DAZ Feuilleton

Glossay: Ein Steckbrief

Gesucht wird einer mit folgenden Eigenschaften:

derb Schultern meist zurückgebogen Kopf eiförmig lange weiße Haare Gesicht bräunlich Stirn violett überlaufen Augen kurz gestielt und grün Ohren eingerollt, umgeben mit einem Kranz langer steifer Haare Nase eingesenkt Mund 2-lippig, lanzettlich Zähne bewimpert Zunge 3-zipflig Kinn stark hervortretend Zeigefinger doppelt so lang wie Mittelfinger Schnurrbarthaare nadelförmig Bart filzig Stimme röhrig Mimik eingetrocknet

  • leidung grünlichgrau bis graugrün
  • acke und Hose gleichfarbig

dem Glöckner von Nôtre Dame sehr ähnlich.

Wer ist's?

Die Lösung findet man in einer Drogenmonographie des Europäischen Arzneibuchs, die erfreulicherweise als offizieller Text ohne Anglizismen und andere neuhochdeutsche Begriffe auskommt: "Das Blatt von T. vulgaris ist meist 4 bis 12 mm lang, bis 3 mm breit und ungestielt bis sehr kurz gestielt. Die Spreite ist derb, ganzrandig, lanzettlich bis eiförmig und auf beiden Seiten filzig, grau bis grünlich grau; der Rand ist gegen die Blattunterseite hin stark eingerollt. Der Mittelnerv ist auf der Blattoberseite eingesenkt, auf der Blattunterseite stark hervortretend. Der Kelch ist grün, oft violett überlaufen, röhrig, an der Spitze 2-lippig mit einer 3-zipfligen, meist zurückgebogenen Oberlippe und einer längeren, aus 2 bewimperten Zähnen bestehenden Unterlippe. Der Kelchschlund ist nach dem Abblühen durch einen Kranz langer, steifer Haare verschlossen. Die Krone ist etwa doppelt so lang wie der Kelch, schwach 2-lippig und in getrocknetem Zustand meist bräunlich.

Das Blatt von T. zygis ist meist 1,7 bis 6,5 mm lang und 0,4 bis 1,2 mm breit, nadelförmig bis lineal-lanzettlich mit stark zur Blattunterseite hin eingerollten Rändern. Die Blattfläche ist beidseits gleichfarbig grün bis grünlich grau, zuweilen am Mittelnerv violett überlaufen und weist am Blattrand, vor allem an der Basis, lange weiße Haare auf. Die getrockneten Blüten sind denen von T. vulgaris sehr ähnlich."

Der Steckbrief entstand bereits während der 68. Sitzung der Redaktionskonferenz für die deutschsprachige Ausgabe des Europäischen Arzneibuches (EuAB), woran Vertreter der Bundesrepublik Deutschland, Österreichs und der Schweiz beteiligt sind; die Monographie "Thymian – Thymi herba" erschien dann im EuAB 3 von 1997. Anlässlich der Wahl des Echten Thymians (Thymus vulgaris) zur Arzneipflanze des Jahres 2006 durch den Würzburger Studienkreis "Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde" (siehe DAZ Nr. 4, S. 28) wurde der Steckbrief gemäß der hier zitierten Monographie im EuAB 5, der derzeit gültigen Ausgabe des europäischen Teils unseres Arzneibuches, aktualisiert.

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