Arzneimittel und Therapie

Mammakarzinom: Neues aus San Antonio

Im Herbst letzten Jahres fand in San Antonio (Texas) der 28. Brustkrebskongress statt, der neben dem Kongress in St. Gallen und dem amerikanischen Krebskongress (ASCO) zu den wichtigsten internationalen Treffen zum Thema Mammakarzinom gehört. Auf einem zweitägigen Symposium in München wurden wichtige Aspekte aus diagnostischen, operativen und therapeutischen Bereichen zusammengefasst sowie Zwischenergebnisse neuer Studien vorgestellt.

Unter dem Schlagwort translationale Forschung stellte Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Janni, München, neue diagnostische Entwicklungen vor. Zu diesen zählt die Erstellung von Genexpressionsprofilen. Anhand der biologischen Signatur eines Tumors kann die individuelle Prognose eines Krebspatienten besser eingeschätzt und eine maßgeschneiderte Therapie eingeleitet werden. In San Antonio wurde eine Studie vorgestellt, in der retrospektiv 76 für die Beurteilung eines Mammakarzinoms wichtige Gene validiert werden konnten; allerdings ist diese Methode noch nicht praxisreif. Neben den hohen Kosten fehlt eine Standardisierung der gemessenen Werte und die Relevanz der vorliegenden Genexpression kann noch nicht exakt beurteilt werden.

Neue Prognosefaktoren

Ein weiterer Schritt zur individualisierten Therapie ist der Nachweis disseminierter epithelialer Tumorzellen im Knochenmark. In mehreren Studien konnte eine Korrelation zwischen disseminierten Tumorzellen im Knochenmark und einer schlechteren Prognose nachgewiesen werden, und der Nachweis dieser Zellen im Knochenmark ist ein negativer prognostischer Faktor mit hohem Evidenzgrad. Im Rahmen von Studien werden die im Knochenmark nachgewiesenen Tumorzellen charakterisiert sowie das Monitoring systemischer Chemotherapien mittels wiederholter Knochenmarkpunktion untersucht.

Zwei weitere wichtige Prognosefaktoren sind die tumorassoziierten Proteolysefaktoren uPA (Plasminogenaktivator vom Urokinasetyp) und sein Inhibitor PAI-1 (Plasminogenaktivator-Inhibitor Typ 1). Sie sind am Abbau des Tumorstromas und der Basalmembran beteiligt und tragen so zur Invasions- und Metastasierungsfähigkeit der Tumorzellen bei. Gemeinsam mit dem uPA-Rezeptor ermöglichen sie die gerichtete Invasion der Krebszellen und spielen eine wichtige Rolle bei Adhäsion und Migration von Tumorzellen. Hohe Konzentrationen von uPA und/oder PAI-1 im Primärtumor gehen mit einem erhöhten Metastasierungsrisiko und einem kürzeren Gesamtüberleben einher. Wahrscheinlich werden in Zukunft Proteolysefaktoren bei Therapieentscheidungen (z. B. pro oder kontra Chemotherapie) eine Rolle spielen (siehe Kasten).

Hormontherapie

Bei hormonpositiven Tumoren wird in der Regel nach der operativen Entfernung des Tumors (und gegebenenfalls einer Chemotherapie) eine antihormonelle Therapie durchgeführt. Durch den Hormonentzug soll ein hormonabhängiges Krebswachstum unterbunden werden. Für Patientinnen nach der Menopause stehen hierfür Tamoxifen oder Aromatasehemmer (Letrozol, Anastrozol, Exemestan) zur Verfügung. Lange Zeit galt Tamoxifen als Mittel der Wahl, seit einigen Jahren werden zunehmend Aromatasehemmer eingesetzt. Ihr richtiger Einsatz führt zu besseren Ergebnissen als eine herkömmliche Standardtherapie mit Tamoxifen, allerdings darf ihr Benefit nicht überschätzt werden, so Prof. Dr. Bernd Gerber, Rostock. Aromatasehemmer werden in unterschiedlichen Regimes eingesetzt, und man unterscheidet

  • switch (Beginn mit Tamoxifen, dann – in der Regel nach zwei bis drei Jahren – Wechsel auf einen Aromatasehemmer; Gesamtbehandlungsdauer fünf Jahre)
  • extended (fünf Jahre lang Tamoxifen, dann Wechsel auf einen Aromatasehemmer)
  • up-front (Beginn mit einem Aromatasehemmer)

Bei all diesen Regimes wird das krankheitsfreie Überleben verlängert. Allerdings sind noch viele Fragen offen: Welche Patientinnen profitierten von welcher Vorgehensweise? Welcher Aromatasehemmer wird wann eingesetzt? In welchen Fällen ist eine Langzeittherapie indiziert? Wie sind die Nebenwirkungen einer Langzeittherapie einzuschätzen? Welchen Zulassungsstatus hat der eingesetzte Aromatasehemmer?

Welches Regime?

Derzeit besteht der Trend, nach einer zwei- bis dreijährigen Tamoxifentherapie auf Anastrozol oder Exemestan zu wechseln (switch). Diese Vorgehensweise wird durch die Metaanalyse dreier Studien (ITA-, ABCSG-8 und ARNO-Studie) unterstützt. Die gepoolte Auswertung dieser Switch-Studien zeigte erstmals einen signifikanten Überlebensvorteil für Anastrozol. Kritiker dieser Auswertung weisen auf methodische Probleme (u. a. unterschiedliche Zeitpunkte der Randomisierung) hin.

Für den sofortigen (up-front) Einsatz eines Aromatasehemmers spricht, dass die meisten Rezidive in den ersten zwei bis drei Jahren nach der Operation auftreten. Die Ergebnisse einer österreichischen Studie (AB CSG-8) zeigen, dass durch den Wechsel nach zwei bis drei Jahren Tamoxifen rund 20% aller Patienten aufgrund von Rezidiven, Nebenwirkungen oder mangelnder Compliance den Nutzen des Aromatasehemmers nicht mehr erfahren.

Die erweiterte adjuvante Therapie mit Letrozol nach fünf Jahren Tamoxifen wurde bisher vorzugsweise bei Risikopatientinnen durchgeführt. Eine Auswertung der MA17-Studie zeigt, dass auch eine spätere Letrozolgabe die Rezidivrate signifikant senkt, und die längerfristige (länger als vier Jahre) Letrozoleinnahme zeigt einen größeren Benefit als die kurzfristige (28 Monate) Therapie.

Nebenwirkung Osteoporose

Bei allen Aromatasehemmern können Osteoporose, Frakturen und Arthralgien auftreten, letztere können durch die Gabe eines NSAID (Ibuprofen, Paracetamol) gelindert werden. Zur Prävention einer Aromatasehemmer-induzierten Osteoporose werden Calcium und Vitamin D sowie eine Lebensführung mit ausreichender Bewegung und entsprechender Ernährung empfohlen. Bei klinischen Anzeichen einer Osteoporose, dem Vorliegen von Risikofaktoren und älteren Patientinnen ist eine Bestimmung der Knochendichte angezeigt. Unter einer Therapie mit Letrozol und Exemestan können kardiovaskuläre Veränderungen sowie Lipidstoffwechselstörungen auftreten.

Metastasierendes Mammakarzinom

Zur Therapie des metastasierenden Mammakarzinoms stellte Priv.-Doz. Dr. Kay Friedrichs, Hamburg, zwei Studien aus San Antonio vor. Die eine befasst sich mit dem Einsatz des VEGF-Antikörpers (VEGF = vaskulärer epithelialer Wachstumsfaktor) Bevacizumab, da das Wachstum des fortschreitenden Mammakarzinoms von der Bildung neuer Gefäße abhängig ist. Es konnte gezeigt werden, dass die kombinierte Anwendung von Bevacizumab und Paclitaxel signifikant das progressionsfreie Überleben verlängert und die objektive Responserrate steigert. Aussagen zum Gesamtüberleben können zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht getroffen werden.

Eine zweite Studie geht der Frage nach, ob im peripheren Blut zirkulierende Tumorzellen (CTC) als Marker für das Überleben beim metastasierenden Mammakarzinom genutzt werden können. Bislang konnte eine Korrelation zwischen der Zahl zirkulierender Tumorzellen und dem Gesamtüberleben aufgezeigt werden; je weniger Tumorzellen zirkulieren, umso besser ist die Prognose. Anhand zirkulierender Tumorzellen lässt sich auch ein Therapieerfolg überprüfen, da ihre Anzahl bei erfolgreicher systemischer Behandlung sinkt.

Individuelle Therapie

Klassische Prognosefaktoren

  • axillärer Lymphknotenstatus
  • primäre Tumorgröße
  • Grading
  • Estrogen- und Progesteronrezeptorstatus
  • HER-2-neu-Status
  • Alter der Patientin bzw. Menopausenstatus
  • Gefäßinvasion

Neue Prognosefaktoren

  • tumorassoziierte Proteolysefaktoren uPA und PAI-1
  • Knochenmarkstatus (KM)

Neues aus der adjuvanten Chemotherapie

  • Taxane: Bei nodalpositiven Patientinnen verbesserte die Hinzunahme eines Taxans in der adjuvanten Therapie das krankheitsfreie Überleben und wahrscheinlich das Gesamtüberleben. Unterschiedliche Taxanregimes sind möglich. Auch nicht-anthrazyklinhaltige Kombinationen mit einem Taxan sind effektiv.
  • Trastuzumab: Die Gabe von Trastuzumab in der Adjuvans – und nicht erst im metastasierenden Stadium – führt zu einem signifikanten Benefit.
  • Topoisomerase-Amplifikation als Prädiktor für Anthrazykline: Bei rund einem Drittel der HER-2-neu-positiven Tumoren tritt eine Co-Amplifikation des Topoisomerase-II-alpha-Gens auf. Patientinnen mit dieser Amplifikation profitieren von einer anthrazyklinhaltigen Chemotherapie, und umgekehrt können Patientinnen mit fehlender Co-Amplifikation auch mit einem nicht anthrazyklinhaltigen Regime therapiert werden.

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