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"Versandhandel rüttelt am Apotheken-System" titelte das Handelsblatt in der vergangenen Woche (Ausgabe vom 20. April). Aufgerollt wird in dem Beitrag die Entwicklung des Versandhandels mit DocMorris, dann die Liberalisierung ab 2004 mit der Zulassung des Arzneimittelversands in Deutschland und die derzeitige Entwicklung. Nach meiner Auffassung ist bisher allerdings nur ein schwaches Rütteln zu registrieren, das unser System nicht erschüttern kann. Denn der Marktanteil der Versandapotheken in Deutschland beträgt derzeit nur 1 bis 1,4 Prozent vom Gesamtmarkt (32,4 Mrd. Euro). Zwar vermuten einige in den nächsten Jahren einen Anstieg auf bis zu 8 Prozent – wenn in diesem Markt aber alles mit Recht und Ordnung zugeht, dürfte diese Prognose nicht oder nicht so schnell eintreten. Die Betonung liegt hier auf Recht und Ordnung. Der Markt erscheint manchen nämlich so –verlockend, dass Anbieter und Nachfrager auch krumme Wege versuchen, um am Arzneiversand zu partizipieren oder mit dem Versandhandel Arzneikosten zu sparen. Solche Wege verlaufen dann entweder im Graubereich, weshalb sie gerichtlich geklärt werden müssen (z. B. Empfehlung der Gmünder Ersatzkasse an ihre Mitglieder, bei einer bestimmten Versandapotheke zu bestellen) oder führen zu ausländischen Apotheken, die sich nicht an deutsche Bestimmungen wie Arzneimittelpreisverordnung oder Zuzahlungsregelungen halten.

Ein besonderer Graubereich stellt für mich das Schweizer Zur Rose-Imperium dar, das mit der Eröffnung der Zur Rose Versandapotheke in Halle/Saale (Dezember 2004) einen Ableger in Deutschland pflanzte. So ist im letzten Geschäftsbericht des Schweizer Unternehmens "Apotheke Zur Rose AG", Frauenfeld, zu lesen: "Zur Rose hat den Medikamentenversand in Deutschland im Dezember 2004 aufgenommen.

Ende April 2005 zählte Zur Rose in Deutschland bereits 26.300 Kundinnen und Kunden und lieferte täglich bis zu 850 Pakete aus. Mit Blick auf eine rasche Markterschließung strebt Zur Rose Kooperationen mit Versandhändlern, Drogerien, Ärztenetzwerken und Krankenkassen an…" Noch heute ist es für mich unverständlich, wie es möglich ist, dass eine ausländische AG eine Versandapotheke in Deutschland betreiben darf.

Ein Blick auf das Organigramm der Zur Rose Gruppe offenbart die Größe des Imperiums: Da finden sich neben einer Publikumsapotheke auch eine Versandapotheke für die Schweiz (Förderung des preisgünstigen Arzneiversands in Zusammenarbeit mit den Ärztinnen und Ärzten), außerdem das Kerngeschäft als Ärztegrossist (Belieferung von Arztpraxen mit Arzneimitteln) und Dienstleistungen für Ärzte. Damit nicht genug. Insgesamt fünf strategische Beteiligungen ergänzen die Zur Rose Gruppe.

Unter diesen Beteiligungen fällt vor allem ein 50-prozentiger Anteil an der Schweizer Helvepharm AG auf, einem schnell wachsenden Generikaanbieter in der Schweiz. Die anderen 50 Prozent hält die Stada Arzneimittel AG. Diese Tatsache führte in der vergangenen Woche zu Unruhen etwa nach dem Motto: Profitiert Deutschlands Generikafirma Stada indirekt am Versandhandelsgeschäft der Zur Rose? Das kann nicht für gute Stimmung sorgen. Wir fragten nach. Die Beteiligung der Stada an der Helvepharm besteht bereits mehrere Jahre – seinerzeit machte die Zur Rose noch keinen Versandhandel. Als bekannt wurde, dass die Zur Rose Gruppe ins Versandgeschäft einsteigt und vor allem in Deutschland tätig wird, war für die Stada klar, dass man sich von dieser Beteiligung trennt – was allerdings aufgrund bestehender Verträge nicht umgehend möglich war. Wie uns Dr. Axel Müller, Unternehmenssprecher der Stada bestätigte, führt die Stada derzeit konkrete Verhandlungen über den Verkauf der 50-prozentigen Beteiligung an der Helvepharm. Stada möchte damit deutlich die Partnerschaft zu Deutschlands Apotheken dokumentieren.

Versandhandel, die Zweite: Die nach eigenen Angaben größte Versandapotheke Deutschlands die niedersächsische Sanicare Apotheke, beabsichtigt eine Filialapotheke in den Niederlanden zu eröffnen. Der Hintergrund der Filialgründung ist klar und wird offen genannt: ungleiche Wettbewerbsbedingungen in den Niederlanden und Deutschland. Inhaber Mönter beklagt das Fehlen der freien Preisgestaltung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln hierzulande und die fehlende Option, den Patienten die Zuzahlung zu erstatten. Er will sich mit den Wettbewerbsvorteilen der niederländischen Versandapotheker nicht mehr –zufrieden geben. Aufgrund dieser Benachteiligungen legte die KKH bereits die Kooperation mit der Sanicare zugunsten einer niederländischen Apotheke auf Eis. Die geplante Apotheke in den Niederlanden wäre dann Mönters vierte Apotheke.

Würde der Versandhandel nur innerhalb Deutschland ablaufen, wäre mir weniger bange. Aber die ungleichen Bedingungen mit dem Ausland – seien es die Schweizer Aktivitäten oder die Kooperationen zwischen niederländischen Versendern und deutschen Krankenkassen – das sind die Gefahren, die in der Tat unser Gesundheitssystem erschüttern könnten. Die Weichen dafür stellte die alte Bundesregierung: Sie hätte dies verhindern können, wenn sie den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln insgesamt verboten hätte.

Peter Ditzel

Versandhandel - Rütteln am System?

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