Arzneimittel und Therapie

Beratungskompetenz gefordert: Naratriptan für die Selbstmedikation

Naratriptan wurde als erstes Triptan zum 1. April dieses Jahres aus der Verschreibungspflicht entlassen. Etwa ab Mitte des Jahres steht es für die Selbstmedikation der Migräne zur Verfügung. Das kann vielen Migränepatienten das Leben leichter machen. Voraussetzung ist eine umfassende Beratung in der Apotheke.

Nach einem wirksamen Medikament gegen Migräne wird in der Apotheke häufig gefragt. Nur knapp ein Drittel der zehn Millionen Migränepatienten in Deutschland kontaktiert zumindest hin und wieder einen Arzt. 750.000 werden dann medikamentös versorgt. Das Health Care Monitoring 2005 zeigte, dass die apothekengestützte Medikation bei nicht-rezeptpflichtigen Medikamenten für Migränepatienten steigt, von 72% im Jahr 2003 auf 80% im Jahr 2005. Ohnehin gehen zumindest bei leichteren Migränebeschwerden immer mehr Patienten lieber in die Apotheke, nicht zuletzt um die Praxisgebühr und lange Wartezeiten zu umgehen. Der Apotheker übernimmt hier zunehmend die Beratungsfunktion des Arztes. Für die Selbstmedikation der Migräne standen bislang die gängigen Schmerzmittel zur Verfügung, allen voran Acetylsalicylsäure sowie Ibuprofen oder Diclofenac, teilweise in Kombination mit Coffein. Übelkeit und Erbrechen erforderten zugleich antiemetische Wirkstoffe. Hochwirksame Triptane, die besser gegen den Schmerz und gleichzeitig gegen die Begleitsymptomatik wirksam waren, unterlagen bislang der Verschreibungspflicht.

Ausschlaggebend: Verträglichkeits- und Sicherheitsdaten

Naratriptan ist das erste Triptan, das für die Selbstmedikation zugelassen ist. Eine Packung mit zwei Tabletten, die jeweils 2,5 mg Naratriptan enthalten (Formigran®), wird ab Mitte dieses Jahres in den Apotheken für den rezeptfreien Verkauf zur Verfügung stehen. Ausschlaggebend für diese Entscheidung waren die überzeugenden Verträglichkeits- und Sicherheitsdaten.

Denn Naratriptan ist zwar nicht das wirksamste Triptan, aber das Triptan mit der besten Verträglichkeit und den wenigsten Nebenwirkungen. In der Dosis von 2,5 mg liegt das Nebenwirkungsprofil auf Placeboniveau. Ein Aspekt, der für die Entlassung aus der Verschreibungspflicht entscheidend ist. Zudem wird das Missbrauchspotenzial der Triptane generell als gering eingestuft. Eine körperliche Abhängigkeit tritt nicht auf, möglich ist eine psychische Abhängigkeit aus Angst vor der nächsten Migräneattacke. Auch der Preis, der bei etwa zehn Euro pro Packung liegen wird, wird den Missbrauch in Grenzen halten.

Beratungsleitfaden erleichtert das Kundengespräch

Doch auch Naratriptan sollte und darf nicht undifferenziert jedem potenziellen Migränepatienten in die Hand gedrückt werden. Voraussetzung sind eine ausführliche Anamnese sowie eine intensive Beratung des Patienten. Dabei geht es darum, den Kopfschmerz eindeutig als Migräne zu diagnostizieren, Differenzialdiagnosen nicht zu übersehen sowie Risikofaktoren und Kontraindikationen abzuklären. Gegebenenfalls muss der Patient an einen Arzt verwiesen werden. Das gilt etwa, wenn die Migräneattacken länger als 24 Stunden dauern oder an mehr als 15 Tagen im Monat auftreten, aber auch bei zusätzlichen Symptomen wie doppeltes Sehen, Tinnitus oder eine einseitige Bewegungseinschränkung. Auch bei Menschen ab dem 65. Lebensjahr wird die Selbstmedikation eher kritisch betrachtet. Naratriptan wird zudem nicht empfohlen, wenn der Kopfschmerz auch ohne Behandlung nicht länger als vier Stunden anhält. Hier kann ein übliches Schmerzmittel ausreichen. Aufgeklärt werden muss auch über die zwar seltenen, aber möglichen Nebenwirkungen, allen voran ein Kribbeln oder Wärmegefühl oder auch ein – völlig harmloses – Engegefühl in der Brust. Die für diese Beratung notwendige Schulung wird vom Hersteller angeboten. Er stellt dafür auch einen praxisnahen Beratungsfaden zur Verfügung, der gerade anfangs die nötige Sicherheit gibt, ob alle Fragen abgeklärt sind.

"Der Migränepatient ist beratungsoffen. Er greift nach jedem Strohhalm." Dr. Michael Kunkel, Apotheker, Titisee-Neustadt

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