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Das Ringen um die Reform beginnt

BERLIN (ks). Die Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt sind vorüber. Sowohl die Union als auch die SPD sehen sich und die große Koalition im Bund durch den Wahlausgang bestätigt. Nun wird es jedoch ernst für die Berliner Regierungsmannschaft. In den nun anstehenden Verhandlungen zur Finanzreform der gesetzlichen Krankenversicherung muss sie ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen. Gesucht wird ein dritter Weg jenseits von Bürgerversicherung und Gesundheitsprämie, bei dem beide Parteien ihr Gesicht wahren können. Klar ist schon jetzt: Auf diesem Weg liegt eine Reihe von Stolpersteinen.

Die Zeit drängt – Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete es zu Wochenbeginn als "wünschenswert", noch vor der parlamentarischen Sommerpause einen Gesetzentwurf für die Gesundheitsreform vorzulegen. Schon 2007 soll sie in Kraft treten, so sieht es der Koalitionsvertrag vor. Anderenfalls droht der GKV eine Finanzierungslücke von mehreren Milliarden Euro – dazu tragen maßgeblich der beschlossene Wegfall des Bundeszuschusses für versicherungsfremde Leistungen und die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel bei.

Spitzengespräche sind angelaufen

Zum Auftakt der Gespräche traf sich die Bundeskanzlerin am Abend des 27. März mit Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. Die Ministerin wollte Merkel ihre Vorstellung von einer Reform unterbreiten – was tatsächlich besprochen wurde, blieb allerdings unter Verschluss. Auch innerhalb der Fraktionen sind zu Wochenbeginn die ersten Beratungen angelaufen. Für den 29. März (nach DAZ-Redaktionsschluss) war ein erstes Treffen der so genannten "Siebener-Gruppe" angesetzt. Unter Ausschluss von Schmidt wollen hier die Parteichefs Angela Merkel, Matthias Platzeck und Edmund Stoiber, die Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder und Peter Struck, sowie der CSU-Landesgruppenvorsitzende Peter Ramsauer und Vize-Kanzler Franz Müntefering einen ersten Reformfahrplan festlegen. Dabei soll es um die Ziele der Reform gehen, nicht um konkrete Instrumente. Erst wenn die Eckpunkte vorliegen, sollen die Fachpolitiker die Details klären.

Vorschläge und Dementis

Schmidt und die Partei- und Fraktionsspitzen sind bemüht, über die Reformideen Stillschweigen zu wahren. Diesmal soll wirklich zunächst ausführlich unter den Koalitionspartnern diskutiert werden, ehe die Öffentlichkeit über Inhalte informiert wird. Dennoch kursieren in den Medien seit Tagen Reformvorschläge aus beiden Lagern, die nach dem Baukastenprinzip zusammengesetzt werden könnten. Regelmäßig dementieren Spitzenpolitiker, Regierungs- und Ministeriumssprecher diese Berichte oder verweisen darauf, dass sie im Vorfeld der Verhandlungen nicht auf Details eingehen können.

Umstrittener Gesundheits-Soli

Seitens der Union wird schon seit geraumer Zeit der Vorschlag gemacht, die Krankenversicherung der Kinder über Steuergelder zu finanzieren. Rund 15 Mrd. Euro wären dazu nötig – dafür könnten die Kassenbeiträge um 1,5 Prozentpunkte sinken. Zur Gegenfinanzierung könnten Teile der beschlossenen Mehrwertsteuererhöhung verwendet werden; doch diese zusätzlichen Gelder sind eigentlich schon zur Senkung der Arbeitslosenversicherung eingeplant. Zur Diskussion steht auch die Einführung eines Gesundheits-Solis. Die Idee hat nicht nur in der Union Anhänger – selbst der SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach würde die Einführung eines ein oder zweiprozentigen Zuschlags auf die Einkommensteuer begrüßen. CDU-Fraktionschef Kauder erklärte jedoch, derartige Überlegungen seien lediglich "Spekulationen". Auch sein SPD-Kollege Struck dementierte, man habe einen solchen Vorschlag bereits besprochen.

Platzeck hält nichts von festgeschriebenem Arbeitgeberbeitrag

Nicht unwahrscheinlich ist auch, dass die Union sich dafür einsetzen wird, dass zumindest ein Teil der Gesundheitskosten über eine zusätzliche Pauschale abgedeckt wird. Auch in Schmidts Reform-Werkzeugkiste soll sich angeblich die Idee einer "Mini-Pauschale" finden. Das Bundesgesundheitsministerium wies diese Behauptung bislang allerdings zurück (siehe DAZ Nr. 11/2006, S. 20). Die Festschreibung des Arbeitnehmerbeitrags auf 6,5 Prozent ist ebenfalls eine nicht unbekannte Unions-Forderung. Die SPD macht allerdings kein Geheimnis daraus, dass sie von einem weiteren Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung wenig hält: "Das ist kein sinnvoller Schritt", erklärte SPD-Chef Platzeck zu Wochenbeginn. Er betonte zudem erneut, dass es keine "Kopfpauschale" und keine "massiven Leistungsabstriche" geben dürfe. Ziel sei "kein Flickwerk, sondern eine grundlegende Reform".

Merkel: Wettbewerb stärken

Merkel hielt sich am Montag ebenfalls noch bedeckt. Als Ziel nannte sie ein "verlässliches und solidarisches" Gesundheitssystem, das "eher auf eine breite als auf eine geringere" Basis gestellt ist. Zudem müssten die Lohnnebenkosten gesenkt und der Wettbewerb im Gesundheitswesen gestärkt werden. So gelte es, Grundsatzentscheidungen zu treffen, etwa was die Zusammenarbeit zwischen der ambulanten und stationären Versorgung angehe.

Ausgang der Gespräche offen

Es bleibt also spannend in den kommenden Wochen. Wann die Spitzenrunde ihre ersten Ergebnisse vorlegen wird, ist noch unklar. Sicher ist nur: Es wird eine harte Bewährungsprobe für die Koalitionspartner, auch wenn sie sich in der Öffentlichkeit stets zuversichtlich geben. Vor allem die Erwartungen an den SPD-Parteivorsitzenden sind groß. Er muss sich nun auch vor seiner Parteibasis unter Beweis stellen.

Die Landtagswahlen sind vorbei. Nun wird es ernst für die Berliner Regierungsmannschaft. In den Verhandlungen zur GKV-Finanzreform muss sie ihre Handlungsfähigkeit beweisen. Gesucht wird ein Weg jenseits von Bürgerversicherung und Gesundheitsprämie, bei dem beide Parteien ihr Gesicht wahren können.

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