DAZ aktuell

Arzneimittelexporte: Kein Grund für "Mitleidskampagnen"

BERLIN (ks). Viele Arzneimittel sind im Ausland preiswerter als in Deutschland. Davon sollen auch die hiesigen Krankenkassen etwas haben. Daher müssen Apotheker bereits seit Jahren eine Importquote erfüllen. Doch es gibt auch Präparate, die in anderen EU-Staaten teurer sind als in Deutschland. Manch ein Apotheker nutzt diesen Umstand, indem er sich durch Exporte ein "stabiles zweites Standbein" schafft, meldet nun der "Spiegel" in seiner neuesten Ausgabe. Die Folge: In Deutschland drohen Medikamente knapp zu werden.

Die DAZ hatte im Januar über eine Umfrage des Hessischen Apothekerverbandes (HAV) unter seinen Mitgliedern berichtet, wonach Ende 2005 einige Arzneimittel weder vom Großhandel noch vom Hersteller lieferbar waren (siehe DAZ Nr. 4/2006, S. 3 und S. 27). Betroffen waren unter anderem Präparate des Herstellers Pfizer. Offenbar wurden diese für den deutschen Markt bestimmten Medikamente von einigen Apotheken aufgekauft, um sie gewinnbringend zu exportieren – etwa nach Großbritannien. Den Herstellern missfällt dies. Sie weigern sich, ihre Produktion zu erhöhen, und so muss manch ein deutscher Kassenpatient auf sein Präparat verzichten. Der HAV schrieb daher die Aufsichtsbehörde an, um zu prüfen, ob ein aufsichtsrechtliches Einschreiten geboten ist. DAZ-Chefredakteur Peter Ditzel wertete derartige Exporte als legal, aber "recht unethisch" im Sinne der Versorgungssicherheit und der Patienten. Für einen Spiegel-Redakteur war dies ein Anlass, das Thema in eine breitere Öffentlichkeit zu bringen. Er berichtet von Briefen des Arzneimittel-Im- und Exporteurs A.C.A. Müller vom vergangenen Januar an seine Geschäftspartner. In diesen werde Apothekern der Export schmackhaft gemacht und Empfehlungen gegeben, wie das Geschäft abgewickelt werden kann, ohne dass Großhändler und Hersteller misstrauisch werden. So sollte immer nur "in 3er, maximal 5er Mengen" bestellt werden. Die Gewinnmarge der Apotheker, so A.C.A. Müller, sorge für ein "stabiles zweites Standbein".

Verwaltung und Politik scheinen diesen Auswüchsen nicht viel Bedeutung beizumessen. Der HAV hörte bislang nichts von der Aufsichtsbehörde und auch dem Bundesgesundheitsministerium ist über Engpässe in der Arzneimittelversorgung "nichts bekannt". Eine Ministeriumssprecherin sagte der DAZ, für "Mitleidskampagnen der Hersteller" bestehe kein Anlass. Die Industrie habe es selbst in der Hand, durch ihre Preispolitik solche Exporte zu unterbinden. Auch für Apotheker, die auf solche Nebengeschäfte ausweichen, habe man kein Verständnis. Schließlich verdienten diese dank ihres staatlich verordneten Fix-Honorars weiterhin "nicht schlecht", so die Sprecherin.

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