte Lebenserwartung. [2].

Basiswissen Ernährung – unter dieser Überschrift stellen wir Ihnen künftig einmal im Monat einen ausgewählten Bestandteil unserer Nahrung näher vor. Wofür braucht man den Nährstoff im Organismus? Wie viel davon sollte man aufnehmen und was sind die Folgen eines Überschusses bzw. eines Mangels? Das sind die Fragen, die wir in unserer Serie beantworten. Den Start macht in dieser Ausgabe die Nahrungsenergie.

Berechnung des Eigenbedarfs

Beispiel für die Berechnung des Energiebedarfs einer normalgewichtigen 40-jährigen Hausfrau (DGE, 2000b):

  • 8 Stunden intensive Hausarbeit mit einem hohen, dem 2,4-fachen (PAL) des Grundumsatzes entsprechenden Energieaufwand
  • 8 Stunden weitere Tätigkeiten mit einem mittleren, dem 1,6-fachen (PAL) des Grundumsatzes entsprechenden Energieaufwand

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