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Biotechnologische Arzneimittel: "Biosimilars" ante portas

ULM (bf). Der Markt für biotechnologisch hergestellte Arzneimittel boomt. Die Kosten für das Gesundheitswesen sind immens. Doch schon bald laufen zahlreiche Patente ab, der Weg für "Biogenerika", genauer gesagt "Biosimilars", wäre damit frei. Allerdings sind die Entwicklungskosten auch für generische biotechnologische Medikamente hoch, Produktionsprozess und Zulassungsprozedere weit komplexer und schwieriger als bei chemisch definierten Wirkstoffen. Wie bei einem von ratiopharm veranstalteten Pressegespräch am 8. März zu hören war, wird das Einsparpotenzial daher auf "lediglich" 15 bis 20 Prozent geschätzt.

Angesichts der hohen Preise wäre das dennoch eine enorme finanzielle Entlastung.

Der Verband forschender Arzneimittelhersteller schätzt den derzeitigen weltweiten Umsatz rekombinanter Arzneimittel auf etwa 32 Milliarden US-Dollar. Bis zum Jahr 2010 soll sich das weltweite Marktvolumen für Biopharmazeutika mehr als verdoppeln. Eingesetzt werden sie bei Diabetes, multipler Sklerose, Anämie und zunehmend auch bei rheumatoider Arthritis mit einem Wachstum allein im Jahr 2004 um 93 Prozent. Generikaunternehmen haben sich bislang nicht engagiert. Doch in nächster Zeit laufen zahlreiche Patente der ersten Generation von Biopharmazeutika ab. Allein in Deutschland sind davon mehr als hundert gentechnisch hergestellte Medikamente betroffen, zum Beispiel rekombinante Humaninsuline, Erythropoetin und Interferone. Das ermöglicht es grundsätzlich auch, Nachahmerpräparate biotechnologischer Medikamente herzustellen. Die aber sind mit chemisch-synthetischen Medikamenten kaum vergleichbar. Sie sind weit komplexer zusammengesetzt und ihre Wirkung wird nicht allein durch die Aminosäuresequenz, sondern auch durch die Faltung der Proteinstruktur, den Glykosilierungsgrad oder Prozess-spezifische Verunreinigungen bestimmt. Das Produkt wird deshalb maßgeblich durch den Herstellungsprozess festgelegt. Und hier können schon kleinste Modifikationen weit reichende Konsequenzen für Wirksamkeit und Sicherheit haben. Als besonders großes Problem gilt die Bildung von Artefakten, die immunologische Reaktionen hervorrufen können. Die Produktion erfordert daher einen erheblichen Aufwand hinsichtlich Steuerung und Planung.

Das gilt gleichermaßen für den Originalanbieter wie für den Generikahersteller.

Noch ungelöst: die analytische Charakterisierung

Ähnlich problematisch wie die Produktion ist der Nachweis der Äquivalenz von Originalpräparat und Biosimilar. Lassen sich chemisch-synthetische Wirkstoffe im Labor problemlos vergleichen, gibt es derzeit keine analytischen Methoden, die einen ausreichenden Vergleich von Proteinarzneimitteln unter Laborbedingungen erlauben. Die analytische Charakterisierung ist ein noch ungelöstes Problem.

Deshalb gelten umfangreiche klinische Vergleichsstudien zwischen Biogenerika und Originalpräparat als unerlässlich, obwohl sie zeit- und kostenintensiv sind.

Kontrovers diskutiert wird der Umfang der notwendigen Studien. Dabei geht es um die Frage, ob Therapieäquivalenz nachgewiesen sein muss oder ob der Nachweis der "Non-Inferiority", sprich der Nicht-Unterlegenheit, ausreicht. Als eigentliches Problem aber gilt weniger der Nachweis der Wirksamkeit, sondern der Nachweis der Sicherheit. Kritisch sind vor allem unbekannte Verunreinigungen und Aggregatbildungen. Denn das Immunsystem reagiert schon auf kleinste Differenzen, die mit analytischen Methoden nicht detektierbar sind. Gefordert werden deshalb auch hier umfassende präklinische und klinische Prüfungen, gegebenenfalls auch vergleichende Sicherheitsstudien. Mit dem aufwändigen Entwicklungsprozess verbunden werden aber auch Optimierungschancen. "Super-Biogenerika" statt nur Kopien zu entwickeln, eventuell durch eine gezielte Modifikation der Originalpräparate, ist die Vision.

EMEA ebnet den Weg

Zuständig für die Zulassung von Biosimilars ist die europäische Zulassungsbehörde. Sie hat im Dezember 2005 eine "Guideline on Similar Biological Medicinal Products" veröffentlicht, die erstmals Regularien für den Zulassungsprozess von Biosimilars festlegt und damit deren Zulassung in Europa den Weg ebnet. Ende Januar 2006 hat der Ausschuss für Humanarzneimittel der EMEA erstmals eine positive Empfehlung für die Herstellung des Biogenerikums Somatotropin erteilt.

Einsparpotenzial bis zu 20 Prozent

Angesichts der hohen Entwicklungskosten, der aufwändigen Produktion und der notwendigen präklinischen und klinischen Prüfungen wird sich der Preis bei Biosimilars, anders als bei chemischen Wirkstoffen, nicht derart gravierend vom Originalpräparat unterscheiden wie bei ASS und Co. Diskutiert wird ein Einsparpotential von bis zu 20 Prozent. Angesichts des generell hohen Preises von biotechnologisch hergestellten Präparaten bedeutet das dennoch beeindruckend hohe Einsparungen. Immerhin liegt der Preis für die Tagesdosis eines biotechnologischen Arzneimittels bei 29,89 Euro, der durchschnittliche Preis nur bei 0,79 Euro.

Bald laufen zahlreiche Patente für biotechnologisch hergestellte Arzneimittel ab, der Weg für "Biosimilars" ist dann frei. Allerdings sind die Entwicklungskosten auch für sie noch hoch. Wie bei einem von ratiopharm-Pressegespräch zu hören war, wird das Einsparpotenzial daher auf "nur" 15 bis 20 Prozent geschätzt.

Ähnlich statt gleich

Künftig werden auch biotechnologisch hergestellte Medikamente Konkurrenz von Generikapräparaten erhalten. Biogenerika, die mit dem Originalpräparat identisch sind, wird es aufgrund der Komplexität der Arzneimittel jedoch kaum geben.

Verwendet wird daher für die biotechnologischen Nachahmerpräparate der Begriff "Biosimilar" oder ganz korrekt "Similar Biological Medicinal Products".

Ratiopharm eröffnet Produktionsanlage für "Biosimilars"

Als einer der großen Generikahersteller wird sich die Firma ratiopharm GmbH langfristig in der Biotechnologie engagieren. 30 Millionen Euro wurden dafür bislang in eine Produktionsanlage für biotechnologische Wirkstoffe investiert, die vor kurzem in Ulm eröffnet wurde. In der Mehrzweckanlage zur Entwicklung und Herstellung biotechnologischer Wirkstoffe aus Zellkulturen können mehrere Substanzen parallel produziert werden. Derzeit befindet sich die Anlage in der Phase des Technologietransfers. Noch 2006 wird mit der endgültigen arzneimittelrechtlichen Herstellungserlaubnis gerechnet.

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