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Tabakwerbeverbot: EU-Kommission leitet Vertragsverletzungsverfahren ein

(ral). Wegen Nichtbeachtung der EU-Richtlinie zum Tabakwerbeverbot steht Deutschland nun möglicherweise ein Vertragsverletzungsverfahren ins Haus. EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou kündigte vergangene Woche an, dass die Kommission beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine entsprechende Klage einreichen wird. Er kritisierte darüber hinaus, dass sich Deutschland mehr Zeit lasse als andere Länder, um rauchfreie Zonen zu schaffen. Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Marion Caspers-Merk (SPD), wies die Kritik als "halbherzig" zurück.

Deutschland und Luxemburg sind die einzigen EU-Staaten, die das Tabakwerbeverbot noch nicht gesetzlich geregelt haben – obwohl das Gesetz eigentlich seit August 2005 EU-weit in Kraft ist. Eine Nachfrist bis Anfang April ließ Deutschland trotz Warnung ebenfalls verstreichen. Nun will EU-Kommissar Kyprianou rechtliche Schritte einleiten. Er sei entschlossen, den Fall unverzüglich vor den Europäischen Gerichtshof zu bringen. Die Werbung für Tabakprodukte ermutigt seiner Aussage nach vor allem Kinder und Jugendliche, mit dem Rauchen anzufangen. Nach Ansicht von Kyprianou verherrlichen die Werbung und das Sponsoring das Rauchen.

Viele Stimmen für ein Verbot

Kyprianous Standpunkt wird in Deutschland von vielen Seiten unterstützt. So warf die Vorsitzende der Grünen im Bundestag, Renate Künast, laut einem Bericht in der "Financial Times Deutschland" (Ausgabe vom 12. April) der Bundesregierung vor, "im doppelten Sinne ein Spiel mit dem Feuer" zu betreiben. "Wer eine ordentliche Reform machen will, darf schwer krankmachende Produkte wie Zigaretten nicht auch noch protegieren", sagte Künast. SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach kündigte an, den Druck auf Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) zu verstärken, um die Regierung zu einer Übernahme der Brüsseler Werberichtlinie zu bewegen. "Das wird jetzt Thema der SPD-Fraktion werden. Ansonsten verlieren wir in der EU jede Glaubwürdigkeit", so Lauterbach.

Nach Meinung der Präsidentin der Deutschen Krebshilfe, Dagmar Schipanski, hängt Deutschland beim Schutz der Nichtraucher gegenüber anderen EU-Staaten "absolut hinterher". Das dürfe "von der Bevölkerung nicht hingenommen werden", äußerte sie gegenüber der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Ausgabe vom 13. April).

Auch Bundesärztekammer-Präsident Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe forderte die Bundesregierung nachdrücklich auf, die Tabakwerberichtlinie umzusetzen. "Die Regierung ist im hohen Maße unglaubwürdig, wenn sie einerseits nationale Antiraucher-Kampagnen unterstützt, andererseits aber jeden Versuch einer Eindämmung des Tabakkonsums torpediert", kritisierte Hoppe im Ärzteblatt online. Er forderte ein Gesamtkonzept zur Eindämmung des Rauchens: "Dazu gehören verstärkte Aufklärungsaktivitäten und ein uneingeschränktes Tabakwerbeverbot."

Regierung wehrt sich

Die Bundesregierung wies die Vorwürfe der EU-Kommission jedoch zurück, den Kampf gegen den Tabakkonsum zu vernachlässigen. Sie warte lediglich das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur 2003 eingereichten Klage Deutschlands gegen die Brüsseler Vorgaben zum Tabakwerbeverbot ab. Dabei gehe es darum, dass Deutschland sich nicht von der EU vorschreiben lassen wolle, welche Werbung gedruckt und gesendet werden darf.

Marion Caspers-Merk bezeichnete die EU-Kritik am 13. April im Deutschlandradio Kultur als "halbherzig", weil auf der anderen Seite immer noch der Tabakanbau subventioniert werde. Außerdem sei es der EU-Kommission nicht gelungen, einheitliche Preise für Zigaretten in Europa durchzusetzen. Die niedrigen Preise in Osteuropa förderten Schmuggel und illegalen Import. "Ich gebe zu, dass wir das ganz große Rauchverbot nicht durchgesetzt haben", sagte Caspers-Merk. Rauchen sei das größte vermeidbare gesundheitliche Risiko. Aus diesem Grund müsse der Nichtraucherschutz verstärkt werden. Rauchverbote könnten in Deutschland jedoch nicht bundesweit durchgesetzt werden. Dies werde nach der Föderalismusreform noch schwieriger, gab die Staatssekretärin zu bedenken.

Unterstützt wird die Bundesregierung von der FDP-Bundestagsfraktion. "Die EU-Kommission hat sich nicht in alle Lebensbereiche ihrer Bürger einzumischen und in diesem Bereich fehlt ihr die notwendige Kompetenz aus dem EG-Vertrag", sagte der FDP-Sprecher für Verbraucherschutz, Hans-Michael Goldmann.

Noch hat Deutschland eine kurze Bedenkpause. Am 28. Juni will die EU-Kommission entscheiden, ob sie tatsächlich Klage einreichen wird. Im Extremfall drohen Berlin Millionenzahlungen.

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