Kartellamt sieht AOK-Ausschreibungen kritisch

Behörde verweist Arzneimittelhersteller auf den Rechtsweg BERLIN (ks). Nach einer Entscheidung des Bundeskartellamts dürfen die 16 AOKen des Landes weiterhin gemeinsam Wirkstoffe ausschreiben, um Rabattangebote von Arzneimittelherstellern einzuholen (siehe AZ Nr. 47, 2006, S. 1). In einem Schreiben an die Pharmaverbände macht die Behörde allerdings deutlich, dass sie das Verhalten der AOKen für nicht vereinbar mit dem nationalen Wettbewerbsrecht hält.

Dennoch sind ihr die Hände gebunden: § 69 SGB V nimmt gesetzliche Krankenkassen ausdrücklich aus dem Wettbewerbsrecht aus. Das Kartellamt kündigte an, in seiner Stellungnahme zur Gesundheitsreform den Gesetzgeber auf die schweren Folgen dieser Regelung für den Wettbewerb aufmerksam zu machen. Die Verbände begrüßten diese Absicht.

Insbesondere die beabsichtigte Nachfragekonzentration in Höhe von rund 40 Prozent wertete die Behörde als "kaum hinnehmbar". Bedenklich sei zudem, dass durch das Ausschreibungsmodell große Hersteller mit einem breiten Sortiment gegenüber mittelständischen Herstellern bevorzugt werden. Denn pro Wirkstoff will die AOK nur drei Anbieter auswählen, deren Produkte bevorzugt erstattet werden sollen. Wer es nicht in diesen Kreis geschafft hat, werde sein Produkt nur noch schwer an die AOKen verkaufen können, so das Kartellamt. Insgesamt sei zu befürchten, "dass durch den gemeinsamen Einkauf der AOKen der funktionsfähige Wettbewerb auf den betroffenen Arzneimittelmärkten strukturell und erheblich beschädigt wird", heißt es in dem Schreiben der Behörde. Zudem müsse damit gerechnet werden, dass durch die Ausschreibung mittelfristig Anbieter ausscheiden und der Wettbewerb damit gedämpft werde – dies werde schließlich zu einem erneuten Ansteigen des Preisniveaus führen.

Europäisches Kartellverbot gilt nur für Unternehmen

Auch nach europäischem Wettbewerbsrecht handelt es sich aus Sicht der Behörde um ein unzulässiges Nachfragekartell. Allerdings könne das europäische Recht nur angewendet werden, wenn es sich bei den Krankenkassen um Unternehmen handelt. Eben dies sei mit Blick auf vergangene Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes jedoch zu bezweifeln. Letztlich verweist das Kartellamt die Herstellerverbände darauf, die streitigen Fragen vor Gericht klären zu lassen.

Zugleich sicherte die Behörde zu, den Gesetzgeber "nochmals ausdrücklich auf die schwerwiegenden Folgen für die Wettbewerbsstrukturen aufmerksam zu machen, die sich daraus ergeben, dass durch § 69 SGB V nicht nur den Arzneimittelherstellern, sondern allen Leistungserbringern im Gesundheitswesen der Schutz des Wettbewerbsrechts entzogen wird."

Verbände: Deutliches Signal an den Gesetzgeber

Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), der Verband Forschender Arzneimittelhersteller, der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie und Pro Generika begrüßten die Haltung des Kartellamtes grundsätzlich. Auch in ihrer gemeinsamen Stellungnahme zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz hatten die Pharmaverbände eine konsequente Anwendung des Wettbewerbsrechts auch auf Krankenkassen gefordert. Sie wollen nun auf dem Rechtsweg klären, ob das Verhalten der AOKen gegen EU-Kartellrechte verstößt. Der BAH hätte es allerdings lieber gesehen, wenn schon das Kartellamt selbst ein Untersagungsverfahren eingeleitet hätte.

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