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Ein teuflischer Plan

Das haben sich die AOKs fein ausgedacht: Ende Oktober schrieben sie sämtliche Arzneimittelhersteller gleichlautend an, für 89 Wirkstoffe Angebote für Rabattverträge (nach § 130a Abs. 8 SGB V) bis zum 24. November an die AOK Baden-Württemberg (die für diese Aktion federführend ist) –abzugeben. Die Angebote müssen unterhalb des Preises des derzeit günstigsten Produktes des Wirkstoffes liegen. Damit die Hersteller gleich wissen, wo′s lang geht, teilen die AOKs mit, dass die Chance, einen Rabattvertrag abzuschließen, nur dann besteht, wenn der Apothekenverkaufspreis abzüglich der jeweils gewährten Rabatte unter dem Preis des derzeit günstigsten Produktes des Wirkstoffes liegt. Das große Los auf einen supertollen Rabattvertrag soll dann auf bis zu drei Anbieter je Wirkstoff fallen: Die Auserwählten dürfen den Kassen des AOK-Imperiums ihre Arzneimittel zu Spottpreisen liefern.

Na, da kann man sich vorstellen, dass das nicht zu Freudensprüngen bei den Arzneimittelherstellern geführt hat. Der Geschäftsführer des zum indischen Konzern Reddy′s gehörenden Generikaherstellers betapharm, Wolfgang Niedermaier, sprach von einem "teuflischen Plan", andere sehen in diesem AOK-Vorhaben den Einstieg in ein Rabattsystem nach amerikanischem Muster. Da dürften sie nicht falsch liegen.

Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) legte unverzüglich Beschwerde beim Bundeskartellamt gegen das Vor–gehen der AOK ein – die das Amt allerdings am 14. November zurückwies. Die AOK dürfen ihr Rabattkarussell also weiter drehen.

Das kann Folgen haben. Immerhin geht es beim GKV-Verordnungsvolumen nach Berechnungen des BAH um 7,5 Mrd. Euro, das AOK-Verordnungsvolumen beträgt 3,5 Mrd. Euro. Wenn überhaupt dürfte es nicht allzu viele Hersteller geben, die bei diesem Rabattwettbewerb einsteigen können. Schon heute stöhnen selbst große Generikahersteller unter dem gewaltigen Preisdruck. Laut Branchenbericht sind die Umsätze bei führenden Unternehmen ab Mai um ein Drittel eingebrochen, ausgelöst durch den zehnprozentigen Zwangsrabatt (AVWG), die turnusmäßige Absenkung der Festbeträge und die Neuregelung, dass der Patient bei besonders günstigen Präparaten keine Zuzahlung leisten muss. Können da Generikahersteller überhaupt noch Tiefstangebote machen? Was ist, wenn die Generikahersteller die AOK auflaufen lassen und kein Angebot abgeben? Was ist, wenn ausländische Konzerne versuchen, über diese Schiene in den deutschen Markt zu drängen? Wie sieht es bei den Billigstgenerika mit der Qualität und der Gefahr von Fälschungen aus? Was ist, wenn auch andere Kassen Ausschreibungen verschicken?

Wirklich, ein teuflischer Plan.

Peter Ditzel

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