Die Seite 3

Es gibt Erfreuliches zu vermelden. Das Bundesministerium für Gesundheit ist dabei, kurz und schmerzlos einen Fehler zu korrigieren – ein Zeichen von Stärke, die leider nicht mehr selbstverständlich ist. Die zu Jahresbeginn in Kraft gesetzte Änderung der Verschreibungspflichtverordnung (AMVV) soll in den neuralgischen Punkten rückwirkend (!) zum 1. Januar wieder geändert werden.

Wir hatten an dieser Stelle aus der Sicht des Apothekers, der die Praxis der Arzneiversorgung nicht nur vom grünen Tisch kennt, die abstrusen Konsequenzen der Neuregelung verdeutlicht ("Wer sind wir eigentlich", DAZ vom 9. Februar 2006). Durch die Streichung des ehemaligen § 4 war zum Straftatbestand erklärt worden, wenn ein Apotheker im dringenden Ausnahmefall zum Beispiel nach telefonischem Kontakt mit einem ihm bekannten Arzt ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel aushändigt, bevor eine Verschreibung in der Apotheke physisch vorliegt. Unter Strafe war nunmehr auch gestellt, wenn ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel in der Apotheke einem Arzt für seinen Eigenbedarf ausgehändigt wird, ohne dass dieser eine schriftliche (oder demnächst elektronische) Verordnung vorlegt – auch wenn der Arzt persönlich bekannt ist oder sich ausgewiesen hat.

Der alte § 4 soll nun in sogar verbesserter Form wieder in eine rechtliche Form gegossen werden (siehe Kasten). "Erfahrungen aus der Praxis", so heißt es in der Begründung, hätten gezeigt, dass Notsituationen auftreten könnten, in denen die rasche Anwendung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels angezeigt ist und eine entsprechende Verschreibung in der Apotheke noch nicht vorliegt. In diesen Fällen solle die verschreibende Person berechtigt sein, der Apotheke die Verschreibung auch fernmündlich oder auf andere, geeignete Weise zu übermitteln. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Zwei weitere, für die Praxis ebenfalls nicht unwichtige Punkte sollen ebenfalls klargestellt werden (§ 2): Der Apotheker darf, ohne dass die Verschreibung dadurch ihre Gültigkeit verliert, auch ein fehlendes Geburtsdatum und fehlende oder unvollständige Angaben zur Darreichungsform, Gebrauchsanweisung und zum Ausstelldatum ergänzen, jedenfalls wenn ein dringender Fall vorliegt und eine Rücksprache mit dem Verschreibenden nicht möglich ist. Auch das ist sachgerecht.

Über diese Änderungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, hätten wir Sie gern schon vor einigen Wochen informieren wollen – zumal es die DAZ war, die als erste auf die Abstrusität der jetzt zur Revision anstehenden Neuregelung aufmerksam gemacht hat. Wir waren aber aus den Berufsorganisationen gebeten worden, die erfreuliche Information zunächst zurückzuhalten, um die Revision nicht zu gefährden. Im Interesse der Sache haben wir dem Wunsch entsprochen – nicht wissend, dass von der ABDA-eigenen Pharmazeutischen Zeitung offensichtlich gleiche Rücksichten nicht erwartet werden. Das hat uns sehr gewundert. Gewundert hat uns auch, mit welcher Gleichgültigkeit die PZ im Januar die für die Apothekenpraxis wirklich einschneidenden Änderungen der Verschreibungsverordnung aufgegriffen hat. Da hieß es ohne jeden kritischen Unterton, der bis Jahresende geltende alte Verordnungstext sei "nicht wesentlich geändert" worden (PZ vom 5. Januar 2006), die Verschärfungen seien sogar "konsequent" (PZ vom 19. Januar 2006) – eine Fehleinschätzung, die vom grünen Tisch aus allerdings passieren kann. Jetzt (am 23. März) preschte die PZ mit einer – ist es Stärke oder Schwäche? – ziemlich versteckten Meldung vor, die "beharrliche Kritik der Apotheker" an der AMVV scheine sich gelohnt zu haben. Das Ministerium wolle die am heftigsten umstrittenen Passagen nun offensichtlich selbst ändern. Auch für die PZ gilt: Es ist immer eines Lobes wert, klüger zu werden (zum Thema Albernheiten siehe unsere Randbemerkung auf S. 22)

***

Aus dem Entwurf einer Änderung der Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln (AMVV): § 4 Abs. 1: "Erlaubt die Anwendung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels keinen Aufschub, kann die verschreibende Person den Apotheker in geeigneter Weise, insbesondere fernmündlich, über die Verschreibung und deren Inhalt informieren. Der Apotheker hat sich über die Identität der verschreibenden Person Gewissheit zur verschaffen. Die verschreibende Person hat dem Apotheker die Verschreibung in schriftlicher oder elektronischer Form unverzüglich nachzureichen. § 4 Abs. 2: "Für den Eigenbedarf einer verschreibenden Person bedarf die Verschreibung nicht der schriftlichen oder elektronischen Form. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Diese Änderungen der AMVV sollen rückwirkend zum 1. Januar 2006 in Kraft gesetzt werden.

Klaus G. Brauer

Stärken, Schwächen, Albernheiten

Das könnte Sie auch interessieren

Von der therapeutischen Idee des Arztes zur Arzneimittelabgabe in der Apotheke

Wann ist ein Rezept eine Verschreibung?

Achtung bei nachgereichten Rezepten

Abgabedatum vor Verordnungsdatum

Notfallversorgung führte zu Retaxation

„Fernmündliche Verschreibung“

Welche Möglichkeiten Apotheker:innen haben

Retaxation wegen fehlender Dosierung – verlorenes Geld?

Dosierungsangaben auf dem Rezept

Wann dürfen Apotheker selbstständig ergänzen?

Zum Umgang mit ärztlichem Eigenbedarf

„Geben Sie mir die Pille – ich bin Arzt!“

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.