Recht

E. MandArzneimittelrabatte – welche Änderunge

Nur wenige Monate nach der letzten Novellierung des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) im August 2005 hat der Bundestag mit der Verabschiedung des Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetzes (AVWG) am 17. Februar 2006 erneut eine Änderung des Heilmittelwerberechts beschlossen. Wann die Neuregelung in Kraft treten wird, ist nach der Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat am 10. März 2006 noch nicht ganz sicher. Allerdings zählt die Änderung des Heilmittelwerberechts nicht zu den zwischen Bundesrat und Bundestag umstrittenen Punkten des Gesetzgebungsvorhabens. Zudem ist für das AVWG nach der Kompetenzzuweisung des Grundgesetzes eine Zustimmung des Bundesrates nicht erforderlich. Der Bundestag kann das Gesetz also auch ohne Einigung im Vermittlungsausschuss durchsetzen. Von einem Inkrafttreten der Neuregelung in der ersten Jahreshälfte 2006 ist deshalb auszugehen.

Neuregelung der Rabattmöglichkeiten

Das AVWG sieht eine Änderung der sprachlich schwer verständlichen Vorschrift des § 7 Abs. 1 HWG vor. Durch die Neuregelung werden Naturalrabatte bei apothekenpflichtigen Arzneimitteln generell verboten; Barrabatte sind nur noch zulässig, wenn sie nicht "entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes (AMG) gelten"1. Der Hinweis auf die Preisvorschriften des AMG bezieht sich auf die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV), die der Bundesminister für Wirtschaft auf der Grundlage der Ermächtigung in § 78 Abs. 1 AMG erlassen hat.

Der Gesetzgeber wollte durch die Neuregelung primär sicherstellen, dass die Vorschriften der AMPreisV eingehalten werden und den Apotheken diejenigen Handelszuschläge zukommen, die ihnen nach der AMPreisV zustehen. Dadurch erhofft sich der Gesetzgeber "Spielräume für den Preiswettbewerb der Hersteller"2. Zudem wird ein Zwangsrabatt auf generikafähige Arzneimittel gemäß § 130 a Abs. 3 b Sozialgesetzbuch V (SGB V) eingeführt, um "das bisherige Volumen der Rabatte für patentfreie Arzneimittel im generikafähigen Markt an die Krankenkassen weiter[zu]geben.3"

Reichweite der Neuregelung: Produkt- und Unternehmenswerbung

Bislang galt der Produktbezug als entscheidendes Kriterium für die Zulässigkeit jeder Heilmittelwerbung: Fachkreise und Endverbraucher sollten nicht durch unsachliche Beeinflussung zur Abgabe oder Verwendung bestimmter Arzneimittel animiert werden. Von einer reinen Unternehmens- bzw. Imagewerbung, die die Aufmerksamkeit generell auf die Qualität und Preiswürdigkeit eines Unternehmens lenkt, geht diese Gefahr nicht aus; sie wurde deshalb im Gegensatz zur produktbezogenen Werbung als zulässig erachtet4.

Nach der Neuregelung kann es – legt man die Intention des Gesetzgebers zu Grunde – zumindest für die Rabattgewährung nicht mehr darauf ankommen, ob sich ein Rabatt auf ein bestimmtes Arzneimittel oder auf einen Teil des Sortiments oder sogar auf das Gesamtsortiment bezieht; schließlich beeinträchtigen umfassende Rabattaktionen, die die in der AMPreisV vorgesehenen Handelszuschläge überschreiten, das Regelungsziel des neu gefassten § 7 Abs. 1 Nr. 2 HWG sogar besonders stark. Sie sind nach der Ratio der Neuregelung verboten. Demgemäß erfasst das Rabattverbot künftig auch Jahresendboni, Treueprämien etc, sofern diese anlässlich des Bezugs von Arzneimitteln gewährt werden.

Zulässiger Rahmen von Barrabatten

Barrabatte sind nach der Neuregelung weiterhin in bestimmten Fällen zulässig. Die exakten rechtlichen Grenzen sind aber anhand des Wortlauts des neuen Gesetzes nur schwer zu bestimmen. Viele Abgrenzungsfragen dürften deshalb erst nach langwierigen Rechtsstreitigkeiten geklärt werden.

Barrabatte für Arzneimittel, deren Abgabe vom Anwendungsbereich der AMPreisV ausgenommen ist. Barrabatte sind nach dem geänderten Wortlaut von § 7 HWG unzulässig, soweit sie "entgegen den Vorschriften gewährt werden, die aufgrund des AMG gelten". Anders ausgedrückt soll für Arzneimittel die AMPreisV den Rahmen erlaubter Rabatte abstecken. Demnach gilt das Verbot von Barrabatten von vornherein nicht für Arzneimittel, deren Abgabe vom Anwendungsbereich der AMPreisV ausgenommen ist. Dazu zählen vor allem die von Krankenhausapotheken abgegebenen sowie die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel.

Zu beachten ist, dass die Neuregelung nicht mehr zwischen einer Lieferung innerhalb der Handelsstufen und einem Verkauf durch Apotheken an Patienten unterscheidet. Daher können künftig auch Apotheken Barrabatte auf nicht preisregulierte Arzneimittel gewähren. Ob sich die Rabattaktion auf ein bestimmtes Arzneimittel, auf eine Gruppe von Arzneimitteln oder auf das ganze nicht preisregulierte Sortiment bezieht, spielt für die Rechtmäßigkeit der Werbemaßnahme keine Rolle mehr. Der heftige Streit um die heilmittelwerberechtliche Zulässigkeit von Rabattaktionen der Apotheker5 hat sich damit im nicht preisregulierten Bereich erledigt.

Barrabatte für in der GKV erstattungsfähige OTC-Arzneimittel, deren Abgabe der AMPreisV in der am 31. Dezember 2003 geltenden Fassung unterliegt. Auslegungsschwierigkeiten ergeben sich für OTC-Arzneimittel, die ausnahmsweise von der GKV erstattet werden. Für diese gilt gemäß § 129 Abs. 5a des Fünften Teils des Sozialgesetzbuchs (SGB V) ein Abgabepreis in Höhe des Herstellerabgabepreises "zuzüglich der Zuschläge nach den §§ 2 und 3 der AMPreisV in der am 31. Dezember 2003 gültigen Fassung" (AMPreisV 2003). Nach dem Wortlaut der Neuregelung wird hierdurch die Rabattgewährung aber nicht eingeschränkt. Denn die Preisregelung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die zu Lasten der GKV abgegeben werden, "gilt" nicht "aufgrund des AMG", wie es der neu gefasste § 7 Abs. 1 Nr. 2 HWG verlangt, sondern aufgrund einer sozialrechtlichen Vorschrift. Etwaige Barrabatte werden deshalb auch nicht entgegen den Preisvorschriften "aufgrund des AMG" gewährt. Folgt man dem Wortlaut der Neuregelung, bleiben Barrabatte somit im gesamten OTC-Sektor zulässig, unabhängig davon, ob sie von der GKV erstattet werden oder nicht.

Barrabatte für von der AMPreisV erfasste Arzneimittel. Für Arzneimittel, die dem Anwendungsbereich der AMPreisV unterliegen, ist zwischen Barrabatten im Rahmen der Großhandelshöchstzuschläge einerseits und Barrabatten, die über die Großhandelshöchstzuschläge hinausgehen oder für ausschließlich direkt vom Hersteller beziehbare Arzneimittel gewährt werden, zu differenzieren:

Der Großhandelszuschlag gemäß § 2 AMPreisV stellt einen Höchstzuschlag dar, der bei der Berechnung des Apothekenverkaufspreises vollständig zu erheben ist. Die AMPreisV gibt somit bei über den Großhandel beziehbaren Arzneimitteln selbst einen Rahmen zulässiger Rabatte vor. Dieser Spielraum kann nicht nur bei einem Bezug über den Großhandel genutzt werden, sondern auch bei einem Direktbezug beim Hersteller, solange das betreffende Arzneimittel überhaupt über den Großhandel beziehbar ist.

Dagegen bilden Barrabatte, die über die Großhandelshöchstzuschläge hinausgehen oder die vom Hersteller auf ausschließlich direkt beziehbare Arzneimittel gewährt werden, den am stärksten von der Neuregelung betroffenen Bereich: Zu den "entgegen" der AMPreisV gewährten und damit unzulässigen Rabatten an Apotheken zählen nunmehr alle Rabatte des Großhandels, die den Großhandelshöchstzuschlag übersteigen. Ob der Großhandel lediglich Rabatte der Hersteller weitergibt, spielt dabei keine Rolle. Darüber hinaus sind auch Rabatte der Apotheken an Verbraucher generell ausgeschlossen, da die AMPreisV insoweit fixe Zuschläge festschreibt.

Nicht zweifelsfrei beantworten lässt sich allerdings, ob auch die teilweise sehr hohen Rabatte der Hersteller an Apotheken beim Direktbezug und die Rabattgewährung der Hersteller gegenüber dem Großhandel von der Neuregelung erfasst werden. Die AMPreisV richtet sich nicht direkt an die Hersteller, weshalb Herstellerrabatte an sich auch nicht "entgegen" den Vorgaben der AMPreisV gewährt werden können. Ein anderes Ergebnis lässt sich nur dann begründen, wenn man mit Blick auf die Intention des Gesetzgebers künftig auch eine implizite Einschränkung der Preisgestaltungsfreiheit der Hersteller durch die AMPreisV befürwortet. Hiervon geht offensichtlich das Bundesministerium für Gesundheit aus: Nach Ansicht des Ministeriums enthält die AMPreisV abschließende und verbindliche Regelungen über die Handelsspannen des Großhandels und der Apotheken, die bei keinem Arzneimitteleinkauf überschritten werden dürfen. Zugleich gewährleiste die AMPreisV einheitliche Apothekenverkaufspreise. Aus dem Zusammenspiel zwischen dem neuen Rabattverbot und der AMPreisV ergebe sich daher eine mittelbare Bindung der Hersteller an die selbst gemeldeten Abgabepreise. Denn nur bei einem einheitlichen Abgabepreis könnten fixe Handelsspannen des Großhandels und der Apotheken einheitliche Apothekenverkaufspreise gewährleisten.

Ob sich diese Auslegung der AMPreisV durchsetzt, bleibt abzuwarten. Auf der Grundlage des bisherigen Rechts steht die Rechtsprechung jedenfalls auf dem Standpunkt, dass die AMPreisV die Hersteller in keiner Weise bindet.

Naturalrabatte

Naturalrabatte sind nach der Neuregelung bei apothekenpflichtigen Arzneimitteln generell verboten. Der Ausschluss von Naturalrabatten gilt dabei umfassend, d. h. zwischen allen Handelspartnern und gegenüber den Verbrauchern. Auch die Arzneimittelabgabe an Krankenhausapotheken oder die Abgabe von OTC- und Tierarzneimitteln sind vom Verbot nicht ausgenommen.

Wortlaut wie auch Gesetzesbegründung lassen hieran keinen Zweifel. Sehr zweifelhaft ist jedoch die Sinnhaftigkeit der vom Gesetzgeber eingeführten Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Formen der Rabattgewährung: Ökonomisch gesehen stellt der Naturalrabatt eine Form des Mengenrabatts dar. Bei Mengenrabatten spielt es letztlich aber keine Rolle, ob die Preise im Wege eines Barrabatts proportional gesenkt oder größere Mengen der Ware zum selben Preis abgegeben werden.

Skonti, Lagerwertausgleich, Retouren

Der Höhe nach angemessene Skonti, die bei einem Zahlungseingang vor bzw. unverzüglich nach Fälligkeit der Rechnung gewährt werden, dienen lediglich als Anreiz, um die Liquidität des jeweiligen Anbieters bestmöglich zu gewährleisten. Es handelt sich um eine ökonomisch gerechtfertigte Gegenleistung für eine schnelle Bezahlung. Insofern fallen Skonti auch nicht als Rabatt oder Zugabe unter das Verbot des § 7 Abs. 1 HWG. Entsprechendes gilt – wie auch das BMG kürzlich bestätigt hat – für Retouren und den so genannten Lagerwertausgleich. In derartigen Fällen erhält der Apotheker keine unentgeltliche Zuwendung, sondern eine Gegenleistung dafür, dass er durch eine Bevorratung typische Lagerrisiken übernimmt und die Lagerkosten des Großhandels- bzw. der Hersteller minimiert. Entscheidendes Kriterium für die rechtliche Bewertung ist jedoch die Angemessenheit der gewährten Skonti bzw. des Lagerwertausgleichs.

Umgehungsgeschäfte

Die Zulässigkeit von Barrabatten auf nicht preisgebundene Arzneimittel eröffnet rechtlich schwer angreifbare und in der Praxis kaum kontrollierbare Möglichkeiten, die Rabattbeschränkungen auf preisgebundene Arzneimittel zu umgehen: Denkbar ist zum einen die Gewährung von Barrabatten auf OTC-Produkte anlässlich der Abnahme verschreibungspflichtiger Arzneimittel. Das BMG hält diese Form von Kopplungsgeschäften zwar stets für unzulässig; dieses Verständnis ist aber fragwürdig. Insbesondere wird bei solchen Geschäften keine verbotene unentgeltliche Zugabe gewährt, weil die Apotheke als "Gegenleistung" für den Preisnachlass auf OTC-Produkte verschreibungspflichtige Arzneimittel abnimmt. Zu einer Unzulässigkeit kann man allenfalls gelangen, wenn man in derartigen Kopplungsgeschäften eine Umgehung der Rabattbeschränkung für preisgebundene Arzneimittel sieht. Wann jedoch ein solches Umgehungsgeschäft vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls und je nach Vertragsgestaltung schwer nachweisbar.

Weiterhin ist daran zu denken, die Rabattbeschränkung durch großzügige Werbe- und Verkaufshilfen auszuhebeln. Nach Auffassung des BMG soll es sich auch insoweit generell um verbotene Zuwendungen handeln. Allerdings brachte das AVWG keine Veränderung gegenüber dem bisherigen Verbot von "Zuwendungen". Daher kann und muss auf die bisherige differenziertere Zugaberechtssprechung Bezug genommen werden. Hiernach ist Werbe- und Ausstattungsmaterial, das den Einzelhändlern unentgeltlich für die Werbung gegenüber dem Endverbraucher zur Verfügung gestellt wurde, zugaberechtlich grundsätzlich unbedenklich. Nur dann, wenn Werbe- und Verkaufshilfen einen "Zweitnutzen" haben, der nicht im innerbetrieblichen Bereich liegt und hinter den die Werbewirkung für den Hersteller als Nebeneffekt zurücktritt, ist eine Bewertung als verbotene Zuwendung gerechtfertigt. Letztlich kommt es so im Arzneimittelsektor zu einer Renaissance der Rechtssprechung zu der inzwischen aufgehobenen Zugabeverordnung.

Schließlich wird auch eine Umgehung der Rabattbeschränkung durch einen Arzneimittelexport an einen im europäischen Ausland zu gründenden Großhändler mit anschließendem Reimport nach Deutschland diskutiert. Diese Variante erscheint jedoch wenig erfolgversprechend. Werden Arzneimittel nur deshalb aus- und wieder eingeführt, um inländische Bestimmungen zu umgehen, handelt es sich um ein klassisches Umgehungsgeschäft. Dieses unterliegt uneingeschränkt den inländischen gesetzlichen Vorschriften. Eine Berufung auf europarechtliche Grundsätze, insbesondere auf den freien Warenverkehr im Binnenmarkt, scheidet aus. Darüber hinaus sind bei einem Export die jeweiligen Kennzeichnungsvorschriften zu beachten, was insbesondere bei Exporten nach Österreich zu erheblichen Schwierigkeiten führt.

Fazit

Das Anliegen des Reformgesetzgebers, einem Auseinanderfallen des vom Hersteller gemeldeten und für die Berechnung des Apothekeneinkaufspreises maßgebenden Listenpreises und des tatsächlichen Apothekeneinkaufspreises infolge überhöhter Rabatte entgegenzuwirken, ist berechtigt. Die Neuregelung erfasst allerdings die für die gegenwärtige Rabattproblematik im Wesentlichen verantwortlichen Herstellerrabatte beim Direktbezug nur, wenn man entgegen dem bisherigen Rechtsverständnis eine mittelbare Bindung der Hersteller an die selbst gemeldeten Abgabepreise durch die AMPreisV bejaht. Ausgehend vom gegenwärtigen System der Preisregulierung wäre es systematisch sinnvoller und praktikabler gewesen, die Bindung der Hersteller an die eigenen Listenpreise direkt in der AMPreisV festzuschreiben.

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