Aus Kammern und Verbänden

"Hauptsache gesund!"? – Ersatzreligion Gesundheit

Gesundheit ist kein Grundrecht des Menschen, wohl aber ein Geschenk auf Zeit Ų so formulierte es Dr. Michael Utsch, Berlin, auf der diesjährigen Fachtagung von "Christen in der Pharmazie". Dabei ist Gesundheit nur schwer zu beschreiben, weil das vollständige Wohlbefinden sich der Wahrnehmung meist entzieht. Erst eine Störung wird bewusst registriert. Dennoch ist Gesundheit mehr als perfekte Funktionalität.

Ständiges vollkommenes Wohlbefinden ist kein Ergebnis einer gelungenen Therapie, sondern eher eine Utopie.

Gesundheitswahn macht krank

Dr. Utsch, Referent bei der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, wies auf die religiös überhöhten Wünsche und Erwartungen bezüglich der Gesundheit hin. Gründe für den Gesundheitswahn sieht er im Machbarkeitsanspruch und der Individualisierung. Der Körper wird so zum Objekt der Anbetung. Die Anti-Aging-Welle, boomende Schönheitsoperationen, Psychodesign bis hin zum Wunsch nach Unsterblichkeit sind dafür Ausdruck. Nach Meinung von Utsch sind Krisen, Grenzen und Erfahrungen des Scheiterns wichtig, um als Persönlichkeit zu reifen und vor Größenwahn bewahrt zu werden. Er empfiehlt, die eigene Biographie anzunehmen, Unvollkommenheit und Mängel zu respektieren und die Sterblichkeit als Teil des Lebens zu begreifen. Dankbarkeit wird so zur Quelle des Wohlbefindens und der Zufriedenheit.

Wer sein Leben erhalten will, wird es verlieren

Heilung ist im Sinne Gottes, betonte Dr. Wolfgang Bittner, Theologe aus Eisenhüttenstadt. Gesund ist, wer in seinen verschiedenen Lebensphasen in die Schöpfungsordnung eingebettet ist, ein Ziel über sich selbst und sein eigenes Leben hinaus hat und zu sterben weiß. Gesund ist, wer sich helfen lassen kann, den anderen Menschen als Gegenüber und Ergänzung braucht und eigene Schuld nicht verdrängt. Dabei zeigt sich immer wieder, dass selbstbezogenes Leben und die Fixierung auf das eigene Glück ins Scheitern führen. Wer das Leben als letzte Gelegenheit empfindet und Angst davor hat, etwas zu verpassen, wird aus Angst vor falschen Entscheidungen schnell entscheidungsunfähig.

Gesundheit fordert Menschenopfer

Das übersteigerte Gesundheitsideal entwickelt eine starke Eigendynamik. Als Beispiel dafür, dass die Gesundheit Menschenopfer fordert, nannte Bittner Kindesentführungen für Organspenden. Sehr eindringlich betonte er die Unantastbarkeit der Menschenwürde. Das Leben eines Menschen dürfe in keiner Phase zur Disposition stehen. Bittner ermutigte zu Formen der Gemeinschaft, um eigene Werte nachdrücklich zu vertreten und auch durch Verzicht und persönliche Opfer die Würde des Menschen zu gewährleisten.

Körperliche Gesundheit ist nicht alles

Gesundheit ist ein Geschenk Gottes ohne Vorbedingung oder Selbstbeteiligung, stellte Pfarrer Ulrich Schlappa, Marburg, fest. Dabei ist die körperliche Gesundheit nicht alles. Das Geschöpf muss den Schöpfer finden, um als Ganzes gesund (= heil) zu werden. Erst so kommen Heilung und Heil zusammen. Jens Kreisel

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